Die Kälteeinbrüche am Ende der letzten Eiszeit

Eisberg-Armadas und veränderte Flussläufe führten dazu, dass sich Teile der Nordhalbkugel während einer langsamen Erwärmung mehrfach rapide abkühlten
 

Auf den Punkt gebracht

  • Abrupte Klimaänderungen: Die langsame globale Erwärmung vom Höhepunkt der letzten Eiszeit bis zum Holozän wurde mehrfach durch eine vorübergehende rapide Abkühlung des Nordatlantiks und der angrenzenden Regionen unterbrochen.
  • Aufschlussreiche Modellsimulationen: Zwischen 25.000 und 13.000 Jahren vor heute setzten die Eisschilde der Nordhalbkugel mehrfach abrupt Eisberg-Armadas frei. Deren Schmelzwasser reicherten den Nordatlantik mit Süßwasser an und schwächten die Atlantische Meridionale Umwälzzirkulation (Amoc) ab, die im Atlantik Wärme aus den Tropen in den Norden transportiert.
  • Weitere Mechanismen der Amoc-Schwächung: Zwischen 13.000 Jahren vor heute und dem Holozän führte die Verlagerung von Flussläufen und die Öffnung von Ozeanpassagen durch das Schmelzen der Eisschilde wiederholt zu einer Abkühlung.

Bis zur menschengemachten Erderwärmung war das Klima im Holozän relativ stabil und machte die Entwicklung der menschlicher Zivilisation erst möglich. Doch zwischen dem Höhepunkt der letzten Eiszeit und dem Holozän waren Menschen auf der Nordhalbkugel immer wieder starken Klimaänderungen ausgesetzt: Steigende Temperaturen, unterbrochen von wiederkehrenden Phasen starker abrupter Abkühlung, zwangen sie zur Anpassung. Die Ursachen dieser starken Temperaturschwankungen haben Forschende des Max-Planck-Instituts für Meteorologie nun mithilfe eines neuartigen gekoppelten Klima-Eisschild-Modells ermittelt.

Vor 20.000 Jahren war die Erdoberfläche etwa vier bis sieben Grad kälter als heute. Massive Eisschilde bedeckten Grönland, die Antarktis, Nordamerika und Nordwest-Eurasien. Da Eisschilde riesige Wassermengen speichern, lag der Meeresspiegel etwa 80 bis 100 Meter niedriger als in der Gegenwart. Der Übergang von dieser Situation zum heutigen Klima – ausgelöst durch Veränderungen in der Erdumlaufbahn und durch einen Anstieg der atmosphärischen Treibhausgaskonzentrationen – verlief keineswegs gleichmäßig, wie Daten aus Eisbohrkernen, Sedimenten und verschiedenen anderen Quellen belegen. Dies lässt sich zum Teil durch das komplexe Zusammenspiel zwischen verschiedenen Komponenten des Klimasystems erklären. Den Klimaübergang unter umfassender Berücksichtigung dieses Zusammenspiels zu simulieren, war jedoch bislang eine ungelöste Herausforderung für moderne Klimamodelle.

Mit einem neuartigen umfassenden Modell, in dem Atmosphäre, Ozean, Vegetation, Eisschilde und feste Erde dynamisch gekoppelt sind, ist einem Team unter der Leitung von Forschenden des Max-Planck-Instituts für Meteorologie erstmals eine Serie von Simulationen der Klimaveränderungen vom Höhepunkt der letzten Eiszeit bis zum Beginn der Industrialisierung mit solch einem komplexen Modell gelungen. Das Modell, welches im Rahmen des PalMod-Projekts entwickelt wurde, berücksichtigt insbesondere dynamische Veränderungen der Form und horizontalen Ausdehnung von Eisschilden, Veränderungen der Küstenlinie aufgrund von Schwankungen des Meeresspiegels, Veränderungen von Flussverläufen sowie das Entstehen, die Ausbreitung und das Schmelzen von Eisbergen. „Wir haben acht Modellsimulationen durchgeführt, welche die Klimaentwicklung der letzten 25.000 Jahre bis zum Beginn der Industrialisierung realistisch erfassen. Dieses Ensemble gibt uns die Möglichkeit, die Ursachen abrupter Klimaereignisse zu untersuchen“, sagt Uwe Mikolajewicz, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Meteorologie.

Eisberg-Armadas und veränderte Flussläufe

Die Modellsimulationen zeigen mehrere Abkühlungsereignisse, bei denen die Temperaturen über dem Nordatlantik und in angrenzenden Regionen rapide sanken. Zwischen 20.000 und 13.000 Jahren vor heute kühlte sich diese Regionen mehrfach ab, weil die Eispanzer auf der Nordhalbkugel instabil wurden: Den Simulationen zufolge lösten sich riesige Eisberg-Armadas vom nordamerikanischen Eisschild und gelangten in die Labradorsee. Diese Eisberge drifteten über den Nordatlantik, wobei sie langsam schmolzen. Das Schmelzwasser reduzierte den Salzgehalt und die Dichte des Oberflächenwassers und verhinderte die Bildung von Tiefenwasser, wodurch sich die Atlantische Meridionale Umwälzzirkulation (Amoc) – eine Meeresströmung, die Wärme von niedrigeren in höhere Breitengrade transportiert – abschwächte.

Zwischen 13.000 Jahren vor heute und dem Holozän, als der Eisschild über Nordamerika bereits viel kleiner war, haben die Forschenden noch weitere Mechanismen identifiziert, die zu einer Abkühlung führen. „Eine abrupte Abschwächung der Amoc kann auch erfolgen, wenn Flüsse andere Wege nehmen“, so Mikolajewicz. Wo genau Schmelzwasser ins Meer gelangt, kann einen großen Unterschied machen, da es zu einer verminderten Tiefenwasserbildung und damit zu einer Schwächung der Amoc führen kann. Darüber hinaus kann das Abschmelzen der Eisschilde und die damit verbundene Öffnung von Ozeanpassagen wie der Beringstraße oder der Hudsonstraße die atlantische Umwälzbewegung und dadurch das nordatlantische Klima verändern.

Die Studie zeigt, dass gekoppelte Klima-Eisschild-Simulationen eine Möglichkeit bieten, die Mechanismen hinter den abrupten Klimaveränderungen nach der letzten Eiszeit zu untersuchen, und dass es wichtig ist, die gesamte Bandbreite der Wechselwirkungen zwischen der Atmosphäre, dem Ozean, dem Land und den Eisschilden einzubeziehen. Dieses wird das physikalische Verständnis der Mechanismen hinter abrupten Klimaveränderungen – nicht nur der fernen Vergangenheit, sondern auch der Zukunft – verbessern.

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