Forschungsbericht 2024 - Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften

Symmetrie - in Theorie und Anwendung

Autoren
Wienhard, Anna
Abteilungen
Forschungsgruppe Geometry, Groups, and Dynamics
Zusammenfassung
Symmetrien spielen eine wichtige Rolle in Kunst und Architektur, sind zentral in Entwicklungsprozessen in der Biologie, bei chemischen Prozessen, und in physikalischen Systemen. Auch in der Mathematik ist Symmetrie ein zentrales Prinzip. Es erlaubt uns, verdeckte Strukturen zu entdecken und komplexe Probleme auf das Wesentliche zu reduzieren. Dass dies auch praktische Anwendung findet, zeigt sich schon in Alltagsgegenständen, wie zum Beispiel dem Zirkel. Aber auch komplexere hochdimensionale mathematische Strukturen mit vielen Symmetrien finden Anwendung, zum Beispiel im maschinellen Lernen.
 

 

Symmetrien sind Transformationen eines Objekts oder eines Systems, die dieses wieder in sich selbst überführen. Am geläufigsten ist uns dies aus der Geometrie der euklidischen Ebene, die uns allen aus Schulzeiten wohlbekannt ist. Mathematiker allerdings betrachten auch Symmetrien von Gleichungen oder anderen abstrakten Objekten.

Objekte in der euklidischen Ebene können wir verschieben, drehen oder auch spiegeln. Dies sind die elementaren Transformationen der Ebene. Sie erhalten Abstände und auch Winkel, die wir in der Ebene messen können. Jede abstandserhaltene Transformation, also jede Symmetrie der Ebene, ist zudem eine Verknüpfung elementarer Transformationen, die hintereinander ausgeführt werden.

Veranschaulichen wir uns nun ein Objekt in der Ebene, etwa ein Quadrat oder einen Kreis, so hat dieses viel weniger Symmetrien. Ein Quadrat hat endlich viele Symmetrien, ein Kreis unendlich viele. Jede Drehung um den Kreismittelpunkt überführt den Kreis in sich selbst. Der Kreis lässt sich daher auf zwei Punkte reduzieren, die ihn eindeutig bestimmen: ein Punkt auf dem Kreis und den Kreismittelpunkt – der gar nicht zum Kreis gehört. Dies nutzen wir aus, wenn wir einen Zirkel benutzen, um einen Kreis zu zeichnen. 

Wie beschreiben wir Symmetrien? 

Um Symmetrien zu beschreiben nutzen wir den mathematischen Begriff der Transformations- oder Symmetriegruppe. Die zentralen Eigenschaften einer Gruppe sind, dass zwei Elemente, also zwei Transformation sich miteinander verknüpfen lassen, dass es ein Einselement gibt, also eine Transformation, die nichts verändert, und dass sich jede Transformation durch eine andere Transformation rückgängig machen lässt.

Bei der Betrachtung von Symmetrien fokussieren wir uns also auf die Symmetriegruppen. Dies ist schon wieder eine interessante und wirksame Reduktion. Zur Illustration betrachten wir nochmals die Euklidische Ebene, oder den drei-dimensionalen Raum. Die euklidische Symmetriegruppe wird von allen Verschiebungen, Drehungen und Spiegelungen erzeugt. Dies ist eine kontinuierliche Gruppe. Aber wenn wir die Symmetrie nun brechen, in dem wir verlangen, dass die Transformationen weitere Struktur, z.B. ein Kästchenmuster erhalten müssen, wird die Symmetriegruppe diskret.

Die Reduktion auf die Symmetriegruppe erlaubte es Mathematikern im 19. Jahrhundert alle zweidimensionalen periodische Tapetenmuster und alle dreidimensionalen Kristallgitter zu klassifizieren. Es gibt 17 verschiedene Tapetenmuster, und 230 verschiedene Kristallgitter.

Geometrie durch Symmetrie

Ende des 19. Jahrhundert revolutionierte der Mathematiker Felix Klein, der später auch in Leipzig wirkte, durch sein „Erlangen-Programm“ die Geometrie. Er lenkte den Blick von den gemessenen Größen hin zu den Symmetrien eines Raumes.

Statt ausgehend von gegebenen geometrischen Größen zu fragen, welche Transformationen diese Größen nicht verändern, wie wir es oben im Beispiel der euklidischen Geometrie gemacht haben, legt er den Ausgangspunkt auf die Transformationsgruppe. Er bestimmt die relevanten geometrischen Größen als solche, die unter dieser Transformationsgruppe invariant sind. Der Ausgangspunkt für Geometrie ist Symmetrie.

