„Wir sollten uns an die Errungenschaften erinnern, die Frauen in der Wissenschaft erzielt haben – und diese mit ganzer Kraft schützen!“
Suropriya Saha, Gruppenleiterin der 'Feldtheorien der aktiven Materie' am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen, über die Atomphysikerin Maria Goeppert Mayer

Am 5. November 1963 wird Maria Goeppert Mayer frühmorgens von einem Telefonanruf geweckt. "Aber ich kenne niemanden in Stockholm", wundert sie sich – während ihr Mann Joseph bereits eine Flasche Champagner kaltstellt. Er weiß, was dieser Anruf bedeutet: Maria hat den Nobelpreis für Physik gewonnen. Ihre bahnbrechenden Entdeckungen zur Kernschalenstruktur werden damit gewürdigt. Sie ist erst die zweite Frau, die diese höchste wissenschaftliche Auszeichnung erhält – ganze 60 Jahre nach Marie Curie. Und sie ist die erste Frau überhaupt, die den Preis für theoretische Physik bekommt.
Kindheit und frühe Ausbildung
Maria Gertrude Käte Goeppert wurde 1906 in Kattowitz, damals Deutschland (heute Polen), geboren. Als einziges Kind des Kinderarztes Friedrich Goeppert und seiner Frau Maria Wolff, einer Französischlehrerin und begabten Pianistin, wuchs sie in Göttingen auf, wo ihr Vater eine Professur innehatte. Wissenschaft lag in der Familie ihres Vaters: Bereits sechs Generationen hatten eine akademische Laufbahn eingeschlagen. Dass auch Maria diesen Weg wählen würde, schien fast selbstverständlich. An der Universität Göttingen begann sie zunächst ein Mathematikstudium, doch ein Seminar von Max Born zur Quantenmechanik faszinierte sie so sehr, dass sie zur Physik wechselte.
Übersiedlung in die USA
Das Jahr 1930 markierte einen entscheidenden Wendepunkt in ihrem Leben. Sie promovierte unter Borns Betreuung über Doppelprotonenprozesse, heiratete den amerikanischen Chemiker Joseph Edward Mayer, der mit einem Rockefeller-Stipendium in Göttingen forschte, und zog mit ihm in die USA. Dort trat Joseph eine Professur an der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore an. Doch Maria stieß auf ein Hindernis, das viele Wissenschaftlerinnen ihrer Zeit traf: die sogenannten Anti-Nepotismus-Richtlinien. In der Weltwirtschaftskrise hatten zahlreiche Universitäten Regelungen eingeführt, die es Ehepartnern untersagten, an derselben Institution zu arbeiten. Offiziell sollten diese Maßnahmen die hohe Arbeitslosigkeit eindämmen – doch Historiker und Historikerinnen vermuten, dass sie auch dazu dienten, traditionelle Geschlechterrollen zu festigen.
Für Goeppert Mayer bedeutete das: Sie durfte zwar weiterforschen, erhielt aber weder eine offizielle Anstellung noch ein Gehalt. Diese Restriktionen beeinträchtigten ihre Karriere erheblich. Erst 1959, mit 53 Jahren, erhielt sie ihre erste voll bezahlte Professur für Physik an der University of California in San Diego.
Doch trotz fehlender Bezahlung ließ sich Maria Goeppert Mayer nicht von ihrer wissenschaftlichen Arbeit abbringen. An jeder Universität, an der ihr Mann eine Stelle erhielt, forschte und lehrte sie „auf freiwilliger Basis“ – also unbezahlt -weiter. An der Johns-Hopkins-Universität widmete sie sich der Anwendung der Quantenmechanik in der Chemie und arbeitete eng mit anderen Forschern zusammen, darunter auch ihr Mann, insbesondere in der Molekülphysik. In den 1930er-Jahren wurden die Mayers Eltern von zwei Kindern und verfassten gemeinsam das Buch Statistical Mechanics – ein Werk, das später zum Standardwerk der Fachwelt werden sollte.
