Forschungsbericht 2024 - Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts
Es werde Licht, es werde Schall: Wie Licht-Schall-Wechselwirkung neuromorphes Computing und Quantentechnologien beflügelt
Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts, Erlangen
Optische neuronale Netze machen KI effizienter
Optik und Photonik spielen in modernen Anwendungen eine wichtige Rolle, von künstlicher Intelligenz über Sensorik, Datenübertragung und Datenverarbeitung bis hin zu sicherer Kommunikation. Künstliche Intelligenz beispielsweise ist mittlerweile allgegenwärtig, allerdings ist ihr enormer Energiebedarf von Nachteil. Hier versprechen optische neuronale Netze als Lösung die Verarbeitung großer Datenmengen mit hoher Geschwindigkeit und hoher Energieeffizienz. Sie sind der photonische Zwilling digitaler neuronaler Netze, die auf Licht statt auf elektrischen Signalen basieren.
Bisher basieren viele experimentelle Ansätze zur Implementierung optischer neuronaler Netze jedoch auf festintegrierten Komponenten. Am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts haben wir einen Weg gefunden, rekonfigurierbare Bausteine auf Basis von Schallwellen für photonisches maschinelles Lernen zu bauen (Abb. 1). Für unseren experimentellen Ansatz verwenden wir haarfeine Glasfasern, die bereits weltweit für schnelle Internetverbindungen verwendet werden.
Der Schlüssel zu diesem neuen Zweig neuronaler Netze – den optoakustischen neuronalen Netzen – ist die lichtgesteuerte Erzeugung von Schallwellen. Diese können dann beispielsweise nachfolgende Rechenschritte eines optischen neuronalen Netzes manipulieren. Optische Informationen werden also verarbeitet und mit akustischen Wellen korreliert. Die Schallwellen haben eine wesentlich längere Übertragungszeit als der optische Informationsstrom. Dadurch verbleiben sie länger in der Glasfaser und können wiederum mit jedem weiteren Verarbeitungsschritt verknüpft werden. Die Einzigartigkeit dieses Prozesses liegt darin, dass er vollständig durch Licht gesteuert wird und keine komplizierten Strukturen und Wandler erfordert.
Wir haben bereits verschiedene Bausteine optoakustischer neuronaler Netze experimentell implementiert: einen optoakustischen rekurrenten Operator (OREO) – dieser Operator verbindet zeitlich getrennte Rechenschritte miteinander, eine rein photonische nichtlineare Aktivierungsfunktion und ein klangbasiertes photonisches Gedächtnis. Dies sind wesentliche Bestandteile für die Implementierung einer neuen Hardware. Mit unserem neu erworbenen ERC Consolidator Grant „SOUND-PC“ werden wir noch weiter gehen und darauf abzielen, eine neue Art trainierbarer Computerarchitektur zu schaffen. Das klangbasierte photonische Gedächtnis nutzt die Tatsache, dass Informationen von schnellen optischen auf langsame akustische Wellen übertragen werden und dadurch eine „Verlangsamung“ um den Faktor 100.000 erfahren.
Bausteine für die Quantensignalverarbeitung
Für optoakustisches maschinelles Lernen nutzen wir klassische Lichtsignale wie in der Telekommunikation. Aber was ist mit der Quantendomäne? Unsere Forschungsgruppe hat auch zum Ziel, Optoakustik in Wellenleitern in die Quantenwelt zu bringen (Abb. 2 links) und mögliche Anwendungen wie Quantenspeicher für Quantenrepeater, Quantensignalverarbeitung im Allgemeinen und die Erzeugung von Verschränkung für die Quantenkommunikation zu ermöglichen.
Eine häufig benötigte Voraussetzung für Quantenwechselwirkungen ist der Quantengrundzustand. Den Quantengrundzustand einer akustischen Welle einer bestimmten Frequenz können wir durch vollständige Kühlung des Systems erreichen. Auf diese Weise lässt sich die Zahl der Quantenteilchen, der sogenannten akustischen Phononen, die Quantenmessungen stören, auf nahezu Null reduzieren. Das öffnet die Tür zwischen klassischer und Quantenmechanik.
In unseren Ergebnissen konnten wir die Temperatur einer Schallwelle in einer optischen Faser gegenüber der Raumtemperatur um 219 Grad senken (Abb. 2 Mitte). Eine solch drastische Reduzierung war durch die Abkühlung der sich ausbreitenden Schallwellen durch einen nichtlinearen optischen Effekt möglich: Die stimulierte Brillouin-Streuung kann Lichtwellen effizient an Schallwellen koppeln. Darüber lassen sich akustische Schwingungen mit Laserlicht kühlen, was eine Umgebung mit geringerem thermischem Rauschen schafft. Dessen weitere Reduzierung ermöglicht Anwendungen wie einen Quantenspeicher und die Photon-Phonon-Verschränkung (Abb. 2 rechts).
Aber was ist Verschränkung? Quantenverschränkung ist ein Phänomen, bei dem Teilchen miteinander verbunden werden, sodass der Zustand des einen sofort den Zustand des anderen beeinflusst, unabhängig von der Entfernung zwischen ihnen. Verschränkung ist ein wichtiges Phänomen für viele Anwendungen der Quantentechnologie, da sie zu sicherer Quantenkommunikation und hochdimensionalem Quantenrechnen führen kann. Wir haben uns mit der Frage beschäftigt, wie eine Verschränkung zwischen sehr unterschiedlichen Einheiten wie wandernden Schallwellen und optischen Photonen hergestellt werden kann. Das vorgeschlagene optoakustische Verschränkungsschema ist besonders widerstandsfähig, kann in Quantensignal-Verarbeitungsschemata integriert werden und ist bei hohen Umgebungstemperaturen umsetzbar.
Einsatz in der Sensorik
Schallwellen, die mit Licht interagieren, sind noch für andere Anwendungen interessant. Akustische Wellen reagieren sehr empfindlich auf die Umgebung und können winzige Spannungs-, Druck- und Temperaturunterschiede auflösen. Sie sind daher perfekte Sensoren für thermodynamische Phasen und können mit Licht ausgelesen werden. Unsere Gruppe hat die faszinierende metastabile Phase des negativen Drucks in Flüssigkeiten demonstriert, gemessen in giftigem CS2in Glaskapillaren. Der negative Druck entsteht dadurch, dass das Volumen der Flüssigkeit aufgrund thermodynamischer Gesetze kollabieren sollte, aber aufgrund von Adhäsionskräften an der Innenfläche der Glaskapillaren gehalten wird. Ohne den Einsatz von akustischen Wellen und Kapillarfasern wäre es sehr aufwendig, solche instabilen thermodynamischen Zustände zu messen und weiter zu untersuchen.
Die Wechselwirkung von optischen und akustischen Wellen fasziniert uns immer wieder, etwa die Kopplung akustischer Phononen mit Magnonen (Quanten des Magnetfelds) oder die Erforschung akustischer Wellen mit verdrillter Struktur. Die Möglichkeit einer rein optischen Steuerung durch wandernde akustische Wellen könnte für den Bereich neuromorpher Photonik und Quantentechnologien besonders bahnbrechend sein.
DOI: 10.1038/s41467-024-47053-6
DOI: 10.1515/nanoph-2024-0513
DOI: 10.1103/PhysRevLett.133.203602
DOI: 10.1103/PhysRevLett.132.023603
DOI: 10.1038/s41567-023-02205-1













