Epigenetisches Gedächtnis glatter Muskelzellen verstetigt chronisches Asthma

TET3 schützt glatte Muskelzellen vor ausufernden Entzündungsreaktionen

5. Januar 2023

Bronchialasthma ist die Folge einer chronischen Entzündung der Atemwege. Insbesondere die glatten Muskelzellen der Bronchien tragen zur Erkrankung bei. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim haben nun im Mausmodell einen grundsätzlichen Mechanismus identifiziert, der Entzündungsreaktionen beim Asthma verstetigt: Die Verminderung einer wichtigen Modifikation der Erbsubstanz DNA (5-Hydroxymethylcytosine), ausgelöst durch das Fehlen des Enzyms TET3, führt zu einer Ausuferung von Entzündungsreaktionen in den Bronchien. Passend hierzu fand sich in den Luftwegen von Asthma-Patienten eine geringere DNA-Modifikation als bei Gesunden. Ein neuer Therapieansatz könnte auf einer medikamentösen Anhebung von DNA-Modifikationen  bei Asthmapatienten basieren, um so dass epigenetische Gedächtnis von glatten Muskelzellen von den „bösen“ Erinnerungen einer Entzündung zu befreien.
 

Beim Bronchialasthma sind die Teile der Atemwege verengt. Neben verschiedenen Symptomen wie erhöhter Schleimproduktion und Husten fällt Patienten wegen der verengten Bronchien das Atmen schwer. Ob Bronchien sich weiten oder verengen, wird von glatten Muskelzellen im Bronchialgewebe bestimmt. Die chronische Entzündung beim Asthma und die damit verbundene Ansammlung von Entzündungszellen führt zu einer verstärkten Kontraktion glatter Muskelzellen, aber auch zu ihrer Vermehrung. Häufig besteht die chronische Entzündung beim Asthma weiter, auch wenn der ursprüngliche Auslöser, etwa eine allergische Reaktion, schon längst wieder verschwunden ist. In diesem Zusammenhang spricht man von einem epigenetischen Gedächtnis der Atemwege, welches das Krankheitsgeschehen verstetigt. Um die molekularen und zellulären Mechanismen eines solchen epigenetischen Gedächtnisses beim Asthma zu untersuchen, haben Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim unter Leitung von Xuejun Yuan und Thomas Braun in einer Studie Veränderungen in glatten Muskelzellen bei Asthma bronchiale untersucht.

In Probenmaterial von Asthmapatienten fanden die Wissenschaftler einen stark verringerten Anteil einer modifizierten Base (5-Hydroxymethylcytosine, abgekürzt 5-hmC), einem Bauteil der DNA. 5-hmC ist ein Oxidationsprodukt von 5-Methylcytosine (5-mC) und wurde ursprünglich als ein Bestandteil des Abbauweges von 5-mC angesehen. Mittlerweile weiß man jedoch, dass 5-hmC noch andere Funktionen besitzt. „Durch eine als Methylierung bezeichnete Reaktion werden Gene meist nachhaltig ausgeschaltet. Dies ermöglicht einer Zelle, ihre Funktionen korrekt auszuüben“, so Fan Wu, Erstautorin der Studie. „Das Oxidationsprodukt von 5-hmC hat aber noch eine andere Rolle und verhindert einen fehlerhaften Start der Genexpression. Bei Asthmapatienten funktioniert dieser Prozess nicht richtig. Als Konsequenz werden viele fehlerhafte Transkripte gebildet.“ Diese wiederum lösen die für die Erkrankung typischen Entzündungsprozesse aus.  

Untersuchungen im Tiermodell

Mit Tierversuchen gelang es dem Forscherteam, die Bedeutung dieser Beobachtung genauer zu analysieren. Das Enzym TET3 ist verantwortlich für die Oxidation von 5-mC und somit für die Bildung von 5-hmC die epigenetische DNA-Methylierung in glatten Muskelzellen. Die Forscher untersuchten Mäuse, denen das TET3-Gen spezifisch in glatten Muskelzellen fehlt. „Im Vergleich zu Kontrolltieren mit funktionierendem TET3-Gen hatten die Tiere, denen das TET3-Gen fehlte, in den glatten Muskelzellen der Atemwege viel weniger 5-hmC und entwickelten eine ausgeprägte Entzündung. Weiterhin erhöhte sich die Anzahl schleimbildender, sogenannter Gobletzellen dramatisch. Das bedeutet, dass eine verminderte Präsenz von TET3 in den Atemwegen zu Asthma führt“, erklärt Wu. Vergleichbar zu der bei Asthmapatienten gemachten Beobachtung zeigten sich zudem weitere ausgeprägte Veränderungen in der Bronchialmuskulatur.

In weiteren Experimenten untersuchten die Max-Planck-Forscher die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen sowie daraus folgende Konsequenzen. Sie fanden heraus, dass 5-mC bzw. TET3 die Aktivität eines Chromatin-modifizierenden Enzyms stabilisiert, das verhindert, dass die Genexpression an der falschen Stelle startet. Kommt es zur Genexpression an der falschen Stelle, so entstehen irreguläre Botenmoleküle (mRNAs), die Immunreaktionen und starke Entzündungsprozesse auslösen. „Diese Entzündungsprozesse, bei denen es auch zu einer massiven Einwanderung von Immunzellen in das Lungengewebe kommt, stellen die Grundlage für die Entstehung von Asthma-typischen Symptomen dar“, so Wu.

Epigenetisches Gedächtnis

Nach Einschätzung von Thomas Braun, Direktor am Max-Planck-Institut in Bad Nauheim, liefert die Studie eine Erklärung dafür, warum bei Patienten Asthma chronisch werden kann, auch wenn das ursprünglich Asthma-auslösende Allergen nicht mehr vorhanden ist: „Die unzureichende Modifizierung von DNA in den glatten Muskelzellen ist wahrscheinlich eine Erinnerung des epigenetisches Gedächtnis. Diese bewirkt, dass die einmal stattgefundenen Entzündungsprozesse immer wieder durchlebt werden.“ Die Konsequenz hieraus ist ein Fortbestehen der Entzündungsprozesse und dadurch der Asthmasymptomatik.

Die Wissenschaftler hoffen, mit dieser Studie einen Ansatz für die Entwicklung neuer Therapie gefunden zu haben, um den Teufelskreis einer chronischen Entzündung durchbrechen zu können. Ein solcher Ansatz könnte darauf beruhen, die Aktivität des TET3 Enzyms und damit von 5-hmC in glatten Muskelzellen zu erhöhen und somit das epigenetische Gedächtnis zu löschen.

MH/TB

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