Der Zweite Weltkrieg und die Manhattan-Projekt-Verbindung
Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs änderte sich ihr Tätigkeitsfeld. Goeppert Mayer nahm mehrere Teilzeitstellen an, unterrichtete an einem College für Frauen und war gleichzeitig in streng geheime Forschungsprojekte involviert, die sich mit Atom- und Wasserstoffbomben befassten. Jahre später äußerte sie Erleichterung darüber, dass ihr Beitrag zum Manhattan-Projekt nicht zum Erfolg geführt hatte. Sie wurde eine entschiedene Verfechterin wissenschaftlicher Unabhängigkeit und sprach sich vehement gegen die Verbreitung von Atomwaffen aus.
Wechsel nach Chicago und bahnbrechende Entdeckungen
Nach dem Krieg zog die Familie Mayer nach Chicago, wo Maria 1946 Mitglied der Physikabteilung am Argonne National Laboratory wurde. Dort war die Kernphysik ein Schwerpunkt. Obwohl sie bis dahin nur wenig Erfahrung in diesem Bereich hatte, stürzte sie sich mit Begeisterung in die Erforschung „magischer Zahlen“, die bestimmte Elemente stabiler machten als andere.
Ihre revolutionäre Idee: Nukleonen – also Protonen und Neutronen – sind in bestimmten Schalen innerhalb des Atomkerns angeordnet, und die starke Spin-Bahn-Kopplung ist entscheidend für die Stabilität dieser Konfigurationen. So entstand das berühmte Kernschalenmodell. Ihrer Tochter erklärte sie das Prinzip auf anschauliche Weise, indem sie es mit Walzertänzern verglich: So wie sich Tanzpaare über das Parkett bewegen und gleichzeitig um die eigene Achse drehen, verhalten sich auch Nukleonen im Atomkern.
Das Kernschalenmodell wurde zeitgleich in Deutschland von Johannes Hans D. Jensen und seinem Team entwickelt. Als sich Goeppert Mayer und Jensen 1951 erstmals begegneten, begannen sie eine enge wissenschaftliche Zusammenarbeit. Das Ergebnis war ihr gemeinsames Werk Elementary Theory of Nuclear Shell Structure, das 1955 veröffentlicht wurde und bis heute als Standardwerk gilt. Für ihre bahnbrechenden Beiträge zur Kernphysik erhielten Goeppert Mayer und Jensen den Nobelpreis, gemeinsam mit Eugene Wigner, der wesentliche Grundlagen zur Theorie des Atomkerns beigesteuert hatte.
Frau Saha, Maria Goeppert Mayer und Sie teilen eine Verbindung zu Göttingen. In welcher Hinsicht fühlen Sie sich Maria Goeppert Mayer noch besonders verbunden?
Die Eltern von Maria spielten eine sehr wichtige Rolle in ihrem Leben. Sie schufen einen geschützten Raum, in dem sie ihre Träume verfolgen konnte – abgeschirmt von politischen Unruhen und frei von gesellschaftlichen Erwartungen. Ich denke, meine Eltern haben etwas Ähnliches für mich getan. Sie haben mich stets ermutigt meinen Träumen zu folgen, selbst wenn sie unrealistisch schienen. Auch das Fortführen der Familientradition ist etwas, das ich mit Maria gemein habe: meine mütterliche Familie hat eine lange Tradition in der Wissenschaft und Medizin. Ein weiterer Aspekt, der bei mir besondere Resonanz findet, ist ihre Herangehensweise an die Wissenschaft: Sie löste Probleme "zum Spaß" – genau dieses Gefühl empfinde ich auch in der Wissenschaft.
Goeppert Mayer wurde für ihre Entdeckungen zur Kernschalenstruktur mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Können Sie uns einen Überblick über ihre Forschung geben und ihre heutige Relevanz erklären?
Maria hatte keine konventionelle Karriere – im Gegenteil! Der Wissenschaftshistoriker José Manuel Sánchez Ron vergleicht ihren wissenschaftlichen Weg treffend mit einem hochentwickelten, feinjustierten Segelboot, das sich notgedrungen mit der Strömung bewegte – von der Quantenmechanik während ihrer Promotionszeit über die Quantenchemie und statistische Physik bis hin zur Kernphysik, wo sie mit ihrem bahnbrechenden Schalenmodell neue Maßstäbe setzte.
