Der behutsame Weg zu einem stabilen Staat

Der gewaltsame Konflikt in Afghanistan eskaliert seit dem Jahr 2005 und erschwert den Wiederaufbau. Stärkung des Staates und Förderung von Rechtsstaatlichkeit müssen ins Zentrum der Anstrengungen rücken, um das Land zu stabilisieren.

 von Tilmann J. Röder; in: MaxPlanckForschung 1/09

An einem Nachmittag im Jahr 1998 ging Fahim, der später unser Projektfahrer wurde, durch den Stadtteil Khair Khana in Kabul. Die Straßen waren fast leer und ruhig. Unter den Taliban hatten sich die Menschen immer mehr in ihr Privatleben zurückgezogen, denn jeder Gang außer Haus konnte sie in Schwierigkeiten bringen. Anhänger des islamistischen Regimes konfiszierten Autos, aus denen Musik erklang; derart moderne Vergnügungen waren verboten. Sie nahmen Männer fest, deren Bärte ihnen nicht lang genug erschienen. Kinder durften keine Drachen steigen lassen. Am meisten litten die Frauen. Allein lackierte Nägel oder ein Hauch von Parfum unter der Burka konnte sie in den Verdacht der Prostitution und damit in Lebensgefahr bringen. Viele verarmten, weil die Taliban ihnen jegliche Erwerbstätigkeit verboten hatten.

Die Bürger fühlten sich gegän­gelt und waren nicht selten sogar blindwütiger, willkürlicher Gewalt ausgesetzt

An jenem Tag also änderte sich Fahims Leben schlagartig. Er sah, was er schon oft beobachtet hatte: Einen Talib, der eine Frau auf offener Straße beschimpfte und prügelte. Fahim ging vorbei – und kehrte um. Anders als sonst war der Talib allein. Kein Mensch war zu sehen. Als Fahim zuschlug, so erzählt er mir, wusste er, dass er Kabul verlassen musste. In einer Stadt von wenigen hunderttausend Einwohnern war die Gefahr zu groß, dem Schinder wieder zu begegnen, aus dessen Gewalt er eine Frau befreit hatte. Bis zum Sturz der Islamisten blieb er im Iran.

Fahims Schicksal sagt einiges aus über das Verhältnis zwischen Herrschenden und Beherrschten zu jener Zeit. Die Taliban regierten nicht nach allgemeingültigen Regeln. Als höchstes Gesetz galt zwar die Schari’a nach einer radikalen, fundamentalistischen Auslegung, die wenig mit der liberalen islamischen Tradition Afghanistans gemein hatte. Diese Regeln wendeten die Taliban aber nicht einheitlich an, sondern so, wie es jeder Einzelne von ihnen gerade für richtig hielt. Die Bürger fühlten sich permanent gegängelt und waren nicht selten, wie im Fall der von Fahim befreiten Frau, sogar blindwütiger, willkürlicher Gewalt ausgesetzt.

Es gab keine juristisch verankerten Instanzen der Selbstkontrolle innerhalb der Herrschaftsordnung, keine Richter, die die Ausübung von staatlicher Macht kontrolliert hätten. Fahim hatte gar keine andere Wahl als selbst einzugreifen, wenn er der Frau helfen wollte. Es wäre unvernünftig gewesen, danach im Land zu bleiben. Eigentlich hatten viele Afghanen die Taliban im Jahr 1996 erleichtert begrüßt, weil sie versprachen, nach Jahren des Bürgerkriegs die innere Ruhe wiederherzustellen. Was deren fundamentalistische Auslegung der Schari’a für ihr Leben bedeuten würde, ahnten die Menschen damals nicht.

