"Ihre Erkenntnisse sind heute noch absolut wegweisend"

Eleni Dovrou vom Max-Planck-Institut für Chemie über eine Klimapionierin des 19. Jahrhunderts, die Naturforscherin und Frauenrechtlerin Eunice Newton Foote

Der Klimawandel ist eines der aktuell drängendsten Themen unserer Zeit. Umso überraschender ist es, dass eine Naturforscherin dem Treibhauseffekt tatsächlich schon vor zweihundert Jahren auf der Spur war: Eunice Newton Foote (1819-1888), Forscherin, Erfinderin und Frauenrechtlerin, führte 1856 Experimente zur Wechselwirkung zwischen Sonneneinstrahlung und unterschiedlichen Gasgemischen durch. Ihre Ergebnisse führten sie zu dem Schluss, dass es einen Zusammenhang zwischen der Temperatur der Erde und der Konzentration des Gases Kohlendioxid in der Atmosphäre gab. „Eine Atmosphäre dieses Gases [d.h. Kohlendioxid] würde unserer Erde eine hohe Temperatur verleihen“, vermerkt Foote in ihrer zweiseitigen Arbeit, die erst im Jahre 2010 zufällig wiederentdeckt wurde.  „Und wenn sich, wie manche annehmen, die Luft in einem bestimmten Zeitraum ihrer Geschichte zu einem größeren Anteil mit ihm vermischt hätte, hätte dies zwangsläufig zu einer erhöhten Temperatur geführt.“

 Was finden Sie an Eunice Newton Foote besonders faszinierend?

Eunice Newton Foote war Mitte des 19. Jahrhunderts eine Amateurforscherin, der es gelang, Pionierforschung zu betreiben, und das in einer Zeit, in der es Frauen im Prinzip zwar erlaubt war, in der Öffentlichkeit aufzutreten, die tatsächliche Freiheit für sie jedoch sehr begrenzt war. Foote war eine der ersten Naturforscherinnen, die ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse veröffentlichte. Ihre Arbeit als Verfechterin der Frauenrechte und als Atmosphärenforscherin ist inspirierend und faszinierend.

Sie war Mitglied des Redaktionskomitees für die erste Frauenrechtskonvention im Jahr 1848; als jedoch ihre Forschungsarbeit 1856 auf der Tagung der American Association for the Advancement of Science vorgestellt wurde, war nicht sie diejenige, die sie präsentierte, sondern ein männlicher Kollege. Als Wissenschaftlerin stellte sie ihre Forschungsarbeit in den Vordergrund, nutzte ihre Erfahrungen jedoch auch, um sich für die Gleichstellung von Männern und Frauen und für das Wahlrecht als Grundrecht einzusetzen.

Mit ihren Experimenten mit Glasröhren zur Nachahmung höherer Konzentrationen und der Auswirkungen von Wasserdampf und Kohlendioxid auf den Temperaturanstieg war sie als eine der Ersten dem Treibhauseffekt auf der Spur. Ihr Versuchsaufbau mag heutzutage einfach erscheinen – vor allem angesichts der Werkzeuge und der Technologie, die uns heute zur Verfügung stehen – und er verriet auch nicht, wie der Temperaturanstieg denn erreicht werden kann. Aber ihre Hypothese, dass erhöhte Kohlendioxidwerte in der Atmosphäre der Erde für erhöhte Temperaturen sorgen müsste, war aufschlussreich und bahnbrechend.

Wie relevant ist Footes Arbeit Ihrer Meinung nach heute für die Atmosphärenchemie?

Die Atmosphärenchemie steht in engem Zusammenhang mit dem Klimawandel, und Footes Hypothese über den Einfluss von Kohlendioxid auf die Temperatur der Erde war für die Entwicklung des Fachgebiets von entscheidender Bedeutung. Kohlendioxid ist das langlebigste Treibhausgas in der Atmosphäre und wird in der Wissenschaft eingehend untersucht. Obwohl CO2 im Vergleich zu anderen Treibhausgasen weniger Wärme pro Molekül absorbiert, ist es das am häufigsten in der Atmosphäre vorkommende Gas. Footes Arbeit war der erste Schritt zum Verständnis der wichtigsten Eigenschaften unseres Atmosphärensystems und später zum Verständnis der Wirkung eines Treibhausgases, das die Wärmestrahlung aufnimmt und nicht die gesamte Sonnenenergie ins All zurückkehren lässt, was zu einer „gefrorenen Erde“ führen würde. Darüber hinaus kombinierte sie in ihrem Versuch die Wirkung von Wasserdampf, einem weiteren bedeutenden Treibhausgas, das die Fähigkeit hat, die von der Erdoberfläche abgestrahlte Wärme in der unteren Atmosphäre zu absorbieren und anschließend in alle Richtungen abzustrahlen. Zwar konnte Foote ihre Hypothese nicht experimentell beweisen, erhielt aber erste Hinweise, und sie konnte die Bedeutung der häufigsten Gase in unserer Atmosphäre nachvollziehen.

Gegenwärtig kämpfen wir mit den unterschiedlichen Aspekten des Klimawandels und versuchen, sie vollständig zu verstehen. Zum Teil wird der Klimawandel durch den übermäßigen Ausstoß von Treibhausgasen verursacht, der den Energiehaushalt der Erde durch zusätzliche Wärmeeinlagerung verschoben hat. Die Kohlendioxidemissionen haben die Atmosphäre erheblich belastet und zu einem Temperaturanstieg geführt, genau wie Foote vermutete. Ihre Forschung ist für die aktuellen atmosphärischen Bedingungen, mit denen wir konfrontiert sind, von großer Bedeutung.

