Vorliebe für Fäulnis

Die Taufliege Drosophila busckii kann giftige Nahrungsquellen aufspüren und  darauf ihre Eier ablegen

21. Januar 2025

Die Fähigkeit, giftige Substanzen zu tolerieren, kann Tieren helfen, neue Nahrungsquellen zu erschließen und in bestimmten ökologischen Nischen zu gedeihen. Forschende des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena haben nun herausgefunden, dass die Taufliege Drosophila busckii eine Toleranz gegenüber der giftigen Schwefelverbindung Dimethyldisulfid entwickelt hat. Obwohl das Gas für viele andere Insekten schädlich ist, nutzt Drosophila busckii ihre besondere Vorliebe für diese Verbindung, um Nahrung zu finden und ihre Eier abzulegen. Die Toleranz gegenüber dem Schadstoff beruht wahrscheinlich auf Veränderungen eines Enzymkomplexes in der Fliege, der bei anderen Insekten normalerweise durch Dimethyldisulfid geschädigt wird. Drosophila busckii könnte daher ein nützliches Modell sein, um die Entwicklung von Resistenzen gegen giftige Gase zu untersuchen und ökologische Anpassungen zu beleuchten.

Die schwarzbäuchige Taufliege Drosophila melanogaster ist vielen bekannt, da sie vor allem im Sommer auf Obst zur Plage werden kann. Sie wird vielfältig in der Forschung eingesetzt und ist einer der bekanntesten Modellorganismen zur Erforschung des Geruchssinns, aber auch von Krankheiten. Andere Taufliegenarten sind weit weniger erforscht. Die Tatsache, dass sie zum Teil völlig andere Lebensräume besiedeln und dort überleben können, macht sie zu nicht minder interessanten Forschungsobjekten.  

Ein Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie hat die Taufliegenart Drosophila busckii untersucht. Die spärliche Literatur über den natürlichen Lebensraum von Drosophila busckii deutet auf eine Vorliebe für faulendes Gemüse hin, das für andere Arten giftig ist. „Im Gegensatz zu anderen Taufliegenarten, die sich regional stark begrenzt an giftige Nahrungsquellen angepasst haben, stellt Drosophila busckii aufgrund ihrer weltweiten Verbreitung ein hervorragendes Modell für die Untersuchung von Toleranzmechanismen gegenüber toxischen Substanzen dar. Darüber hinaus bietet diese Fliegenart die einzigartige Möglichkeit, evolutionäre Anpassungen und Verschiebungen innerhalb einer völlig unerforschten Drosophila-Untergattung zu untersuchen“, erklärt Erstautor Venkatesh Pal Mahadevan.

Ziel des Forschungsteams war es, die bevorzugte Nahrungsquelle der Fliege und die spezifischen Düfte, die diese Vorliebe bestimmen, zu bestimmen. Außerdem wollten die Forschenden herausfinden, welche Entgiftungsmechanismen es den Fliegen ermöglichen, auf giftigen Substraten zu überleben.

Dimethyldisulfid als Schlüsselverbindung

Mit verschiedenen Untersuchungsmethoden, bei denen die Forschenden verschiedene gasförmige Substanzen in verrottenden Gemüsesubstraten identifizieren, die Reaktion einzelner Sinneshaare auf den Antennen der Fliegen auf Düfte messen und das Verhalten der Fliegen auf verschiedene Düfte testen können, identifizierte das Team eine einzige entscheidende Verbindung: Dimethyldisulfid (DMDS). „Diese Verbindung könnte man als Schlüsselfaktor im Leben von Drosophila busckii bezeichnen. Diese Fliege bevorzugt eindeutig Substrate, die DMDS freisetzen. Besonders bemerkenswert ist, dass sie bereits sehr geringe Konzentrationen von DMDS wahrnehmen und diese als Duftsignal für die Eiablage nutzen kann“, erklärt Venkatesh Pal Mahadevan.

DMDS ist eine für den Menschen unangenehm riechende Schwefelverbindung, die in der Natur weit verbreitet und für viele Insekten giftig ist. Sowohl die Larven als auch die adulten Fliegen von Drosophila busckii entwickelten sich jedoch normal auf Nahrung, die DMDS-Verbindungen enthielt. Im Gegensatz dazu können andere Arten wie Drosophila melanogaster nicht auf DMDS-haltigen Substraten überleben. Die Toleranz von Drosophila busckii scheint unter den meisten Drosophila-Arten eine Ausnahme zu sein.

Die Fähigkeit von Drosophila busckii, in einer toxischen Nische zu gedeihen, ist ein wichtiger Vorteil, der es ihr ermöglicht, Lebensräume zu besetzen, in denen andere Drosophila-Arten nicht überleben können. Die Forschenden vermuten, dass diese einzigartige Anpassung dazu beigetragen hat, die Konkurrenz zwischen den Arten zu verringern und Drosophila busckii Zugang zu exklusiven Ressourcen zu verschaffen.

Enzymkomplex entscheidet über DMDS-Toleranz

Die toxische Wirkung von DMDS erfolgt normalerweise über den Enzymkomplex Cytochrom-C-Oxidase (COX). Das Forschungsteam aus Jena untersuchte daher, ob eine Veränderung in diesem Enzymkomplex für die Unempfindlichkeit von Drosophila busckii gegenüber DMDS verantwortlich ist. Vergleichende genetische Untersuchungen an 200 anderen Fliegenarten der Drosophilidae Familie ergaben, dass COX bei Drosophila busckii und wenigen weiteren Arten verändert ist. „Die Ergebnisse unserer Experimente mit anderen Arten, die ebenfalls eine Veränderung in diesem Enzymkomplex aufweisen, legen nahe, dass die DMDS-Toleranz von Drosophila busckii wahrscheinlich auf der Unempfindlichkeit seiner mitochondrialen Cytochrom-Oxidase beruht“, sagt Venkatesh Pal Mahadevan.

Aufgrund ihrer einzigartigen ökologischen Anpassungen an verrottendes Gemüse ist Drosophila busckii nicht nur ein ideales Modell zur Untersuchung wichtiger ökologischer Konzepte wie Nischentrennung und Konkurrenz. Die Fliegenart stellt auch ein vielversprechendes Modell für die Erforschung von Gifttoleranz dar. So ist der COX-Mechanismus auch an der Erkennung anderer toxischer Gase wie Kohlenmonoxid und Cyanid beteiligt. Dies macht Drosophila busckii zu einem vielversprechenden System, um die molekularen und physiologischen Anpassungen an toxische Umgebungen aufzuklären.

„Unsere Studie ist ein hervorragendes Beispiel für die Anwendung klassischer Techniken der chemischen Ökologie, um evolutionäre Anpassungen bei einer völlig unerforschten Insektenart aufzudecken. Die faszinierenden Ergebnisse unterstreichen das Potenzial der Gattung Drosophila als leistungsfähiges Werkzeug für weitere Studien, insbesondere bei Arten, die einzigartige und vielfältige ökologische Nischen besetzen“, sagt Bill Hansson, Direktor am Institut und einer der Hauptautoren.

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