Männliche und weibliche Mäuse reagieren unterschiedlich auf Stress
Frühkindlicher Stress verändert die Angstreaktionen und Regulierung der Stresshormone bei Weibchen und Männchen unterschiedlich
Frühkindlicher Stress kann sich langfristig auf die psychische Gesundheit auswirken und das Risiko für die Entwicklung von Angststörungen und posttraumatischer Belastungsstörung erhöhen. Von letzterer sind Frauen häufiger betroffen. Daher ist es wichtig, zu verstehen, wie das biologische Geschlecht die Reaktionen auf Traumata beeinflusst. Eine kürzlich veröffentlichte Studie hat mit Hilfe maschinellen Lernens Unterschiede in der Art und Weise aufgedeckt, wie männliche und weibliche Mäuse auf Stress reagieren. Sowohl im Verhalten als auch im Gehirnstoffwechsel sowie in der Regulierung der Stresshormone unterscheiden sich die Geschlechter.
Stress in der Kindheit, wie Vernachlässigung oder Misshandlung, sind bekannte Risikofaktoren für die Entwicklung psychischer Störungen im späteren Leben. ForscherInnen des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München unter der Leitung von Joeri Bordes und Mathias Schmidt haben mit Tierversuchen an Mäusen untersucht, wie sich frühkindlicher Stress auf die Angstreaktion und das Gedächtnis bei Männchen und Weibchen auswirkt.
Sie haben herausgefunden, dass solcher Stress zu verstärkten Angstreaktionen führt, die sich bei Männchen und Weibchen unterscheiden: Männliche Tiere zeigten passive Strategien zur Angstbewältigung („Einfrieren“), während weibliche aktive Strategien zeigten (Ausweichen oder fluchtartiges Verhalten). Stress in einer frühen Lebensphase wirkte sich bei Männchen und Weibchen zu unterschiedlichen Zeitpunkten aus, Weibchen reagierten unmittelbar, Männchen zeigten länger anhaltende Reaktionen. Weibliche Mäuse wiesen unmittelbar nach einer frühen Stressbelastung einen erhöhten Stresshormonspiegel (Corticosteron) auf, bei männlichen Tieren war das nicht der Fall.
Die Forschenden haben auch die Stoffwechselprozesse in Gehirnregionen untersucht, die mit Angst und Stress in Verbindung gebracht werden wie die Amygdala und der Hippocampus. Sie haben geschlechtsspezifische und stressabhängige Veränderungen im Hirnstoffwechsel entdeckt: Frühkindlicher Stress löste geschlechtsspezifische Veränderungen in wesentlichen Stoffwechselkanälen aus, also in Prozessen, die für die Energieproduktion, die DNA-Reparatur und die Kommunikation zwischen den Nervenzellen wichtig sind. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass früher Stress die Art und Weise, wie das Gehirn Energie und Signale verarbeitet, umprogrammiert, was die Anfälligkeit für psychische Störungen im späteren Leben erhöhen könnte.
Auswirkungen auf die psychische Gesundheit
„Unsere Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, geschlechtsspezifische Unterschiede in den neurobiologischen Prozessen, die Trauma bedingten Verhaltensweisen zugrunde liegen, zu berücksichtigen“, sagt Joeri Bordes, Hauptautor der Studie. „Dieses Wissen könnte den Weg für die Entwicklung geschlechtsspezifischer Therapien für Menschen ebnen, die in ihrer Kindheit Stress erlebt haben.“
Diese Forschung liefert entscheidende Informationen über die komplexe Beziehung zwischen frühkindlichem Stress, Geschlecht und Angst. Dadurch hoffen die Forschenden, wirksamere Behandlungen für Trauma-bedingte Störungen entwickeln zu können. Mögliche Therapien, die auf bestimmte Stoffwechselwege abzielen, könnten auf die unterschiedlichen Bedürfnisse von Männern und Frauen zugeschnitten werden. „Durch das Verständnis, wie unterschiedlich sich Stress bei Männern und Frauen auf das Gehirn auswirkt, können wir psychische Störungen langfristig individueller und besser behandeln“, hofft Forschungsgruppenleiter Mathias Schmidt.