Metallproduktion in einem Schritt

Metalle und Legierungen lassen sich in einem einzigen, energieeffizienten Schritt ohne CO2-Emissionen gewinnen, mischen und verarbeiten

Metalle und Legierung könnten sich künftig einfach und klimaneutral produzieren lassen. Ein Team des Max-Planck-Instituts für Nachhaltige Materialien präsentiert ein neues Designkonzept, das die Gewinnung, Mischung und Verarbeitung von metallischen Werkstoffen in einem einzigen Prozessschritt vereint. Zudem  setzen die Forschenden als Energieträger und Reduktionsmittel Wasserstoff statt Kohlenstoff ein, sodass bei dem Verfahren kein CO2 entsteht. Bei nur 700 Grad Celsius werden die Metallerze zu anwendungsfertigen Legierungen verarbeitet, ohne mehrmaliges Erhitzen und Abkühlen. Dies spart 40 Prozent Energie im Vergleich zur konventionellen Metallurgie.

Die Produktion von jährlich etwa zwei Milliarden Tonnen Metalle ist für 10 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Allein bei der Produktion von einer Tonne Eisen werden zwei Tonnen CO2 ausgestoßen. Für die Gewinnung von einer Tonne Nickel fallen sogar 14 Tonnen oder mehr CO2 an. Dabei sind Eisen und Nickel für die Luft- und Raumfahrt und für die Energiewende wie etwa den Transport von flüssigem Wasserstoff von entscheidender Bedeutung. Aus ihnen entstehen sogenannte Invarlegierungen, die aufgrund ihrer geringen thermischen Ausdehnung ideal für diese Anwendungen sind.

Wie lassen sich solche Legierungen CO2-frei und mit geringem Energieverbrauch herstellen? Dafür haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Nachhaltige Materialien ein radikal neues Konzept entwickelt. In einem einzigen Prozessschritt und Reaktor werden die Metallgewinnung, das Legieren, also das Mischen, und die thermomechanische Verarbeitung integriert, so daß am Ende das fertige Material entsteht. Diese Methode ermöglicht die direkte Umwandlung von Erzen in anwendungsfähige Produkte. Zudem setzt das Max-Planck Team Wasserstoff als Energieträger und Reduktionsmittel ein, um die Metalle aus den Erzen zu gewinnen. Die Forschenden haben ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.

Kompakt-Metallurgie spart bis zu 40 Prozent Energie

„Wir haben uns gefragt: Können wir eine Legierung mit optimalen Eigenschaften direkt aus Erzen und ohne CO2-Emissionen herstellen?“, sagt Shaolou Wei, Humboldt-Forschungsstipendiat am Max-Planck-Institut für Nachhaltige Materialien und Erstautor der Publikation. Die konventionelle Legierungsproduktion ist seit mehr als 6000 Jahren in der Regel ein dreistufiger Prozess: Zuerst wird Sauerstoff aus den Erzen entfernt, um das reine Metall zu erhalten. Dieser Schritt heißt Reduktion: Eisen- oder Nickelerz werden somit zu Metall reduziert. Danach werden mehrere Metalle oder andere Elemente erhitzt und verflüssigt, um sie miteinander zu vermischen, das sogenannte Legieren. Zum Schluss wird die Legierung thermomechanisch bearbeitet, also geschmiedet, gewalzt, erhitzt, um die gewünschten Eigenschaften zu erzielen. Jeder dieser Schritte ist energieintensiv, vor allem da die Erze und Metalle mehrmals erhitzt, verflüssigt und wieder abgekühlt werden. Zudem wird bisher Kohlenstoff als Energieträger und Reduktionsmittel genutzt, was zu erheblichen CO2-Emissionen führt.