Obwohl ihre Publikationsliste nicht besonders umfangreich war, beeindruckt mich als Physikerin die außergewöhnliche Tiefe und Vielseitigkeit ihrer Arbeiten zutiefst. Später, als sie an der Johns-Hopkins-Universität tätig war, wandte sie in Zusammenarbeit mit Alfred Sklar und John Herzfeld ihr umfassendes Wissen über Vielteilchen-Quantensysteme an, um die molekularen Spektren von Benzol zu entschlüsseln – ein wahrhaftiges Meisterwerk der Quantenchemie, das bis heute nachhallt. Im nächsten Abschnitt ihrer Karriere faszinierte sie die Stabilität von Atomkernen mit den sogenannten „magischen Zahlen“ – 2, 8, 20, 28, 50, 82 usw. – die sich auf die Anzahl der Protonen oder Neutronen beziehen. Sie erkannte, dass das klassische atomare Schalenmodell durch die Berücksichtigung der Spin-Bahn-Kopplung verfeinern werden konnte, um jene Kerne zu beschreiben, die eine besonders optimale Anzahl an Nukleonen aufweisen – diese Theorie, bekannt als Kernschalenmodell, ist bis heute von zentraler Bedeutung.
Maria Goeppert Mayer erhielt ihre Ausbildung in Göttingen – der Stadt von Gauß, Riemann, Klein und Hilbert, die im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert als Weltzentrum der Mathematik und Physik galt. War dieses einzigartige Umfeld entscheidend für ihren Erfolg?
Absolut! Maria wuchs in einem Umfeld auf, in dem führende Mathematiker und Physiker – enge Freunde der Familie Goeppert – den wissenschaftlichen Austausch lebendig hielten. Sie erlebte beispielsweise, wie David Hilbert an einer Tafel im Nachbargarten Diskussionen führte, und ließ gelegentlich den Schulunterricht ausfallen, um sich seine halb-populärwissenschaftlichen Vorträge anzuhören. Dabei lernte sie bereits früh etwas über die Struktur der Atome – Erlebnisse, die ihr Interesse an der Mathematik wohl nachhaltig prägten. Von Max Born, der später nicht nur ein geschätzter wissenschaftlicher Wegbegleiter, sondern auch ein guter Freund wurde, übernahm sie einen spezifischen mathematischen Ansatz zur Lösung physikalischer Probleme. Sie zog die Matrizenmechanik der Wellenmechanik vor. Neben Born zählten auch die Nobelpreisträger James Franck und Adolf Windaus zu ihrer Promotionsprüfungskommission. Ich denke, in den 1920er- und frühen 1930er-Jahren, als Physikerin in Göttingen zu arbeiten, glich fast einem Leben im wissenschaftlichen Paradies: Ein ständiger Austausch von Ideen und ein reger Besucherfluss beflügelten den Diskurs. Die Tatsache, dass in Göttingen zwischen 1900 und 1930 insgesamt 15 spätere Nobelpreisträger in Physik und Chemie entweder studierten oder als Assistenten tätig waren, unterstreicht den besonderen Geist jener Zeit und dieses Ortes. Sehr wahrscheinlich prägten all diese Einflüsse Maria Goeppert Mayer als junge Wissenschaftlerin nachhaltig – für sie schien die Zukunft verheißungsvoll, und sie hatte volles Vertrauen in ihre Ausbildung und ihre Fähigkeiten.
Über die Herausforderungen durch die Anti-Nepotismus-Regel hinaus: Mit welchen weiteren Hindernissen hatte Maria als Frau in der Wissenschaft zu kämpfen – und was hat ihr geholfen, diese Barrieren zu überwinden?
Selbst in einer traditionsreichen Universitätsstadt wie Göttingen war es für ein junges Mädchen alles andere als leicht, das Abitur zu bestehen und Zugang zu höherer Bildung zu erhalten. Maria besuchte zunächst eine private Schule, die von engagierten Frauenrechtlerinnen geleitet wurde. Doch als diese Schule Insolvenz anmelden musste, gab es keine naheliegende Alternative – sie setzte alles daran, ihre Hochschulzugangsprüfung ein Jahr früher als üblich abzulegen. Mit gerade einmal 17 Jahren absolvierte sie als externe Schülerin in Hannover die Prüfung – und bestand sie mit Bravour!
