Die Weltmeere

Die Ozeane können Energie liefern und eine ergiebige Quelle von Rohstoffen sein. Zudem spielen sie eine zentrale Rolle für das Weltklima. Doch ihr natürliches Gleichgewicht ist vielfach bedroht, und es entstehen immer mehr Konflikte um ihre Nutzung. Zur Lösung dieser Konflikte bedarf es flexibler rechtlicher Regelungen. Für die nachhaltige Nutzung müssen die Weltmeere intensiv erforscht werden. Dabei stehen wir noch ganz am Anfang.

Unser »blauer Planet« trägt diesen Namen zu Recht: Mehr als 70 Prozent der Erdoberfläche sind von Salzwasser bedeckt. Zwar stellen die Ozeane heute längst keine unüberbrückbare Barriere mehr dar – ein reger Schiffsverkehr findet auf ihnen statt, und Kabel, Pipelines sowie Satellitenverbindungen überbrücken selbst große Distanzen. Doch den riesigen Schatz an natürlichen Ressourcen, den die Meere bergen, haben wir bislang kaum ausgeschöpft oder auch nur identifiziert.

Dies hat zum Teil ganz einfache Gründe: Viele Orte auf oder unter der Meeresoberfläche sind nur mit spezieller Ausrüstung zu erreichen. So kennen wir bislang weder den ganzen Umfang der marinen Gas- und Ölressourcen noch nutzen wir in bedeutendem Maß die verfügbaren alternativen Energiequellen – wie Wind- und Wasserkraft oder die Wärme- und Gezeiten­energie der Meere. Ganz abgesehen davon schlummern am Grund der Meere vermutlich reiche Vorkommen von Mangan, Kobalt, Kupfer und Nickel, wenn auch Umfang und Zusammensetzung noch zusätzlicher Forschung bedürfen.

Klimamaschine Ozean

Aber die Forscher interessieren sich nicht nur für die wirtschaftlichen Potenziale. Klimatologen und Paläoklimatologen, Biologen und Geophysiker betrachten die Meere als entscheidenden Faktor für die Entwicklung des Weltklimas. Strömungen wie der Golfstrom beeinflussen das globale Klima ebenso wie regionale klimatische Verhältnisse. Die allgemeine Erderwärmung wirkt wiederum auf die Meere zurück, indem etwa das schmelzende arktische Eis zu weit reichenden Veränderungen im Nordpolarmeer führt.

Gleichzeitig sind die Weltmeere auch von einer Reihe wirtschaftlicher und demographischer Entwicklungen betroffen. Während der vergangenen Jahrzehnte ­haben technischer Fortschritt und das in manchen Regionen der Welt geradezu explosionsartige Bevölkerungswachstum den Verbrauch mariner Ressourcen in die Höhe schnellen lassen. Über neue Nutzungs­arten – seien es potenzielle Standorte für »Windfarmen«, Mülldeponien am Meeresgrund oder die Förderung von Erdöl aus der Tiefsee – ist es bereits zu Konflikten gekommen. Klimawandel, Verschmutzung und der Raubbau haben die Fischbestände teils stark dezimiert oder völlig vernichtet, was weitere ökologische Schäden nach sich zieht.

Ab dem 17. Jahrhundert wurden die Weltmeere als hoheitsfreie Räume betrachtet: Sie sollten allen Staaten gleichermaßen zur Nutzung offenstehen1. Im 20. Jahrhundert zeigte sich jedoch immer mehr, dass die hierbei entstehenden Konflikte etwa um den Fischfang oder den Abbau von Mineralien nur durch internationale Abkommen und gesetzliche Regelungen zu lösen sind. Diese sollen die Schätze der Ozeane auch für zukünftige Generationen bewahren helfen. Zwar haben das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen2,3 sowie die Errichtung von "Ausschließlichen Wirtschaftszonen « dabei geholfen, klare Verantwortlichkeiten zu definieren. Heute aber bedarf es angesichts der immer schnelleren wissenschaftlichen und technischen Entwicklung neuer, flexiblerer Ansätze4,5.

Dazu sind eine Reihe längerfristiger Aufgaben zu bewältigen: Meeresbiologen und Biochemiker müssen verstärkt zusammenarbeiten, um das Leben im Ozean noch besser zu verstehen. In einem fast vier Milliarden Jahre andauernden Evolutionsprozess haben Mikroorganismen eine enorme Vielfalt an Stoffwechselprozessen entwickelt, die eine wichtige Funktion erfüllen: Sie dienen dem Abbau organischer und anorganischer Substanzen in den Meeren. So spielen sie in globalen Stoffwechselkreisläufen eine entscheidende Rolle, regulieren aber auch die Menge an Treibhausgasen wie etwa Kohlendioxid und Methan in der Atmosphäre. Doch nur schätzungsweise ein Prozent aller marinen Mikroorganismen ist bislang genauer bekannt – und das, obwohl wir die Fähigkeiten dieser Organismen für viele praktische Anwendungen nutzbar machen könnten.

Zukünftige Herausforderung

Nicht weniger wichtig sind meteorologische Untersuchungen. Wie tragen physikalische, chemische und biologische Prozesse sowie menschliche Eingriffe in die Natur dazu bei, dass sich die Bedingungen für das Leben in den Weltmeeren verändern? Wie beschleunigen oder verlang ­samen sie globale und regionale Klima ­veränderungen? Die neu gewonnenen Erkenntnisse helfen uns nicht nur, die natürliche Variabilität der Atmosphäre, der Ozeane und der Biosphäre zu erklären. Sie können überdies in komplexe Computermodelle einfließen, mit deren Hilfe sich besser vorhersagen lässt, wie die landwirtschaftliche Nutzung, die industrielle Entwicklung, die Verstädterung und andere menschliche Aktivitäten das globale und regionale Klima beeinflussen. Auch die Rolle der Ozeane für langfristige Klimaveränderungen haben wir längst noch nicht in Gänze verstanden.

Das internationale Seerecht ist der entscheidende Hebel, um die verschiedenen Nutzungsarten zu koordinieren und sicherzustellen, dass sie umweltverträglich durchgeführt werden: Es regelt so unterschiedliche Bereiche wie das Verlegen von Unterwasserpipelines, das Beilegen mari ­timer Konflikte und den Kampf gegen Piraterie. Bahnbrechend sind Forschungs ­arbeiten über die rechtlichen Aspekte der Nutzung des Tiefseebodens. Bereits seit 1994 untersteht dieser der Aufsicht durch die Internationale Meeresbodenbehörde. Erstmalig im modernen Rechtswesen wurde damit ein solch riesiges Territorium der Kontrolle einer internationalen Organisation unterstellt. Insbesondere jetzt, da die ersten Vorhaben des Tiefseebergbaus an Kontur gewinnen, ist diese grundlegende Neuerung von besonderer Bedeutung.

Die Behörde selbst besitzt zusätzlich zu ihren administrativen und überwachenden Aufgaben sogar eine "redistributive « Funktion – das bedeutet, sie soll mit dafür sorgen, dass auch Entwicklungsländer, die nicht über die technischen Fähigkeiten zum Tiefseebergbau verfügen, von den dabei erzielten Gewinnen profitieren. Für das sich ständig weiterentwickelnde interna ­tionale Rechtssystem wird dies wichtige Konsequenzen haben, deren Dimensionen wir noch genauer ermessen müssen.

Um die anstehenden Herausforderungen zu meistern, sind besondere perso ­nelle und finanzielle Anstrengungen nötig, wie sie beispielsweise auch zu Beginn der Weltraumforschung erbracht wurden. Denn die Liste der offenen Fragen ist nach wie vor lang: Welche Entwicklungschancen bieten uns die Ozeane? Wie können wir ihre Ressourcen nachhaltig nutzen? Welche Rolle spielen die Biodiversität der Ozeane, ihre geologischen Merkmale oder ihr Einfluss auf das Weltklima? Um diese Wissenslücken zu schließen, müssen Bio ­lo ­gen, Chemiker, Meteorologen, Paläontologen und Geologen ebenso wie Sozial- und Rechtswissenschaftler zusammenarbeiten. Womöglich kommen solche fächerübergreifenden Kooperationen dann auch weiteren wissenschaftlichen Disziplinen zugute. Vor allem aber werden sie uns helfen, den Lebensraum Meer nachhaltig zu schützen und für die nachfolgenden Generationen zu erhalten.

Das Verständnis der Meere steht im Mittelpunkt der Forschungen an der International Max Planck Research School for Maritime Affairs – gegründet 2002 in Kooperation mit den Max-Planck-Instituten für ausländisches und internationales Privatrecht, für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht und für Meteoro ­logie sowie der Universität Hamburg. Dabei dreht sich alles um die rechtlichen, ökonomischen, geophysikalischen und ökologischen Fragen im Zusammenhang mit der Nutzung und dem Schutz der Ozeane.

 

Wolfrum, R.
Die Internationalisierung staatsfreier Räume
(Springer,1984).
United Nations Convention on the Law of the Sea.
Montego Bay, 10 December 1982. United Nations Treatise Series
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Rosenne et al. (eds)
United Nations Convention on the Law of the Sea 1982: A Commentary
(Nijhoff, 1993).
Oda, S.
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(Kluwer, 2004).
Vitzthum, G. (ed.)
Handbuch des Seerechts
(Beck, 2006).
Lavik, G. et al.
Detoxification of sulphidic African shelf waters by blooming chemolithotrophs.
Nature 457, 581-584 (2009).

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