Schöpfung im Labor

Wie Eisen in Meteoriten zur Entstehung des Lebens beigetragen haben könnte

Eines ist sicher: Das Leben auf der Erde ist sehr früh in der Geschichte des Planeten Erde entstanden. Doch auf die Fragen hin, wie und wo sich die ersten organischen Moleküle gebildet haben, gibt es bisher nur wenige konkrete Antworten. Eine populäre Theorie vermutet die Brutstätte des Lebens an hydrothermalen Schloten tief unter dem Meer. Forscherinnen und Forscher schlagen ein neues plausibles Szenario für den Ursprung des Lebens auf der Erde vor: Meteoriten. Das in ihnen enthaltene Eisen könnte entscheidend dazu beigetragen haben, dass sich die ersten Bausteine des Lebens bildeten.

Forscherinnen und Forscher des Max-Planck-Instituts für Astronomie und der Ludwig-Maximilians-Universität München haben in Experimenten mit Meteoriten und Vulkanasche einen neuen Weg aufgezeigt, wie organische Verbindungen unter den Bedingungen auf der frühen Erde entstanden sein könnten. Die Schlüsselrolle spielen dabei Eisenpartikel aus Meteoriten und Vulkanasche, die als Katalysatoren wirken. Katalysatoren sind Stoffe, deren Anwesenheit bestimmte chemische Reaktionen beschleunigt, die dabei aber nicht verbraucht werden. Insofern sind sie vergleichbar mit Werkzeugen, die zum Beispiel für den Bau nicht nur eines Fahrrades sondern mehrerer Fahrräder eingesetzt werden.

In diesem Fall ist es plausibel, dass diese Metallpartikel dazu beigetragen haben könnten, dass sich aus der kohlendioxidreichen Ur-Atmosphäre die ersten organischen Moleküle bildeten, darunter Kohlenwasserstoffe, Acetaldehyd oder Formaldehyd. Diese Stoffe sind wiederum Bausteine für Fettsäuren, Nukleobasen (ihrerseits die Bausteine der DNA), Zucker und Aminosäuren. Diese organische Moleküle sind die Bausteine komplexerer Organismen. Ihre Entstehung war der erste frühe Schritt in einer Abfolge an Ereignissen, die das Leben auf der Erde mit sich brachten. Bis zur Bildung der ersten (eukaryotischen) Zellen dauerte es rund 2 Milliarden Jahre.

Die Chemieindustrie und der Ursprung des Lebens

Die Inspiration für die Forschung kam aus der industriellen Chemie. Dort ist bekannt, dass sich Kohlenmonoxid und Wasserstoff mit Hilfe metallischer Katalysatoren in Kohlenwasserstoffe umwandeln lassen. Der Prozess dahinter heißt Fischer-Tropsch-Verfahren. Oliver Trapp, Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Max-Planck-Fellow am Max-Planck-Institut für Astronomie, fragte sich, ob dieses Verfahren nicht auch auf einer frühen Erde mit einer kohlendioxidreichen Atmosphäre stattgefunden haben könnte: „Als ich mir dann die chemische Zusammensetzung des Campo-del-Cielo-Eisenmeteoriten ansah, der aus Eisen, Nickel, etwas Kobalt und winzigen Mengen Iridium besteht, war mir klar, dass dies ein perfekter Fischer-Tropsch-Katalysator ist“, erklärt Trapp. Der nächste logische Schritt waren Experimente, um die kosmische Version von Fischer-Tropsch zu testen.

Dmitry Semenov, Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie, brachte zudem Vulkanasche ins Spiel: Als Oliver mir von seiner Idee erzählte, war mein erster Gedanke, dass wir auch die katalytischen Eigenschaften von Vulkanascheteilchen untersuchen sollten. Schließlich muss die frühe Erde geologisch aktiv gewesen sein“. In der Atmosphäre und auf den ersten Landmassen der Erde hätte es also reichlich feine Aschepartikel gegeben.

Die frühe Erde im Labor

Trapps Doktorandin, Sophia Peters, führte die notwendigen Experimente im Rahmen ihrer Doktorarbeit durch. Für den Zugang zu Meteoriten und Mineralien sowie für die Expertise in der Analyse solcher Materialien wandte sie sich an den Mineralogen Rupert Hochleitner, einen Experten für Meteoriten an der Mineralogischen Staatssammlung in München. Für ihre Experimente verwendeten sie Eisenpartikel aus einem Eisenmeteoriten, einem eisenhaltigen Steinmeteoriten oder Vulkanasche vom Ätna. Die Eisenpartikel wurden dann mit verschiedenen Mineralien vermischt, wie sie auch auf der frühen Erde vorgekommen sein sollten. Diese Mineralien dienten als Trägerstruktur, da sich Katalysatoren in der Regel als kleine Partikel auf einem geeigneten Substrat anreichern.