Berühmt ist der Rat ihres Vaters „mehr als nur eine Frau“ zu werden.
Als Frau in ihrer Zeit war die Unterstützung ihrer Familie und ihres Ehemanns für Maria von unschätzbarem Wert. Ihr Vater, ein Arzt, stammte aus einer Familie, die sich über sechs Generationen von Professoren erstreckte – ein Erbe, das sie tief inspirierte.
Ihr Ehemann, Joe Mayer, ein renommierter Chemiker, schätzte Maria nicht nur als Partnerin im Leben, sondern auch als gleichwertige Partnerin in der Wissenschaft. Sein Fachwissen in der Chemie weckte in ihr ein tiefes Interesse an experimenteller Forschung – ein Interesse das unter den Quantenmechanikern der damaligen Zeit eher unüblich war, und sie so von vielen ihrer Kollegen abhob. Glücklicherweise konnte Maria den Schrecken des Krieges in Europa, insbesondere in Deutschland, entkommen. Sie befand sich zur richtigen Zeit am richtigen Ort, als sich das Zentrum der Kernphysik von Göttingen nach Chicago verlagerte – ein Zufluchtsort für viele deutsche Physiker.
Welche persönlichen Eigenschaften halfen Maria auf ihrem Weg und können junge Wissenschaftlerinnen heute von ihr lernen?
Maria war eine leidenschaftliche und tief in ihrer wissenschaftlichen Arbeit engagierte Frau. Sie war eine ausgezeichnete Teamplayerin und kommunikationsstark – Fähigkeiten, die auch heute in der stark kollaborativen Forschungslandschaft von unschätzbarem Wert sind.
Obwohl sie in ihrer Karriere den Anreiz großer Institutionen wie der Johns-Hopkins-Universität und der University of Chicago hatte, fehlte ihr lange Zeit die Sicherheit einer festen Anstellung. Sie kompensierte diese Hindernisse, indem sie kontinuierlich den Austausch mit führenden Physikern ihrer Zeit pflegte, darunter Edward Teller, Enrico Fermi und Harold Urey – die ihre Arbeit mit voller Überzeugung unterstützten. So lehnte Fermi beispielsweise aus gutem Grund ab, als Co-Autor eines Papiers aufzutreten, für das Maria später den Nobelpreis erhielt.
Trotz ihrer sanften und zurückhaltenden Art verteidigte Maria ihre Forschung mit Nachdruck. Sie setzte klare Grenzen gegenüber ihren Kolleginnen und Kollegen, blieb dabei jedoch stets fair. Diese Fähigkeit, für sich selbst einzustehen, ist zeitlos – und in jeder Ära, ob in der Vergangenheit oder in der Gegenwart, entscheidend.
Darüber hinaus war Maria außergewöhnlich anpassungsfähig – sie tauchte tief in jedes wissenschaftliche Problem ein, das sich ihr stellte. Sie war eine interdisziplinäre Wissenschaftlerin, lange bevor der Begriff überhaupt geprägt wurde. In dieser Hinsicht war sie ihrer Zeit weit voraus.
Wir brauchen Flexiblere Qualifikationswege und Lösungen für Doppelkarrieren, um Frauen in der Wissenschaft zu stärken
Viel hat sich seit den 1960er Jahren verändert, aber was sind Ihrer Meinung nach die bedeutendsten Hindernisse, mit denen Frauen in der Physik heute noch konfrontiert sind? Denken Sie, dass wir strukturelle Veränderungen in Wissenschaft benötigen, um den Anteil von Frauen zu erhöhen?
Die gläserne Decke, der Frauen in der Wissenschaft häufig ausgesetzt sind, entsteht oft durch die Anforderungen einer akademischen Karriere, die vor allem in den Jahren, in denen Familien gegründet und Kinder großgezogen werden, völlige Hingabe verlangt. Dies trägt wesentlich zum Phänomen der „leaky pipeline“ bei – das schleichende Abwandern von Frauen aus der wissenschaftlichen Karriere.