Dies erlaubte ihm einen einheitlichen systematischen Blick auf die bahnbrechenden geometrischen Entdeckungen des 19. Jahrhunderts, die Entwicklung der hyperbolischen, also nicht-euklidischen, Geometrie sowie der projektiven Geometrie, die nicht durch geometrische Größen, sondern durch Relationen von Objekten gekennzeichnet ist.

Die Bedeutung dieses Paradigmenwechsels, an dem neben Klein viele weitere Mathematiker beteiligt waren, kann nicht überschätzt werden. Er prägt die moderne Mathematik und Physik, und hat in den letzten Jahren auch im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) Einzug erhalten.

Symmetrische Räume

Euklidische Räume jeglicher Dimension haben viele Symmetrien, jeder Punkt kann durch eine Verschiebung auf jeden anderen Punkt abgebildet werden, und die Punktspiegelung in jedem Punkt ist eine Symmetrie. Räume die diese Eigenschaft haben, nennen wir symmetrische Räume.

Im Prinzip kann jeder kontinuierlichen Transformationsgruppe ein solcher symmetrischer Raum zugeordnet werden; in der Mathematik werden diese auch Lie-Gruppen genannt, nach dem norwegischen Mathematiker Sophus Lie, der auch für einige Zeit in Leipzig wirkte. Daher spielen symmetrische Räume eine zentrale Rolle in der Untersuchung kontinuierlicher Transformationsgruppen, als auch derer diskreten Untergruppen. Fragen über Symmetriegruppen, übersetzen sich so in Fragen zur Geometrie der symmetrischen Räume, zur Dynamik von Gruppenwirkungen auf ihnen oder in Fragen zur Topologie von Mannigfaltigkeiten, die als Quotienten dieser Gruppenwirkungen auftreten. All dies sind Aspekte unserer Forschung.

Die Topologie ist übrigens ein Teilgebiet der Mathematik, das sich mit Eigenschaften eines Objekts befasst, die unter Verformung erhalten bleiben, zum Beispiel das Loch im Henkel einer Tasse, die in einen Ring mit einem Loch umgeformt wird.

Anwendungen in der KI

Wo finden diese abstrakten symmetrischen Räume nun wieder eine Anwendung? Sie spielen eine wichtige Rolle in der Physik, sie sind aber auch beim maschinellen Lernen und bei Anwendungen in der KI interessant. Dies haben wir zum Beispiel an Hand von sogenannten Graph-Einbettungen [1, 4] und graphbasierten neuronalen Netzen [2, 3] gezeigt. Unter Graphen versteht die Mathematik Strukturen, die sich als Netzwerke aus Knoten und Verbindungslinien (Kanten) beschreiben lassen.

Daten, die kompliziertere Strukturen enthalten, lassen sich nicht immer gut in euklidischen Räumen repräsentieren. Allgemeine symmetrische Räume haben eine komplexere Struktur, sie enthalten zum Beispiel euklidische Unterräume, aber auch hyperbolische Unterräume. Daher können sie solche komplexere Strukturen repräsentieren und reichhaltigere Beziehungen modellieren (Abb. 1). Das kann man in KI-Anwendungen einsetzen.

 

Literaturhinweise

López, F.; Pozzetti,B.; Trettel, S.; Strube, M.; Wienhard, Anna
Symmetric spaces for graph embeddings : a Finsler-Riemannian approach
 
ICML 2021 : Proceedings of the 38th international conference on machine learning ; 18-24 July 2021
[Book] : Proceedings of machine learning research, 139, 7090-7101 (2021)
López, F.; Pozzetti,B.; Trettel, S.; Strube, M.; Wienhard, Anna
Vector-valued distance and gyrocalculus on the space of symmetric positive definite matrices
Advances in neural information processing systems 34 : NeurIPS 2021 ; annual conference on neural information processing systems 2021, December 6-14, 2021, virtual / Marc'Aurelio Ranzato (ed.)
[S. L.] : NeurIPS, 18350-18366 (2021)
 
Zhao, W.; Lopez, F.; Riestenberg, J Maxwell; Strube, M.; Taha, D. Trettel, S.
Modeling Graphs Beyond Hyperbolic: Graph Neural Networks in Symmetric Positive Definite Matrices
Joint European Conference on Machine Learning and Knowledge Discovery in Databases (ECML PKDD), 122--139, Springer (2023)
DOI: 10.1007/978-3-031-43418-1_8
Print/Online ISBNs: 978-3-031-43417-4/ 978-3-031-43418-1
 
Taha, D.; Zhao, W.; Riestenberg, J Maxwell, Strube, M.
Normed Spaces for Graph Embedding
Transactions on Machine Learning Research, 2835-8856 (2024)
https://openreview.net/pdf?id=4E2XLydJiv

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