Einige Affen erzeugen unbeabsichtigt scharfkantige Steinsplitter
Steinwerkzeuge könnten Nebenprodukte bei der Nutzung von Schlagwerkzeugen sein
Ein internationales Forschungsteam hat in Fazenda Matos, Brasilien, eine neue Fundstätte mit Steinwerkzeugen von Gelbbrust-Kapuzineraffen (Sapajus xanthosternos) entdeckt, die faszinierende Einblicke in die Ursprünge der Steinwerkzeugtechnologie in der menschlichen Evolution bietet. Die Ergebnisse zeigen, dass Primaten beim alltäglichen Nussknacken unbeabsichtigt scharfkantige Abschläge herstellen, wie sie auch für frühe menschliche Steinwerkzeuge charakteristisch sind.

Die Studie baut auf früheren Arbeiten des Teams auf und zeigt, dass Primaten wie Bartkapuzineraffen und Langschwanzmakaken beim Schlagen von Steinen unbeabsichtigt scharfkantige Absplitterungen erzeugen. Bei der Analyse des vielfältigen Steinmaterials, das Gelbbrust-Kapuzineraffen hinterlassen haben, entdeckten die Forschenden bei den hergestellten Abschlägen und Werkzeugen Ähnlichkeiten mit archäologischen Signaturen, die sonst üblicherweise mit frühen Homininen in Verbindung gebracht werden.
„Dies ist die erste detaillierte Analyse einer Fundstätte mit Steinwerkzeugen von freilebenden Gelbbrust-Kapuzineraffen“, sagt Erstautor Tomos Proffitt vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie und der Universidade do Algarve in Faro, Portugal. „Unsere Ergebnisse bauen auf früheren Arbeiten zur Nutzung von Steinwerkzeugen bei verschiedenen Primatenarten auf, die zeigen, dass Steinmaterial, das beim Werkzeuggebrauch unbeabsichtigt abgeplatzt ist, als universelles Nebenprodukt bei der Nutzung von Schlagwerkzeugen angesehen werden sollte.“
Die Studie zeigt, dass scharfkantige Abschläge, die in der Archäologie oft mit der absichtlichen Herstellung von Werkzeugen in Verbindung gebracht werden, auch unbeabsichtigt beim alltäglichen Nussknacken entstehen können. Die Ergebnisse deuten außerdem darauf hin, dass ähnliche Verhaltensweisen bei frühen Homininen vor mehr als drei Millionen Jahren zur Entwicklung der absichtlichen Herstellung von Abschlägen und schließlich zur Entstehung fortschrittlicher Steinwerkzeugtechnologien wie der des Oldowan und des Acheulean beigetragen haben könnten.
Nebenprodukte von Schlägen

Beim Vergleich der Funde von Fazenda Matos mit ähnlichen Funden von anderen Primaten, wie zum Beispiel Langschwanzmakaken in Thailand, stellte das Team deutliche Unterschiede in den Materialeigenschaften der durch Werkzeuggebrauch entstandenen Produkte fest. Diese sind auf die Verfügbarkeit des Rohmaterials zurückzuführen, wie zum Beispiel auf die Größe der Steinsplitter. Die Herstellung scharfkantiger Abschläge ist jedoch allen Arten gemeinsam, die Steinwerkzeuge verwenden.
„Diese Ergebnisse stellen die bisherige Annahme in Frage, dass alle scharfkantigen Abschläge in archäologischen Funden absichtlich hergestellt wurden“, ergänzt Lydia Luncz, leitende Autorin der Studie und Forschungsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. „Stattdessen deuten sie darauf hin, dass einige frühe Steinwerkzeuge eher Nebenprodukte von Schlägen waren als Zeugnisse absichtlicher Handlungen.“
Die Ergebnisse der Studie zeigen, wie wichtig es ist, heute lebende Primaten zu erforschen, um die evolutionären Wurzeln des menschlichen Verhaltens zu ergründen. „Unsere Forschung zeigt, dass wir unseren Blickwinkel erweitern müssen“, sagt Proffitt. „Indem wir das gesamte Spektrum der dokumentierten Primaten- und Homininenfunde einbeziehen, können wir die Prozesse, die zur Entwicklung der Steinwerkzeugtechnologie geführt haben, besser verstehen.“