Die Entwicklung des Landes nach dem 11. September 2001 ist bekannt: Die US-Regierung vertrieb die Taliban, die sie einst unterstützt hatte, mithilfe derselben Warlords, die Mitte der 1990er-Jahre das Land verwüstet hatten. Auch diesen Machtwechsel begrüßte die Bevölkerung, doch ihre Hoffnungen auf eine baldige, allgemeine Besserung der Lebensbedingungen wurden erneut enttäuscht

Bis heute lebt die Hälfte der Bevölkerung Afghanistans unter der Armutsgrenze

Bis heute lebt die Hälfte der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Die meisten Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Wasser und Elektrizität. Die Kriminalitätsrate ist explodiert. Eine aktuelle Studie der Asia-Foundation bildet die pessimistische Stimmung in Zahlen ab: Nur noch 38 Prozent der Befragten meinen, das Land bewege sich in die richtige Richtung; 32 Prozent vertreten das Gegenteil, der Rest ist unentschieden. Der Anteil derjenigen, die sich heute als wohlhabender denn zur Talibanzeit sehen, ist innerhalb von zwei Jahren von 54 auf 36 Prozent gesunken. Als größte Probleme nennen die Afghanen die Sicherheitslage (36 Prozent), dann folgen Arbeitslosigkeit (31), hohe Preise (22), die Schwäche der Wirtschaft (17) und Korruption (14).

Natürlich werden auch positive Entwicklungen wahrgenommen. So gehen inzwischen sechs Millionen Kinder zur Schule – das sind fünfmal so viele wie im Jahr 2001; und doch ist das nur die Hälfte aller schulpflichtigen Kinder. Auch die Kindersterblichkeit ist deutlich gesunken – als Fortschritt wagt man diesen Zustand aber nicht zu bezeichnen, da noch immer fast jedes sechste Kind das fünfte Lebensjahr nicht erreicht. Trotz deutlich verbesserter medizinischer Grundversorgung beträgt die Lebenserwartung nur 44 Jahre. Die kleinen Fortschritte, die uns in abstrakter Form als Zahlen und Statistiken vorliegen, reichen nicht für eine grundsätzliche Kehrtwende.

Welche Hilfe braucht Afghanistan in dieser Situation? Welche Rolle können Wissenschaftler dabei einnehmen? Das Heidelberger Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht beobachtet seit einigen Jahren den Umbau der afghanischen Staats- und Rechtsordnung und unterstützt ihn seit Ende 2003 auch aktiv durch Beratungen und Ausbildungsprojekte. Der dringend notwendige militärische Strategiewechsel kann für die Arbeit von Wissenschaftlern nicht im Vordergrund stehen, aber die anhaltenden Probleme der militärischen Intervention werfen auch für sie Fragen auf. Es ist offensichtlich, dass der Konflikt mit den Taliban und anderen regierungsfeindlichen Kräften nicht im Waffengang gewonnen werden kann. Die Frage ist vielmehr: Wa­rum wurde bislang so wenig beim zivilen Wiederaufbau erreicht? Was muss geschehen, damit sich das Leben der Menschen spürbar verbessert?

Wünschenswert sind natürlich Verbesserungen in allen Bereichen, die das Leben und Wohlergehen des Einzelnen prägen. Auf dem Weg zu einer Antwort muss jedoch überlegt werden, welche der Ziele sich in der aktuellen Situation überhaupt erreichen lassen. Zudem kommt es nicht nur darauf an, was zu tun ist, sondern auch darauf, wie die Hilfe umgesetzt wird.

Grundlage für jegliche Entwicklung ist Sicherheit. Wo Gewalt herrscht, kann den Menschen nur Nothilfe geleistet werden – Hilfe gegen das Verhungern und Erfrieren und möglichst auch medizinische Grundversorgung. Nachhaltigere Ansätze wie der Aufbau von Fernstraßen, Schulen und Gerichten führen nicht weit, wenn die Straßen aufgrund hoher Überfallrisiken nicht befahrbar sind, Schulen abgebrannt und Richter ermordet werden. Dies alles geschieht aber nach wie vor, hauptsächlich in den südlichen und östlichen Landesteilen Afghanistans.