„Der Schlüsselgedanke besteht darin, die Thermodynamik und Kinetik jedes beteiligten Elements zu verstehen und Elemente mit ähnlichem Reduktions- und Mischverhalten bei etwa 700 Grad Celsius zu verwenden“, erklärt Wei. „Bei 700 Grad Celsius können wir den Sauerstoff aus den Erzen entfernen und die so entstehenden Metalle in einem einzigen Schritt legieren, und zwar ohne das Material verflüssigen zu müssen. Dies spart enorme Mengen Energie.“ Im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden, bei denen Erze mit Kohlenstoff reduziert werden, verwenden die Max-Planck-Wissenschaftler Wasserstoff als Reduktionsmittel. „Die Verwendung von Wasserstoff anstelle von Kohlenstoff bringt vier entscheidende Vorteile mit sich“, erklärt Dierk Raabe, geschäftsführender Direktor des Instituts und korrespondierender Autor der Studie. „Erstens entsteht bei der wasserstoffbasierten Reduktion nur Wasser als Nebenprodukt, und kein CO2. Zweitens werden direkt reine Metalle beziehungsweise- sogar gleich deren fertige Legierungen gewonnen. Man muss also keinen verbliebenen Kohlenstoff aus dem Endprodukt entfernen. Dies spart Zeit und Energie. Drittens führen wir den Prozess bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen und in der festen Phase, also nicht in flüssigen Schmelzen, durch und sparen damit erneut Energie. Viertens vermeiden wir das häufige Abkühlen und Wiedererhitzen, das für herkömmliche metallurgische Prozesse charakteristisch ist. Und können auch hier erheblich Energie sparen.“ Insgesamt wird der Energieverbrauch im Vergleich zur konventionellen Metallurgie um bis zu 40 Prozent gesenkt.

Die mit dieser Methode hergestellten Invar-Legierungen haben dieselbe geringe Wärmeausdehnung wie solche, die konventionell hergestellt werden, und weisen aufgrund einer verfeinerten Mikrostruktur, die aus diesem Verfahren resultiert, sogar eine bessere mechanische Festigkeit auf.

Vom Labor zur Industrie

Die Max-Planck-Wissenschaftler zeigen somit, dass die Herstellung von Invar-Legierungen durch ein schnelles, CO2-freies und energieeffizientes Verfahren vielversprechend ist. Um diese Methode vom jetzigen Labormaßstab zur industriellen Anwendung zu bringen, müssen die Wissenschaftler noch drei zentrale Herausforderungen überwinden: Erstens verwendeten sie in der jetzigen Forschungsarbeit reine Oxide. Die Industrie hingegen setzt günstigere, verunreinigte Oxide ein. Das heißt für das Max-Planck-Team, dass sie ihren Prozess an die verunreinigten Rohstoffe anpassen müssen, um weiterhin dieselbe Qualität der Legierungen zu erhalten. Zweitens ist reiner Wasserstoff im Reduktionsprozess zwar effektiv, aber für industrielle Anwendungen kostspielig. Das Team führt nun Experimente mit niedrigeren Wasserstoffkonzentrationen bei höheren Temperaturen durch, um eine optimale Balance zwischen Wasserstoffverbrauch und Energiekosten zu finden und den Prozess für die Industrie wirtschaftlicher zu machen. Drittens werden für industrielle Zwecke sehr fein porige Metalle gebraucht, die mit der neuen Methode der Max-Planck-Wissenschaftler nicht direkt, sondern mit einem zusätzlichen Schritt, dem Sintering, hergestellt werden müssten.

Da keine hohen Temperaturen und fossilen Brennstoffe mehr erforderlich sind, könnte der einstufige, wasserstoffbasierte Prozess den ökologischen Fußabdruck der Legierungsproduktion jedoch drastisch reduzieren und den Weg für eine nachhaltigere Metallurgie ebnen. Das neue Verfahren ist nicht nur für Invar-Legierungen interessant, sondern für alle Legierungen auf der Basis von Eisen, Nickel, Kupfer oder Kobalt. Im Fokus des Düsseldorfer Max-Planck-Teams stehen jetzt auch komplexe Legierungen, die aus mehr als fünf verschiedenen Elementen bestehen, sogenannte Hoch-Entropie-Legierungen. Diese werden zum Beispiel in Flugzeugturbinen und Elektromotoren eingesetzt. Eine weitere vielversprechende Forschungsrichtung könnte die Verwendung von metallurgischen Abfällen, anstatt reiner Oxide, sein.

Die Forschung wurde durch ein Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung für Shaolou Wei und einen European Advanced Research Grant von Dierk Raabe finanziert.

Yasmin Ahmed Salem

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