Auch wenn sich vieles verändert hat, kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen, wie entscheidend Unterstützung in diesen Lebensphasen ist. Während meiner Schwangerschaft und nach der Geburt meiner Tochter war es insbesondere eine gute Gesundheitsversorgung, finanzielle Unterstützung, ein verständnisvoller Arbeitgeber, engagierte Kollegen und Kolleginnen, und der Zugang zu Kinderbetreuung, die mir den Verbleib in der Wissenschaft ermöglichten. Diese Ressourcen sollten für jede Wissenschaftlerin verfügbar sein.
Doch es gibt noch viel zu tun! Wir müssen unsere Arbeitskultur grundlegend überdenken: Statt auf Wettbewerb sollten wir den Teamgeist fördern und vor allem die arbeitsrechtliche Sicherheit für junge Forschende stärken. Flexiblere Qualifikationswege und Lösungen für Doppelkarrieren sind ebenso notwendig. Solche strukturellen Veränderungen würden auch Frauen mit mehreren Verantwortlichkeiten besser dabei unterstützen, in der Wissenschaft erfolgreich zu sein.
Ich liebe den nahezu magischen Moment, wenn sich die Puzzleteile plötzlich zusammenfügen
Sie haben erwähnt, dass Sie, ähnlich wie Maria, „aus Spaß“ an der Wissenschaft forschen. Was begeistert Sie am meisten an der Wissenschaft? Gibt es ein Projekt, das Ihnen besonders am Herzen lag? Und was motiviert Sie in schwierigen Zeiten?
Ich liebe die Aufregung, die ein plötzlicher Moment der Erkenntnis mit sich bringt! Es ist unglaublich faszinierend, wenn sich die Puzzleteile – die für mich in diesem Augenblick alles bedeuten, auch wenn sie für andere vielleicht nur von begrenztem Interesse sind – plötzlich zusammenfügen und ein klares, stimmiges Bild ergeben.
Einen solchen Moment werde ich niemals vergessen: Im Oktober 2019 arbeitete ich an Simulationen von nicht-reziprok gekoppelten Feldern. Plötzlich begannen die Felder auf dem Computerbildschirm zu oszillieren – ein Anblick, der mich sofort fesselte. Es war einfach wunderschön! Marias Ehemann, Joe Mayer, sagte einmal, ihre Zahlen seien „magisch und dennoch real“. Dieser Satz bringt die Essenz der Wissenschaft meiner Meinung nach perfekt auf den Punkt – die fast schon magisch-intuitive Art, wie Gedanken und Ideen durch Gleichungen zusammenfließen, um greifbare, reale Phänomene zu beschreiben. Genau aus solchen Momenten schöpfe ich meine Motivation, und aus der Hoffnung, dass die Erlebnisse immer wiederkehren.
Vor ihrer Heirat versprach Joe Mayer Maria, eine Haushaltshilfe einzustellen, damit sie ihre wissenschaftliche Karriere fortsetzen konnte. Wie schaffen Sie es, Ihr Privatleben und Ihre Familie mit Ihrer Karriere in Einklang zu bringen?
Daran arbeite ich noch! Es steht ganz oben auf meiner Prioritätenliste, dieses Gleichgewicht zu finden. Ich suche immer nach Wegen, effizienter zu werden. Aber genau diese Schwierigkeiten zeigen mir, wie dringend wir strukturelle Veränderungen benötigen, die Forscherinnen und Forschern helfen, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren.
Maria war eine Pionierin für Frauen in der Wissenschaft und setzte sich leidenschaftlich für die stärkere Einbindung von Frauen in die Physik und andere MINT-Fächer ein. Finden Sie es wichtig, Arbeitsumgebungen so zu gestalten, dass sie an die Geschichten von Vorbildern wie Maria erinnern?