Sobald und soweit die Sicherheitslage hinreichend stabil ist, muss der Staat befähigt werden, „effektive Gebietsherrschaft“ im Sinn eines legitimen Gewaltmonopols auszuüben und weitergehende Leistungen für die Bürger zu erbringen. Das klingt selbstverständlich, doch das Verhalten ausländischer Akteure – seien es staatliche Institutionen oder private Hilfsorganisationen – offenbart, dass sich viele diesem Ziel nicht oder nur bedingt verpflichtet fühlen. Bis 2004 bauten die Alliierten die Macht der Warlords mit viel Geld und Waffen erneut auf, weil sie glaubten, dass sie ohne ein dezentrales Netz von Verbündeten das Land nicht kontrollieren könnten. Auf diese Weise wurde das Vertrauen großer Teile der Bevölkerung in den Neuanfang verspielt.

Inzwischen kommt niemand mehr an diesen Kriegsführern vorbei, die das politische Geschehen ebenso beherrschen wie den Drogenhandel. Auch die Kommandeure deutscher Bundeswehr-Einheiten müssen sich mit ihnen wohl oder übel an einen Tisch setzen, wenn es um Sicherheit und Wiederaufbau in „ihren“ Provinzen geht. Der Erfolg der Regierung in Kabul leidet auch daran, dass unzählige ausländische Akteure eigene Strukturen zur Erbringung von Leistungen aufgebaut haben.

Viele der klassischen Aufgaben des Staates – Herstellung ökonomischer Stabilität, die Gewährleistung eines Mindestmaßes an sozialer Absicherung, öffentliche Gesundheitsfürsorge, Bildung, Bekämpfung des Drogenanbaus – werden von ihnen übernommen. Das ist erfreulich, weil sich dadurch die konkrete Lebenssituation der Leistungsempfänger verbessert, aber zugleich prekär, weil der afghanische Staat sich nicht entfalten kann. Das Geld, das die ausländischen Akteure selbst ausgeben, steht nicht für die afghanischen Institutionen zur Verfügung. Zudem werden bei vielen Maßnahmen die afghanischen Partner nicht einmal informiert. Die viel beschworene Eigenverantwortung Afghanistans bleibt vielfach ein wertloses Lippenbekenntnis.

Die Souveränität und die Traditionen des Landes müssen respektiert werden

Eine nachhaltige Stabilisierung und Entwicklung Afghanistans muss den Staat ins Zentrum stellen, statt ihn zu untergraben. Zwei wesentliche Elemente sollten den Kern einer neuen Strategie bilden: die Übertragung von staatlichen Aufgaben in die Hände von afghanischen Institutionen und eine intensive Förderung von Rechtsstaatlichkeit, wobei die Souveränität und die spezifischen Traditionen Afghanistans zu respektieren sind.

Wichtigste Voraussetzung einer Stärkung des eigenverantwortlichen Wiederaufbaus durch afghanische Institutionen ist aus fiskalischer Sicht ein hinreichendes Staatsbudget. Da der afghanische Staat nur über verschwindend geringe Einnahmen verfügt – 887 Millionen Dollar sollen es im laufenden Haushaltsjahr sein –, ist das Land auf externe finanzielle Hilfe angewiesen. Dieser Beitrag zum Staatsbudget wird auf 6,5 Milliarden Dollar geschätzt. Dennoch ist die Kritik afghanischer Politiker verständlich, die darauf hinweisen, dass von den seit dem Jahr 2002 versprochenen rund 25 Milliarden Dollar bislang nur etwa 15 Milliarden freigegeben worden seien.

Dazu kommt, dass ein Großteil dieser Mittel nur im Rahmen von Projekten ausgegeben werden kann, die Akteure aus den Geberländern ausführen. Auf die­se Weise fließen etwa 40 Prozent aller Mittel in Form von Gehältern und Unternehmensgewinnen zurück. Verwerflich ist dies nicht, aber es muss bedacht werden, wenn man den tatsächlichen Umfang der ausländischen Unterstützung für Afghanistan einschätzen will. Weitere Mittel werden nur projektgebunden vergeben. Frei verfügen kann die afghanische Regierung letztlich nur über einen geringen Teil der imposanten Summe, die anfangs genannt wurde. Diese Mittel reichen aber beispielsweise nicht aus, um den Staatsbediensteten Gehälter zu gewähren, von denen sie und ihre Familien leben können. Und wer als Richter oder Staatsanwalt, Soldat oder Polizist weniger als 100 Dollar pro Monat verdient, ist anfällig für Korruption oder wird möglicherweise mit der Waffe in der Hand zu regierungsfeindlichen Gruppen überlaufen, die mehr zahlen.

