Schnellere Suche nach medizinischen Wirkstoffen

Neues Forschungsprojekt erhält über elf Millionen Euro Förderung

10. Februar 2023

Im Januar ist das „High Resolution Drug Screening“-Projekt (HRDS ) gestartet. Die Forschenden wollen die Prüfung von pharmazeutischen Wirkstoffen für Medikamente mit einem höchstauflösenden Lichtmikroskop und Künstlicher Intelligenz verbessern. Mit der Abberior GmbH und dem Lead Discovery Center sind daran auch zwei Max-Planck Ausgründungen beteiligt.

Weltweit besteht ein hoher Bedarf an neuen Medikamenten, beispielsweise um Krebserkrankungen oder aber schwere Infektionen (Sepsis) zu bekämpfen. Auf der Suche nach geeigneten Wirkstoffen müssen Forschende unendlich viele Substanzen auf ihre Wirksamkeit prüfen und richtig einordnen. In der frühen Entwicklungsphase setzen sie dafür Screening-Verfahren ein, die zwar schnell sind, aber oftmals nur zeigen, dass ein Wirkstoff mit dem Zielobjekt, beispielsweise einer Zelle, agiert. Was da genau passiert, zeigt oft erst der Blick durch das Mikroskop.

Die Mikroskope, die der Pharmaindustrie derzeit dafür zur Verfügung stehen, haben jedoch in der Regel eine viel zu geringe Auflösung, um die einzelnen Bestandteile einer Zelle detailliert genau genug darzustellen. So bleiben beispielsweise mögliche Andockstellen für Wirkstoffe in der Zellenmembran, die sogenannten Rezeptoren, quasi im Dunkeln.

Lichtmikroskop plus künstliche Intelligenz

Genau da setzt das Förderprojekt HRDS an: Das Forschungsteam um den Göttinger Wissenschaftler und Nobelpreisträger Stefan Hell (Direktor am Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften in Göttingen und am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg) zusammen mit Gerald Donnert (Abberior GmbH, Göttingen) und Bert Klebl (Lead Discovery Center GmbH, Dortmund) sowie Stefan Jakobs (Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie, Göttingen) will in den kommenden drei Jahren ein neues Verfahren zum Screening von Wirkstoffen für Medikamente auf den Weg bringen.

Der Schlüssel für mehr Tempo bei der Suche nach pharmazeutischen Wirkstoffen liegt darin, Künstliche Intelligenz mit einem schnellen, höchstauflösenden Lichtmikroskop zu kombinieren, welches auf dem von Hell entwickelten STED-Verfahren (STED = Stimulated Emission Depletion) basiert. Mit dieser Erfindung haben die Forschenden um Stefan Hell am damaligen Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie die Lichtmikroskopie revolutioniert. Sie haben als Erste einen Weg gefunden, die Abbesche Auflösungsgrenze von Lichtmikroskopen radikal zu unterlaufen. So kann dieses Mikroskop Strukturen scharf abbilden, die kleiner als 200 Nanometer, also Millionstel Millimeter, sind – sogar in lebenden Zellen.

Künstliche Intelligenz sorgt dann für die automatische Auswertung der Bilder. Mit ihrer Hilfe kann das System wichtige Zellstrukturen selbstständig erkennen und das beschleunigt die Analyse von neuen Wirkstoffkandidaten. Hierbei spielen Fluoreszenzfarbstoffe eine wichtige Rolle. Die Abberior GmbH, eine Ausgründung des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie, bringt unter anderem ihre auf Max-Planck-Technologie basierenden Fluoreszenzfarbstoffe, die speziell für hochauflösende Mikroskopie-Methoden wie STED und MINFLUX entwickelt wurden, sowie ihre entsprechende Expertise in das Projekt ein. Mit Hilfe dieser speziellen Farbstoffe und fluoreszierender Sonden sollen Assays entwickelt werden, die das hochauflösende Wirkstoffscreening ermöglichen.

Industrielle Partner und Perspektiven des Verfahrens

Bis Ende 2025 wollen die industriellen Projektpartner das innovative Verfahren gemeinsam zum Erfolg führen und so zu einem höheren Tempo bei der Entwicklung neuer, hochwirksamer Medikamente beitragen – zum Nutzen der Patienten und des Gesundheitssystems. Wenn alles gut läuft und das Verfahren bei den Partnern zum Einsatz kommt, eröffnen sich große Chancen für Deutschland im Bereich der Medizintechnik und Pharmazie.

Die Verbundpartner im Projekt „Höchstauflösendes Wirkstoffscreening – HRDS“ sind Abberior und das Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie aus Göttingen, das Max-Planck-Institut für medizinische Forschung aus Heidelberg und die Lead Discovery Center (LDC) aus Dortmund.

Das LDC wurde 2008 von der Technologietransferorganisation Max-Planck-Innovation als neuartiger Ansatz gegründet, das Potenzial exzellenter Forschung für die Entdeckung neuer Therapien für Krankheiten mit hohem medizinischem Bedarf zu nutzen. Das Unternehmen bringt seine Expertise und Infrastruktur im Bereich der Wirkstoffforschung und -screening in das HRDS-Projekt ein. HRDS wird im Rahmen der Förderrichtlinie „KMU-innovativ: Photonik und Quantentechnologien“ in den kommenden drei Jahren mit 11,7 Millionen Euro gefördert.

 

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht