Forschungsbericht 2023 - Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme
Bereitstellung von reinen Enantiomeren durch Kopplung von Trennverfahren mit enzymatischer Racemisierung
Einleitung
Enantiomere sind Paare chemischer Verbindungen, die zueinander spiegelbildlich aufgebaut sind. Aufgrund der Tatsache, dass die lebende Materie lediglich aus der L-Form (laevus, lat. links) von Aminosäuren aufgebaut ist, rufen Enantiomere in biologischen Systemen unterschiedliche Wirkungen hervor. Die Bereitstellung von reinen Enantiomeren ist deshalb von großer Bedeutung für die pharmazeutische Industrie, aber auch für die Lebensmittelindustrie und die Agrochemie. Für die Ausarbeitung von Methoden zur selektiven Synthese von nur einem der beiden Enantiomere wurden 2021 Benjamin List und David MacMillan durch den Chemie-Nobelpreis gewürdigt.
Ein alternativer Zugang zu reinen Enantiomeren besteht darin, konventionelle Synthesen einzusetzen und die racemischen (1:1) Mischungen anschließend in die Enantiomere aufzutrennen. Besonders leistungsstarke Trennmethoden sind dabei die Chromatographie und die Kristallisation [1]. Chromatographische Methoden setzen in Säulen gepackte, selektiv bindende Partikel als Hilfsstoffe ein. Unter den kristallisationsbasierten Verfahren zur Trennung von Enantiomeren eignet sich besonders die ohne weitere Schritte direkt einsetzbare sogenannte „Bevorzugte Kristallisation“.
In den letzten Jahren wurden am MPI in Magdeburg verschiedene Konzepte zur Verbesserung von auf Trennprozessen basierenden Wegen erarbeitet. Die Grundidee ist, Racemisierungsreaktionen zu nutzen, die in der Lage sind, enantiomerenreine oder asymmetrische Mischungen wieder in 1:1-Gemische zu überführen. Derartige Reaktionen lassen sich unter relativ milden Bedingungen durch spezielle Enzyme katalysieren. Nach partieller oder vollständiger Racemisierung des unerwünschten Enantiomers kann das erhaltene Gemisch dem Trennprozess erneut zugeführt werden, womit Verluste vollständig vermeidbar und Ausbeuten bezüglich des Zielenantiomers von 100 Prozent erreichbar sind.
Ergebnisse
In systematischen Versuchen wurde eine Aminosäure-Racemase (AAR) eingesetzt, die in Pseudomonas putida natürlich exprimiert wird. Das Gen für die Racemase wurde in ein Expressionsplasmid kloniert und Escherichia coli BL21(DE3) eingebracht. Durch in verschiedenen Maßstäben durchgeführte Batch- und Fed-Batch-Fermentationen konnten signifikante Mengen an AAR hergestellt werden. Nach einer Aufreinigung erfolgte eine kovalente Immobilisierung auf porösen Trägerpartikeln. Die Partikel wiesen eine sehr hohe Racemisierungsaktivität auf und ließen sich im Anschluss in Säulen packen. Bei Verweilzeiten von nur wenigen Minuten konnten mit diesen enzymatischen Festbettreaktoren (EFBR) verschiedene enantiomerenreine Aminosäuren vollständig racemisiert werden [2].
Um den Enzymreaktor einzusetzen, wurden zunächst Vorversuche zur chromatographischen Trennung einer racemischen Lösung der Aminosäure Methionin mit einem makrozyklischen Glykopeptid als Selektor durchgeführt. Zur Realisierung einer kontinuierlichen und hochproduktiven Trennung wurden mehrere periodisch betriebene Trennsäulen verwendet. Dabei wurde in dem das unerwünschte Gegenenantiomer (B) enthaltenden Extraktstrom der EFBR eingesetzt. Dessen Auslauf konnte nach erfolgter Racemieserung in den Rohgemischtank (Feed) zurückgeführt werden (Abb. 1). Mit dieser Schaltung gelang es, D-Methionin (Produkt A) im kontinuierlichen Betrieb mit einer Reinheit von 99 % und ebenso hoher Ausbeute bereitzustellen [3].
Auch kristallisationsbasierte Trennverfahren können durch die Einbeziehung eines Enzymreaktors wesentlich verbessert werden, insbesondere die „Bevorzugte Kristallisation“. Dabei handelt es sich um einen in geringfügig übersättigten Lösungen ablaufenden kinetisch kontrollierten Trennprozess, der durch Impfen mit dem Zielprodukt initiiert wird. Zu den erarbeiteten Neuerungen gehören die Verwendung konisch geformter und eine Klassierung erlaubender rohrförmiger Kristallisatoren, die Implementierung eines Zerkleinerungskreislaufs zur kontinuierlichen Bereitstellung von Impfkristallen („Auto-Seeding“), sowie der parallele gekoppelte Einsatz zweier Kristallisatoren, um die gleichzeitige Produktion der beiden Enantiomeren zu ermöglichen [4]. Abb. 2 zeigt eine modifizierte Schaltung, mit der es möglich ist, aus häufig einfacher zugänglichen L-Molekülen nach Racemisierung und anschließender Kristallisation in zwei sequentiell verschalteten Apparaten verlustfrei und kontinuierlich wertvollere D-Moleküle zu erzeugen. Die Anwendbarkeit des Prinzips konnte unlängst für Asparaginmonohydrat erstmals erfolgreich demonstriert werden [5].