Dass Geld zu einer angemessenen Finanzierung des afghanischen Staates vorhanden ist, wird deutlich, wenn man sich das krasse Missverhältnis von militärischen und zivilen Ausgaben vor Augen hält. Für Entwicklungshilfe werden etwa sieben Millionen Dollar pro Tag ausgegeben – eine Summe, die stattlich klingt. Dem stehen jedoch weit über 100 Millionen Dollar gegenüber, die der internationale Militäreinsatz täglich verschlingt. Ein Prozent davon würde für eine angemessene Bezahlung sämtlicher afghanischen Richter und Staatsanwälte, Soldaten und Polizisten genügen.

Eine Stärkung der Eigenverantwortlichkeit des afghanischen Staates muss aus juristischer Sicht mit einer intensiven Förderung von Rechtsstaatlichkeit einhergehen, um einen stabilen Rahmen für die Umsetzung der vorhandenen Entwicklungsstrategien zu bieten. Vernünftigerweise wird man sich zunächst mit dem Ziel der formellen Rechtsstaatlichkeit begnügen müssen. Das bedeutet in erster Linie, Verwaltung und Gerichte an das geltende Recht zu binden, um die Bürger vor Willkür zu schützen. Szenen wie der Übergriff des Talib auf eine wehrlose Frau, den Fahim erlebte, werden zwar nicht mehr berichtet, aber Misshandlung angeblicher Straftäter, unfaire Verfahren, Justizkorruption und ähnliche Missstände sind weit verbreitet.

Vertreter staatlicher Institutionen, die sich von „höheren Wahrheiten“ leiten lassen, neigen dazu, Verfassung und Gesetze zu brechen

An diesem Punkt unterstützt das Heidelberger Max-Planck-Institut intensiv die Reformen durch die Ausbildung von afghanischen Richtern, Staatsanwälten und Polizeioffizieren. Viele von ihnen sind religiös-konservativ eingestellt; vor allem bedarf es langer Diskussionen, um sie davon zu überzeugen, dass die Verfassung als oberstes Recht des Landes zu beachten ist. Erfolge sind jedoch erkennbar. So verringert sich die verbreitete Ablehnung der Grund- und Menschenrechte, die auch in der afghanischen Verfassung verankert sind, wenn die afghanischen Juristen erkennen, dass sich die meisten dieser Schutz- und Leistungsrechte mit islamischen Prinzipien vereinbaren und sich in vielen der verbleibenden Konfliktfälle pragmatische Lösungen finden lassen. Diese Überzeugungsarbeit ist von herausragender Bedeutung, denn Vertreter staatlicher Institutionen, die sich von religiösen oder ideologischen „höheren Wahrheiten“ leiten lassen, neigen dazu, Verfassung und Gesetze zu brechen.

Wichtig ist ferner die Einführung gerichtlicher Verfahren, in denen die Bürger ihre Rechtspositionen auch gegen den Staat durchsetzen können. Derartige Kontrollmechanismen fehlen in Afghanistan fast vollständig; sie entsprechen nicht der tradierten, hierarchischen Vorstellung vom Verhältnis zwischen Bürger und Obrigkeit, was aber nicht bedeutet, dass ihre Einführung unrealistisch wäre. Zum Rechtsstaat gehört aber auch die Unabhängigkeit der Justiz, von der Afghanistan noch weit entfernt ist – aber immerhin ist sie als Prinzip in der Verfassung verankert. Keines dieser Elemente steht in grundsätzlichem Widerspruch zum Islam.

