Bitterer Nachgeschmack
Ein ursprünglich aus dem pflanzlichen Grundstoffwechsel stammendes Enzym steuert die Bildung wichtiger Abwehrstoffe der Tomate
Einem Forscherteam des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie ist es gelungen, den entscheidenden Syntheseschritt bei der Herstellung von steroidalen Glykoalkaloiden in Tomaten aufzuklären.
Solanum-Pflanzen wie Tomaten, Kartoffeln und Auberginen produzieren stickstoffhaltige Abwehrstoffe, so genannte steroidale Glykoalkaloide, die sie vor Pflanzenfressern und Pflanzenkrankheiten schützen. Die Einbindung von Stickstoff ist ein Schlüsselfaktor für die Toxizität und damit die Wirksamkeit der Substanzen.
In früheren Studien wurden bereits mehrere Enzyme identifiziert, die an der Synthese von steroidalen Glykoalkaloiden in Tomate und Kartoffel beteiligt sind. Von dem in der aktuellen Studie untersuchten Enzym GAME12 (Glycoalkaloid Metobalism 12) ist bereits bekannt, dass es an der Synthese steroidaler Glykoalkaloide beteiligt ist. Allerdings blieb die biochemische Reaktion unbekannt, die ein Stickstoffatom in das steroidale Rückgrat einbaut und zur Produktion der Abwehrstoffe führt. Forschende am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena haben nun herausgefunden, wie GAME12 schließlich die Produktion von steroidalen Glykoalkaloiden in Solanum-Pflanzen steuert. "Die Charakterisierung dieser zentralen Reaktion bei der Herstellung steroidaler Glykoalkaloide war eine Herausforderung, da das vorgeschlagene Substrat der Reaktion nie experimentell bestätigt wurde", sagt Dagny Grzech, Erstautorin der Veröffentlichung. "In der Studie haben wir eine Kombination aus Biochemie und Metabolomik eingesetzt, um die Aktivität von GAME12 - dem Schlüsselenzym dieses Stoffwechselwegs - nachzuweisen.“
Neue Funktion für GAME12
In Zusammenarbeit mit Forschenden der Forschungsgruppe um Benjamin Lichman von der Universität York (Großbritannien) und der Gruppe von Asaph Aharoni vom Weizmann Institute of Science (Israel) konnten die Forscher zeigen, dass sich das entscheidende Enzym aus einem Vorfahren entwickelt hat, der am grundlegenden Pflanzenstoffwechsel beteiligt war. "Es ist bekannt, dass GAME12 zur Enzymfamilie der γ-Aminobuttersäuretransaminasen (GABA-T) gehört. GABA-T-Proteine spielen eine entscheidende Rolle im pflanzlichen Grundstoffwechsel in den Mitochondrien, wo sie eine wichtige Reaktion katalysieren - einen Bypass des zentralen Kohlenstoffkreislaufs, der die Grundlage für alle pflanzlichen Lebensfunktionen bildet. Unsere Studie zeigt, dass sich GAME12 durch Neofunktionalisierung - ein Prozess, bei dem ein Gen nach einer Genduplikation eine neue Funktion erhält - aus einem urzeitlichen GABA-T-Enzym entwickelt hat. Bemerkenswert ist, dass diese Entführung eines zentralen GABA-Enzyms durch die Änderung der Lokalisierung des Proteins in einem anderen Zellkompartiment und durch Veränderungen in der Gesamtarchitektur des Proteins erreicht wurde.“
"Die Genomanalyse in Verbindung mit einer umfassenden biochemischen Charakterisierung ermöglichte es uns, eine Hypothese darüber aufzustellen, wie sich GAME12 aus seinem Vorfahren, dem Kernstoffwechsel, entwickelt hat. Dies gibt uns Einblick in die Art und Weise, wie Enzyme, die an einem spezialisierten Pflanzenstoffwechsel beteiligt sind, ihre Aufgaben erfüllen", sagt Prashant Sonawane vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie (kürzlich an das Department of Biochemistry der University of Missouri, Columbia, MO, USA, gewechselt), der die Studie konzipiert und betreut hat. "Unsere Ergebnisse bieten auch eine Grundlage für die Herstellung steroidaler Glykoalkaloide mit Hilfe biotechnologischer Verfahren in anderen Pflanzenarten. Wir konnten zeigen, dass der Transfer dieses GAME12-Enzyms in die Blätter des Schwarzen Nachtschattens (Solanum nigrum) ausreicht, um stickstoffhaltige steroidale Glykoalkaloide zu produzieren, die sonst in den Blättern fehlen. Diese Umlenkung des Stoffwechsels könnte möglicherweise auch bei anderen landwirtschaftlich relevanten Pflanzen erreicht werden, die nicht-stickstoffhaltige, steroidale Abwehrstoffe wie Saponine produzieren".
Sarah O'Connor, Leiterin der Abteilung für Naturstoff-Biosynthese, sieht die Ergebnisse in einem breiteren Kontext: "Unsere Studie zeigt, dass die Biosynthesewege eine große Plastizität aufweisen, die sich nicht nur in der Veränderung der katalytischen Aktivitäten der beteiligten Enzyme, sondern auch in der Veränderung ihrer räumlichen Organisation äußern kann. Diese 'metabolische' Plastizität führt zu einer enormen Vielfalt an spezialisierten Stoffwechselwegen in Pflanzen."