Interaktive Kommunikation von Risiken kann Impfbereitschaft erhöhen

Studie zum Einfluss unterschiedlicher Kommunikationsformate auf die Bereitschaft, sich gegen Corona impfen zu lassen

Interaktive Formate der Risikokommunikation können im Vergleich zu konventionellen textbasierten Formaten effektiver sein, um Impfzögerliche zu überzeugen und das Vertrauen der Öffentlichkeit in Impfungen zu stärken. Das haben Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung am Beispiel der Covid-19-Impfung herausgefunden.

Die Covid-19-Pandemie hat deutlich gemacht, wie wichtig Impfungen für die Verhütung lebensbedrohlicher Krankheiten und die Überlastung des Gesundheitssystems sind. Dennoch blieb die Akzeptanz der Covid-19-Impfung in vielen Ländern unzureichend. Vor diesem Hintergrund kommt der Gruppe der Impfzögerlichen eine besondere Bedeutung zu. Lassen sie sich mithilfe von neuen Formaten der Risikokommunikation besser erreichen? Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung sind dieser Frage in einer Studie mit 1255 ungeimpften und impfzögerlichen Erwachsenen nachgegangen. Die Studie, die in der Fachzeitschrift JAMA Network Open veröffentlicht wurde, analysierte, wie sich eine interaktive Simulation zu Nutzen und Schaden der Covid-19-Impfung im Vergleich zu einem herkömmlichen textbasierten Informationsformat auf die Impfabsicht sowie die Schaden-Nutzen-Bewertung einer solchen Impfung auswirkt. „Im Gegensatz zu Impfgegnern, sind Impfzögerliche in ihrer Entscheidung oft noch offen und haben ein hohes Informationsbedürfnis zum Nutzen und potentiellen Schaden. Wird beides gut nachvollziehbar vermittelt, besteht durchaus die Chance, dass sie sich für eine Impfung entscheiden. Erkenntnisse aus der Kognitionswissenschaft legen dabei nahe, dass dies interaktiven Simulationen besser gelingt als konventionellen Textformaten“, sagt Studienleiterin Odette Wegwarth. Die Heisenberg-Professorin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und Senior Researcher am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung beschäftigt sich vor allem mit der Risikokompetenz und der Darstellung von Risikoinformationen im medizinischen Bereich.

Tatsächlich sprachen die Impfzögerlichen besser auf die interaktive Simulation an. Teilnehmende, die ihre Informationen interaktiv aus der Simulation bezogen, veränderten signifikant häufiger positiv ihre Impfabsicht und ihre Schaden-Nutzen-Bewertung als Teilnehmende, die die Informationen als Text erhielten. Der Nettovorteil der interaktiven Simulation gegenüber dem textbasierten Format betrug 5,3 Prozentpunkte bei der Impfabsicht (9,8 % gegenüber 4,5 %) und 18,3 Prozentpunkte bei der Schaden-Nutzen-Bewertung (25,3 % gegenüber 7,0 %).

Nachdem die deutsche Bundesregierung ab dem 16. März 2022 eine verpflichtende Covid-19-Impfung für Angehörige der Gesundheitsberufe eingeführt hatte – eine Maßnahme, die eine breite Kontroverse auslöste –, untersuchten die Forschenden auch, ob Teilnehmende, die im Gesundheitssektor arbeiten, anders auf die Interventionen reagieren. Sie fanden heraus, dass diejenigen, die im Gesundheitswesen tätig waren und somit der Impfpflicht in Deutschland unterlagen, nach der Intervention mit fast doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit eine positive Veränderung in ihrer Schaden-Nutzen-Bewertung der Covid-19-Impfung zeigten. Allerdings war eine positive Veränderung in ihrer Impfabsicht nur halb so wahrscheinlich wie bei Teilnehmenden, die außerhalb des Gesundheitswesens tätig waren und somit nicht der Impfpflicht unterlagen. Dieser Befund legt nahe, dass eine Impflicht Stimmungslagen verhärten kann und sich damit potentiell negativ auf die Impfbereitschaft auswirken könnte. Das Forschungsteam votiert deshalb dafür, zukünftig noch mehr in innovative, evidenzbasierte Konzepte der Risikokommunikation zu investieren.

„Interaktive Simulationen von Risikoinformationen imitieren die Art und Weise, wie Menschen Risikoinformationen durch reale Erfahrungen erlernen – nämlich als Einzelereignisse und zeitlich hintereinander. Diese neue Art der Vermittlung von Risikoinformation scheint eher eine Verhaltensänderung zu ermöglichen als traditionelle textbasierte Kommunikation. Mit einer solchen Intervention, in der Verhaltenswissenschaft auch ‚Boost‘ genannt, kann die Entscheidungskompetenz der Menschen gestärkt werden“, sagt Co-Autor Ralph Hertwig, Direktor des Forschungsbereichs Adaptive Rationalität am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Solche neuen interaktiven Formate könnten bei zukünftigen Pandemien und insgesamt im Bereich von Impfkommunikation eine wichtiges Instrument für Gesundheitsbehörden sein, um Impfzögerliche umfassend zu informieren und somit öffentliches Vertrauen herzustellen.

An der Online-Studie nahmen 1255 Erwachsene aus Deutschland auf dem Höhepunkt der Omikronwelle im Frühjahr 2022 teil, die sich explizit als ungeimpft und impfzögerlich zu erkennen gaben. Sie wurden nach ihrer Zufriedenheit mit der Covid-19-Politik der Regierung zur Eindämmung des Virus sowie nach ihrer persönlichen Einschätzung des Nutzen-Schadens-Verhältnisses von Covid-19-Impfungen gefragt. Danach erhielten alle Teilnehmenden nach Altersgruppe Informationen zum absoluten Infektionsrisiko, zu Hospitalisierungen, Aufenthalten auf der Intensivstation sowie zum Tod nach Exposition mit dem Virus bei 100.000 geimpften vs. 100.000 ungeimpften Personen im Verhältnis zu den möglichen Nebenwirkungen der Impfung (z.B. Herzmuskelentzündung bei Männern unter 35 Jahren). Dabei variierte das Präsentationsformat. So erhielten 651 Teilnehmende textbasierte Informationen, 604 Teilnehmende bekamen eine interaktive Simulation vorgelegt.

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