Überstürzte Reformen haben nie zum Ziel geführt

Kritiker dieses formellen Rechtsstaatsbegriffs weisen zu Recht darauf hin, dass eine staatliche Ordnung mit diesen Merkmalen auch der Unterdrückung dienen könnte. Tatsächlich gibt es in Afghanistan Rechtsnormen, die mit den Menschenrechten nach westlicher Auslegung nicht vereinbar sind – etwa im Familienrecht, das Frauen die Scheidung wesentlich schwerer macht als Männern. Die Verfechter eines materiellen Rechtsstaatsbegriffs setzen sich dafür ein, auch Menschenrechte und demokratische Grundregeln durchzusetzen. Doch hier ist Vorsicht geboten. Die wohlmeinenden Berater geraten an diesem Punkt in Gefahr, der afghanischen Gesellschaft Werte aufzudrängen, die auf keine Zustimmung treffen. Viele Menschen im Land empfinden Druck in dieser Richtung als anmaßend und verlogen.

Ein Beispiel ist der Fall des Konvertiten Abdul Rahman, der sich im Exil hatte taufen lassen und vor zwei Jahren in Afghanistan wegen Abfalls vom Islam strafrechtlich verfolgt wurde. Angesichts der drohenden Todesstrafe bestürmten ausländische Regierungen und Menschenrechtsorganisationen den afghanischen Staatspräsidenten, einzugreifen und für eine Freilassung des Mannes zu sorgen. Dieselben Regierungen und Organisationen beschworen in anderem Kontext die nationale Souveränität Afghanistans, forderten von der afghanischen Regierung, endlich für Unabhängigkeit der Justiz zu sorgen – und halten es bis heute in Lagern wie Guantánamo und Bagram mit den Menschenrechten afghanischer Gefangener nicht so genau. Dieses Messen mit zweierlei Maß empfanden viele Afghanen als blanken Zynismus.

Die westlichen Regierungen sind gut beraten, sich an ihre eigenen Prinzipien zu halten und dabei die Geschichte Afghanistans nicht außer Acht zu lassen. Überstürzte Reformen haben hier nie zum Ziel geführt. Der reformorientierte Schah Amanullah, der die Koedukation einführte und Kopftücher verbieten ließ, scheiterte in den 1920er-Jahren ebenso wie die kommunistischen Führer der 1970er- und 1980er-Jahre. Stets folgten lange Phasen von Gewalt und starke Rückschritte in der Modernisierung des Landes.

Vieles lässt sich auf vorsichtigem Wege besser erreichen; die Förderung der Menschenrechte sollte vorrangig in der Zivilgesellschaft stattfinden, etwa durch die Unterstützung der afghanischen Menschenrechtskommission bei ihrer Bildungsarbeit, die auf diese Weise Reformdruck innerhalb der Gesellschaft aufbaut. Bei den Max-Planck-Seminaren werden regelmäßig Mitarbeiter der Menschenrechtskommission eingeladen, die den Richtern und Staatsanwälten ihr Mandat und ihre Arbeit am besten selbst erklären können und so Verständnis für ihr Anliegen gewinnen.

Für die Frage, wie die Hilfe für Afghanistan umgesetzt werden sollte, sind also nicht nur nahe­liegende, eher technische Aspekte wie bessere Koordinierung unter den Hilfsorganisationen wichtig. Aus Sicht der Afghanen sind Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit weitaus bedeutender. Dazu gehört auch, den Islam als eine in ihrem Wesen friedliche Reli­gion und Zivilisation ernst zu nehmen. Wer in der islamischen Welt tätig ist, darf nicht vergessen, dass kein islamischer Staat in den vergangenen zwei Jahrhunderten ein westliches Land angegriffen hat. Die meis­ten Menschheitsverbrechen, die unser politisches Bewusstsein prägen, gingen von den sogenannten entwickelten Staaten aus. Das wird gerade in Ländern wie Afghanistan nicht vergessen.

Der Autor
Dr. Tilmann J. Röder arbeitet seit 2006 am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg und leitet die Projekte in der Nahostregion und Zentralasien. Der regionale Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt derzeit auf Afghanistan und dem Irak. Zentrale Themen sind Verfassungsrecht und normativer Pluralismus.

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