Produktiv dank Zimtschnecke

7. Juni 2022

Henrik-Alexander Schubert, Doktorand am Rostocker Max-Planck-Institut für demografische Forschung, reiste nach Stockholm, eine Top-Adresse für Demografen. Er erlebte ausgelassene Feste, produktive Pausen und verrät, wo man die besten Zimtschnecken der Stadt bekommt.

Viele Menschen haben eine genaue Vorstellung davon, wie viele Kinder sie einmal haben möchten. In Deutschland sind das im Durchschnitt 1,96. Die tatsächliche Kinderzahl liegt jedoch nur bei 1,53 je Frau. Was ist der Grund für diese Differenz, und was hat einen Einfluss darauf, wie viele Kinder jemand bekommt? Mit Fragen wie diesen beschäftigen wir uns am Rostocker Max-Planck-Institut für demografische Forschung. Ich vergleiche in meiner Doktorarbeit die Fertilität bei Männern in achtzehn verschiedenen entwickelten Ländern und suche nach Faktoren, die für die Kinderzahl bestimmend sind. Dafür analysiere ich am Rechner demografische Registerdaten aus unterschiedlichen Zeitrahmen. So zeigt sich, dass nach Einschnitten wie der Finanzkrise oder der Coronapandemie die Geburtenzahl insgesamt zurückgeht, aber nur kurzfristig. Dagegen haben regionale Ungleichgewichte auf dem Partnermarkt langfristige Auswirkungen: Für Männer in ländlichen Gebieten etwa ist es oft schwierig, Partnerinnen zu finden, da viele Frauen in die Städte abwandern. Was dieses Forschungsfeld für mich so spannend macht, ist der multidisziplinäre Ansatz. Denn um die Daten richtig interpretieren zu können, braucht die Demografie immer Anknüpfungspunkte zu anderen Wissenschaften, etwa Politik oder Biologie. Jede Disziplin betrachtet ein und dieselbe Frage aus einem anderen Blickwinkel.

Weltweit gibt es nur wenige Unis und Institute mit einem Schwerpunkt auf demografischer Forschung. Neben dem Rostocker Max-Planck-Institut zählt dazu die Universität Stockholm. Sie ist aus diesem Grund auch Partnerin der International Max Planck Research School for Population, Health and Data Science, an der ich promoviere. Ich hatte Stockholm bereits während einer Reise nach dem Abitur kennengelernt und war sofort begeistert. Der Beiname „Venedig des Nordens“ trifft voll und ganz zu: Es gibt unzählige Brücken und Stege, und vom Wasser ist man nie weit entfernt. Stockholm gab den Anstoß, dass ich neben dem Studium anfing, Schwedisch zu lernen. Für jemanden mit der Muttersprache Deutsch ist das gar nicht so schwer: Viele Wörter sind ähnlich, und die schwedische Grammatik ist einfacher als die deutsche. Meine Sprachkenntnisse haben sich jedenfalls als sehr nützlich erwiesen. Dass ich mich an der Uni in Stockholm gleich wohlfühlte, lag auch daran, wie entspannt die Schweden sind. Ganz wichtig ist die Kaffeepause – auf Schwedisch fika. Statt zwischen benachbarten Büros ständig Mails hin- und herzuschicken, trifft man sich auf einen Kaffee, redet miteinander und isst einen Apfel oder eine Zimtschnecke. Danach ist man gleich wieder viel produktiver. Die besten Zimtschnecken gibt es übrigens in der Bäckerei Ingrid im Stadtteil Östermalm. Apropos Essen: Der fermentierte Dosenfisch, den die Schweden so lieben, ist, ehrlich gesagt, gar nicht mein Geschmack. Dafür bekommt man vor allem an der Küste wunderbare frische Fischgerichte!

Die Schweden sind sehr naturverbunden, und sie feiern gern! Einige Feste habe ich miterlebt. Am bekanntesten ist wohl Mittsommer, das ich gemeinsam mit Freunden ganz klassisch in einem idyllischen roten Holzhäuschen auf dem Land verbracht habe. Es gab Tanz- und Gruppenspiele, fast wie auf einem Kindergeburtstag. Im August feiern die Schweden das Krebsfest kräftskiva. Dazu trifft sich die ganze Familie an einer langen Tafel im Freien. Jeder bekommt einen Papierhut auf den Kopf. Man singt gemeinsam ein Lied, trinkt einen Schnaps und isst einen Krebs, und das immer wieder. Natürlich ist die Stimmung bald sehr ausgelassen!

Ansonsten ist die schwedische Wesensart eher ruhig und zurückhaltend. Kritik wird immer sehr höflich verpackt. Statt jemandem zu sagen, dass er einen Fehler gemacht hat, heißt es dann: „Das könntest du auch anders machen.“ Um Leute kennenzulernen, habe ich in Stockholm angefangen, Floorball zu spielen. Freunde zu finden war trotzdem nicht leicht: Meistens trifft man auf eingeschworene Gruppen und hat es schwer reinzukommen. Wenn man aber erst einmal Freundschaft geschlossen hat, dann ist die umso anhaltender.

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