Die Größe der Partikel ist bei dieser Art von Experiment entscheidend. Die feinen Aschepartikel, die bei Vulkanausbrüchen entstehen, sind normalerweise nur wenige Mikrometer groß. Bei eisenhaltigen Meteoriten, die durch die Atmosphäre der frühen Erde fallen, würde die atmosphärische Reibung sowohl mikrometergroße als auch nanometergroße Eisenpartikel abtragen, während das Eisen in der großen Hitze verdampft und später in der umgebenden Luft wieder erstarrt.

Die Forscherinnen und Forscher versuchten, diese Vielfalt an Partikelgrößen auf zwei verschiedene Arten nachzubilden. Indem sie das Meteoritenmaterial in Säure auflösten, erzeugten sie aus ihrem präparierten Material Partikel in Nanometergröße. Und indem sie entweder das Meteoritenmaterial oder die Vulkanasche für 15 Minuten in eine Kugelmühle gaben, stellten die Forscherinnen und Forscher auf mechanischem Wege größere, mikrometergroße Partikel her. Eine solche Kugelmühle ist eine Trommel, die sowohl das Material als auch Stahlkugeln enthält. Die Trommel wird mit hoher Geschwindigkeit gedreht, in diesem Fall mehr als zehnmal pro Sekunde, wobei die Stahlkugeln das Material zermahlen.

Organische Moleküle unter Druck

Da die ursprüngliche Erdatmosphäre keinen Sauerstoff enthielt, führte das Team anschließend chemische Reaktionen durch, bei denen fast der gesamte Sauerstoff aus dem Gemisch entfernt wurde. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler brachten das Gemisch dann in eine Druckkammer, die vor allem mit Kohlendioxid (CO2) und Wasserstoffmolekülen gefüllt war. Anders als heute bestand die Atmosphäre damals hauptsächlich aus CO2 und Wasserdampf und übte einen Luftdruck auf die Erdoberfläche aus, der um ein vielfaches höher als heute gewesen sein könnte. „Da es viele verschiedene Möglichkeiten für die Eigenschaften der frühen Erde gibt, habe ich versucht, jedes mögliche Szenario experimentell zu testen“, sagt Sophia Peters. „Am Ende habe ich fünfzig verschiedene Katalysatoren verwendet und das Experiment bei verschiedenen Werten für den Druck, die Temperatur und das Verhältnis von Kohlendioxid- und Wasserstoffmolekülen durchgeführt.“

Unter den hier simulierten Bedingungen einer jungen Erde reagierte die Uratmosphäre dank des Eisenstaubs zu einer beträchtlichen Menge organischer Verbindungen wie Methanol, Ethanol und Acetaldehyd, aber auch Formaldehyd. Insbesondere Acetaldehyd und Formaldehyd sind die Komponenten für wichtige Bausteine des Lebens: Fettsäuren, Nukleobasen, Zucker und Aminosäuren. Das Ergebnis ist ein starker Hinweis darauf, dass solche Reaktionen auf der frühen Erde tatsächlich stattgefunden haben könnten – weitgehend unabhängig von der genauen Zusammensetzung der Erdatmosphäre in jener Zeit, die wir derzeit noch nicht kennen.

Leben, nicht nur auf der Erde?

Mit diesen Ergebnissen gibt es nun eine neue Möglichkeit, wie die ersten Bausteine des Lebens auf der Erde entstanden sein könnten. Zu den "klassischen" Mechanismen gehören die Synthese rund um Hydrothermalquellen am Meeresboden, elektrische Entladungen in einer methanreichen Atmosphäre (wie beim Urey-Miller-Experiment) sowie Modelle, die vorhersagen, wie organische Verbindungen in den Tiefen des Weltraums entstanden und über Asteroiden oder Kometen zur Erde transportiert worden sein könnten (siehe diese MPIA-Pressemitteilung). Dazu gesellt sich nun eine weitere Möglichkeit: Eisenpartikel, die während des frühen Bombardements durch Meteoriten auf die Erde regneten oder feine Vulkanasche. Diese wirkten sehr wahrscheinlich als Katalysatoren in einer frühen, kohlendioxidreichen Atmosphäre, und läuteten die Entstehungsgeschichte des Lebens auf der Erde ein.

Wie im realen Leben, ist es wahrscheinlich, dass nicht nur ein Weg zum Ziel führt, sondern mehrere. Mit diesem neuen Verfahren steht eine breite Palette an Möglichkeiten zur Verfügung. Die Chancen stehen gut, dass die weitere Erforschung der Ur-Atmosphäre und der physikalischen Eigenschaften der frühen Erde Aufschluss darüber geben wird, welcher der verschiedenen Mechanismen unter realistischen Bedingungen die höchste Ausbeute an Lebensbausteinen liefert. Der neu entdeckte Prozess hat eine Besonderheit: Eisen  entsteht im Inneren riesiger Sterne, den kosmischen Küchen der Galaxien und verteilt sich am Ende des Sternlebens durch gewaltige Supernova-Explosionen im interstellaren Raum. Eisen als potenzieller Katalysator für Leben könnte also nicht nur auf der Erde aktiv geworden sein.

MP/TB

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