Maria selbst zog wertvolle Lehren aus den Erfahrungen von Wissenschaftlerinnen wie Hertha Sponer und Emmy Noether in Göttingen sowie Lise Meitner in Berlin, Frauen, die immer wieder mit großen Hindernissen bei der Suche nach festen wissenschaftlichen Positionen konfrontiert waren. Diese Beispiele inspirierten sie dazu, alternative Wege zu erkunden, und sie erkannte, dass sie in den USA bessere Chancen haben könnte. Dieser Entschluss erwies sich letztlich als entscheidender Schritt auf ihrem Karriereweg.
Einer unserer Hauptseminarräume ist nach Maria Goeppert Mayer benannt
Auch wenn sich seit Marias Zeit vieles zum Positiven verändert hat, dürfen wir den langen Weg, der noch vor uns liegt, nicht aus den Augen verlieren. Es bleibt viel zu tun, um eine ausgewogenere und gerechtere akademische Welt für Frauen zu schaffen. Wir sollten uns immer an die Errungenschaften erinnern, die Frauen in der Wissenschaft erzielt haben – und diese mit ganzer Kraft schützen. Ein Beispiel dafür ist die Bibliothek unserer Abteilung, die den Namen Emmy Noether trägt, sowie das Poster, das direkt daneben an ihr Vermächtnis erinnert. Unsere Hauptseminarräume sind nach Lise Meitner und Maria Goeppert Mayer benannt.
Wenn Sie Ihre Botschaft für Mädchen und Frauen in den MINT-Fächern zusammenfassen würden, wie würde diese lauten?
Das Wichtigste für die Wissenschaft ist eines: Interesse! Wenn euch Wissenschaft begeistert und fasziniert, dann stürzt euch ins Abenteuer und geht auf Entdeckungsreise! Die MINT-Fächer bieten für jede Persönlichkeit etwas – egal, ob ihr kreativ, analytisch oder sozial veranlagt seid. Hauptsache, ihr habt Freude daran. Das Geschlecht – ob männlich, weiblich oder nicht-binär – spielt dabei keine Rolle: Die wissenschaftliche Gemeinschaft profitiert von allen Perspektiven und Herangehensweisen.
Suropriya, vielen Dank für dieses Interview!
Das Interview führte Viktoryia Novak vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, Abteilung für Physik lebender Materie, Göttingen.
Literatur
[1] Edwards, Katharine, "Anti-Nepotism" Policies at the University of Washington in the Depression, The Great Depression in Washington State Project. Retrieved on 18.10.2024 from https://depts.washington.edu/depress/women_uw_working_wives.shtml
[2] Goeppert-Mayer, Maria (June 1949). “On Closed Shells in Nuclei. II”. Physical Review. 75 (12): 1969–1970.
[3] Johnson, Karen E.; Maria Goeppert Mayer: Atoms, Molecules and Nuclear Shells. Physics Today 1 September 1986; 39 (9): 44–49. https://doi.org/10.1063/1.881041
[4] Masters, B.R. and So, P.T.C. (2004), Antecedents of two-photon excitation laser scanning microscopy. Microsc. Res. Tech., 63: 3-11. https://doi.org/10.1002/jemt.10418
[5] Sachs R. G. (1979), Maria Goeppert Mayer : June 28, 1906-February 20, 1972. National Academy of Sciences. https://www.physics.ucla.edu/~moszkowski/mgm/rgsmgm4.htm
[6] Ron, José Manuel Sánchez (2020), Maria Goeppert Mayer: From Göttingen to the Nobel Prize in Physics, Spanish Nuclear Safety Council
Bücher
[7] Dash, J. (1973), A Life of One’s Own: Three Gifted Women and the Men They Married, Harper & Row
[8] von Wallwitz, G. (2017), Meine Herren, dies ist keine Badeanstalt: Wie ein Mathematiker die Welt veränderte. Berenberg
[9] Wuensch, D. (2013), Der letzte Physiknobelpreis für eine Frau? Maria Goeppert Mayer: Eine Göttingerin erobert die Atomkerne: Nobelpreis 1963: zum 50. Jubiläum, Termessos Verlag
Andere:
[10] The Nobel Prize Media, Women who changed science. Retrieved on 16.10.2024 from https://www.nobelprize.org/womenwhochangedscience/stories/maria-goeppert-mayer