Forschungsbericht 2024 - Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft
Wenn KIs die Planung übernehmen: Selbststeuernde Labore in der Katalyseforschung
Warum wir schnell bessere Katalysatoren brauchen
Feststoffkatalysatoren beschleunigen an ihren Oberflächen chemische Reaktionen und lenken sie in Richtung erwünschter Produkte. Was zunächst vielleicht nicht sonderlich spannend klingt, ist ebenso essenzielle Grundlage für die Herstellung von Kunststoffen wie für die Reinigung von Abgasen oder die Produktion von Düngemitteln. Noch deutlicher wird die zentrale Rolle von Katalysatoren für unsere moderne Gesellschaft durch ihren Einsatz im Bereich erneuerbarer Energien. In Elektrolyseuren erzeugen sie grünen Wasserstoff; Schadstoffe wie CO2 wandeln sie in nachhaltige, nicht-fossile Kraftstoffe um.
Leider tun sie all das bisher nicht perfekt. Die Energieverluste bei den chemischen Umwandlungen sind oft zu hoch, es entstehen immer noch zu viele unerwünschte Nebenprodukte, und die besten aktuellen Katalysatormaterialien bestehen häufig aus seltenen Elementen wie Rhodium, Iridium oder Platin. Diese haben wir nicht in genügendem Umfang auf der Erde, um den immensen globalen Bedarf abzudecken, zum Beispiel für Elektrolyseure für grünen Wasserstoff.
Beschleunigung durch sich selbst steuernde Labore
Gerade wegen des Einsatzes im Bereich erneuerbarer Energien steigt der Druck, rasch verbesserte Katalysatoren zu entwickeln. In diesem Zusammenhang stellen selbststeuernde Labore (Self-Driving Laboratories, SDLs) eine höchst spannende aktuelle Entwicklung dar. Ein SDL vereint künstliche Intelligenz (KI) mit Laborautomatisierung und Robotik. Die KI plant dabei die Experimente, die dann in zunehmend automatisierten Modulen (robotisiert) durchgeführt werden.
In der Praxis geschieht dies in der Regel in aktiven Lernzyklen, wobei die Daten der im letzten Zyklus durchgeführten Experimente ein maschinelles Lernmodell verfeinern, anhand dessen die KI die Experimente für den nächsten Zyklus plant. Auf diese Weise werden nur die Experimente durchgeführt, die auf Basis der in allen vorherigen Experimenten bereits gewonnenen Information maximal zielführend sind. Gleichzeitig steigert die Automatisierung den Durchsatz, die Präzision und die Sicherheit der einzelnen Experimente. Insgesamt führt dies zu einer drastischen Beschleunigung im Vergleich zu traditionellen, von Menschen geplanten und durchgeführten Messungen.
Das Konzept funktioniert
In enger Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern am BasCat-Zentrum der BASF konnten wir erfolgreich einen ersten SDL-Workflow zur beschleunigten Identifikation einer optimalen Promotorformulierung realisieren. Promotoren sind Elemente, die den eigentlichen Katalysatoren in kleinen Mengen beigefügt werden. Obgleich sie oft die Funktion oder Stabilität der Katalysatoren signifikant verbessern, werden in technischen Prozessen bisher typischerweise nur sehr wenige verschiedene Promotoren gleichzeitig eingesetzt. Die optimale Formulierung, das heißt welche Promotoren und in welchen Konzentrationen am besten sind, wird dabei in langwierigen empirischen Studien ermittelt.

Untersucht haben wir die Umwandlung von Propan zu Propylen, einer wichtigen Basischemikalie, deren weltweiter Bedarf allein für die Polymerproduktion bald auf 200 Megatonnen pro Jahr steigen dürfte.
Trotz intensiver jahrzehntelanger Forschung umfassen aktuelle Promotorformulierungen für technisch eingesetzte Platinkatalysatoren bisher meist maximal zwei verschiedene Promotoren. Als herausfordernde Aufgabe haben wir mit dem SDL stattdessen gleich die Wirkung von sechs vielversprechenden Promotoren gleichzeitig analysiert. Der dadurch aufgespannte große Designraum an möglichen Promotorformulierungen umfasst entsprechend 20000 verschiedene Katalysatoren, deren erschöpfende experimentelle Testung mit herkömmlichen Methoden weitere Jahre der Forschung erfordert hätte.
Im Gegensatz dazu brauchte die KI mit einer effizienten adaptiven Design-of-Experiment (DoE)-Experimentplanung weniger als 100 Experimente. Schon damit hatte sie eine vielversprechende neue Formulierung gefunden, die eine vergleichbare Performance zu aktuell eingesetzten Formulierungen aufweist. Durch die in dem SDL-Konzept durch Automatisierung und Parallelisierung erreichte Durchsatzmaximierung konnten diese Experimente zudem in wenigen Wochen durchgeführt werden.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit als Schlüssel für einen neuen Ansatz
Das SDL konnte nur durch enge Zusammenarbeit der experimentellen Wissenschaftler am BasCat mit den KI-Experten der Theorieabteilung am FHI implementiert werden. Es stellt eine der ersten Realisierungen dieses neuen Ansatzes in der Katalyseforschung dar. Der offensichtliche Erfolg ist umso beeindruckender, wenn man bedenkt, dass die im aktiven Lernzyklus durchgeführten Experimente bisher nur die minimalen Komponenten der eigentlichen Herstellung der Katalysatoren (Synthese) und der expliziten Testung im Reaktor umfassen.
Laufende Arbeiten zielen nun darauf ab, weitere unaufwendige Charakterisierungsmessungen in den Zyklus mit aufzunehmen, deren zusätzliche Daten der KI helfen, die Anzahl der zeitaufwendigen Testungen nochmals zu reduzieren. Mit diesen Möglichkeiten sollen dann auch die Details der eigentlichen Prozessführung, das heißt wie die Reaktanden an den Katalysator herangeführt werden, mit in den zu explorierenden Designraum aufgenommen werden.
Literaturhinweise
DOI: 10.1002/adma.202407791
DOI: 10.1021/acscatal.4c01740
Catalysis
DOI: 10.1038/s41929-024-01275-5