Hier spricht die Musik!

Daniela Sammler forscht am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig und untersucht, welche Areale des menschlichen Gehirns kognitive Prozesse wie Sprache und Musik beherbergen und wie sie sich dabei funktionell ergänzen.

Frau Sammler, in Ihrem Büro sieht es aus wie auf einer Postersession eines Kongresses. Sammeln Sie Ihre Poster als Erinnerungen?

Sammler (lacht): Nein, das nicht – da hätte ich wohl auch schon vor einiger Zeit mein Büro vergrößern müssen. Die Poster, so wie sie hier hängen, helfen mir dabei, meine Paper zu schreiben: Sie erinnern und inspirieren mich. Wenn das Paper dann fertig ist, gehen die Poster ins Archiv – und neue an die Wand.

 Ein Trick der Fachfrau also. Wie wird man Neuropsychologin?

Sammler: Für Psychologie habe ich mich schon sehr früh interessiert und es stand für mich fest, dass ich mein Studium an der Traditionsuniversität für Psychologen absolvieren wollte: der Alma mater Lipsiensis, der Universität Leipzig. Wilhelm Wundt hat hier 1879 das erste Labor überhaupt für experimentelle Psychologie aufgebaut. Während meines Studiums habe ich dann ein Jahr an der „Université Louis Pasteur“ in Straßburg verbracht – wo mich meine Professorin Liliane Manning für die Neuropsychologie begeistert hat. Zurück an der Uni Leipzig wusste ich nun genau, dass ich in Zukunft kognitiv und klinisch arbeiten, die Funktionsweise des menschlichen Gehirns verstehen lernen wollte. Ja, auch wenn da noch viel jugendlicher Eifer im Spiel war – ich habe die Neuropsychologie seitdem ganz klar als mein zukünftiges Arbeitsfeld gesehen.

Weitergemacht haben Sie dann bei Angela D. Friederici und Stefan Kölsch, zwei internationalen Experten in der kognitiven Sprach- und Musikwissenschaft. Sind Sie gleich bei Ihrem heutigen Forschungsthema gelandet?

Sammler: Das hat sich relativ schnell herausgebildet. An der Universität hatte ich bei Erich Schröger schon viel über Kognition und EEG gelernt; durch ein Praktikum konnte ich das dann mit der Forschung zu Musik und Sprache verbinden. So ergab sich die Möglichkeit zur Dissertation in der Max-Planck-Forschungsgruppe „Neurokognition der Musik“. Das war eine einzigartige Gelegenheit. In meiner Arbeit habe ich untersucht, ob Sprache und Musik – besonders die Grammatik beider – in ähnlichen, vielleicht sogar überlappenden Hirnstrukturen verarbeitet werden. Hierzu habe ich an den Universitätskliniken in Bonn und Freiburg im Breisgau mit Epilepsie-Patienten gearbeitet, bei denen Elektroden im Gehirn implantiert waren, um epileptisches Gewebe zu identifizieren. Ein diagnostisch und wissenschaftlich wichtiger Nebeneffekt dieser Elektroden ist, dass Hirnfunktionen um das defekte Gewebe herum ebenfalls identifiziert werden können, so auch Sprach- und Musikverarbeitung. So konnte ich herausfinden, dass es Überlappungen bei der Verarbeitung von sprachlicher und musikalischer Grammatik gibt – zwar nicht 100-prozentig, aber doch wesentlich.

Nun haben Sie für Ihre Promotionsforschung die Otto-Hahn-Medaille bekommen und können künftig sogar selbst eine kleine Forschungsgruppe leiten. Was steht da an?

Sammler: Nach meiner Dissertation habe ich mich dem Thema Sprache-Musik aus einer anderen Perspektive genähert und in  Paris, am „Hôpital de la Pitié-Salpêtrière“, zusammen mit den französischen Kollegen die Verarbeitung von Melodie- und Textkomponenten bei Liedern untersucht. Und hier werde ich jetzt ansetzen und meinen Forschungsschwerpunkt weiter ausbauen, zuerst mit der Untersuchung der Schnittstelle zwischen Musik und Prosodie – der Melodie in Sprache.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Christina Schröder

Zur Redakteursansicht