Was hat Sie dazu gebracht, Wissenschaftlerin zu werden? Was hat Ihr Interesse an Atmosphärenchemie geweckt?

Eigentlich bin ich aus Liebe zu meinem Sport zur Wissenschaft gekommen: Ich bin Beachvolleyballerin, daher habe ich die verschiedensten Strände bereist. Dabei habe ich die erhebliche Verschmutzung des Sands und des Meeres festgestellt. Ich wollte die Auswirkungen einer solchen Verschmutzung auf unsere Umwelt und die menschliche Gesundheit verstehen.  Das war für mich der Wendepunkt. Als ich mich mit der Chemie der Ozeane und der aquatischen Umwelt beschäftigte, führte mich meine Neugierde unweigerlich zu deren Wechselwirkungen mit der Atmosphäre. Das breite Spektrum an Reaktionen und Effekten sowohl in der Gas- als auch in der Wasserphase der Atmosphäre veranlasste mich, mich auf die Atmosphärenchemie zu konzentrieren. Ich bin fasziniert von den Auswirkungen der Reaktionen auf molekularer Ebene im Gleichgewicht der Erde und den Folgen für die menschliche Gesundheit.

MINT-Berufe werden immer noch von männlichen Wissenschaftlern dominiert. Der Anteil der Wissenschaftlerinnen liegt weltweit bei nur 30 Prozent. Welche Faktoren tragen Ihrer Meinung nach zu dieser Diskrepanz bei?

Es  ist leider eine Tatsache, dass Frauen nach wie vor in den naturwissenschaftlichen und technischen Fächern zu wenig präsent sind. Aber in den letzten Jahren wurden viele Anstrengungen unternommen, mehr junge Frauen für MINT zu gewinnen, die Wirkung zeigen, denn die Zahl der Wissenschaftlerinnen in diesem Bereich steigt. Für den niedrigen Frauenanteil sehe ich eine Reihe von Gründen, vor allem aber die systembedingten Barrieren für junge Frauen im Wissenschaftsbetrieb. Bei vielen Nachwuchswissenschaftlerinnen fällt der Anfang ihrer Karriere oft mit der Familiengründungsphase zusammen. Die Unterstützung für Wissenschaftlerinnen mit kleinen Kindern am Arbeitsplatz ist begrenzt. Und es gibt noch immer gesellschaftlich verankerte Rollenstereotype, wonach Männer in die Naturwissenschaften gehen, während die Frauen schon in frühen Jahren andere Berufe mit weniger Arbeitsstunden wählen. Auch der Mangel an Angeboten und eine fehlende Berührung mit MINT-Fächern spielt eine Rolle.

In den letzten zehn Jahren gab es zahlreiche Initiativen an Schulen, die dazu beitragen sollen, die Begeisterung von Kindern für MINT-Fächern zu wecken und Mädchen neue Perspektiven aufzuzeigen. Denn weibliche Vorbilder in der Wissenschaft zu schaffen, als Forscherinnen und Mentorinnen, ist wichtig, um junge Frauen und Mädchen zu inspirieren. Wir treffen oft auf ein von Männern dominiertes akademisches und wissenschaftliches Umfeld, das als die Norm dargestellt wird. Erfreulicherweise hat sich dies in der Atmosphärenchemie geändert: Immer mehr herausragende Wissenschaftlerinnen rücken in den Fokus der Aufmerksamkeit und werden zu Vorbildern und wertvollen Mentorinnen für die jüngere Generation. Es gibt auch immer mehr Mentoring-Programme für Frauen in MINT-Fächern, die ein sicheres Umfeld bieten, sich vertrauensvoll und offen beraten zu lassen und auszutauschen.

Welche Vorbilder sehen Sie für Frauen in der Wissenschaft?

Wenn ich an Frauen als Vorbilder in der Wissenschaft denke, habe ich persönlich keine bestimmte Frau vor Augen. Im Laufe der Geschichte gab es so außergewöhnliche Wissenschaftlerinnen wie Marie Curie, Rosaline Franklin und Katherine Johnson, aber auch in unserem Alltag begegnen wir inspirierenden Frauen. Für mich sind meine Kolleginnen Vorbilder, die verschiedene Aspekte in ihrem Leben vereinen. Sie sind Mütter, Sportlerinnen, Künstlerinnen und Aktivistinnen und gleichzeitig Wissenschaftlerinnen, die in Instituten, Universitäten und unabhängigen Labors forschen und mit ihren Erkenntnissen an der Entwicklung der Wissenschaft mitwirken.

Welchen Rat würden Sie jungen Frauen geben, die eine wissenschaftliche Karriere in Betracht ziehen?

Mein einziger Rat wäre, folge deinen Träumen! Gib niemals auf, die Wahrheit zu sagen und hart zu arbeiten. Es gibt keine Abkürzungen und es ist nicht einfach, aber es lohnt sich. Foote zögerte nicht, ihre Arbeit zu veröffentlichen und für Gleichberechtigung zu kämpfen. Frauen wie ihr ist es zu verdanken, dass wir nicht mehr in einem Umfeld leben, in dem Frauen unterdrückt werden und dass wir unsere Forschung frei betreiben können, jedenfalls in den meisten Regionen. Leider gibt es nach wie vor Länder, in denen dies nicht der Fall ist.

Was sollte sich Ihrer Meinung nach in den nächsten Jahren ändern, um eine größere Chancengerechtigkeit in der Wissenschaft zu erreichen?

Ich wünsche mir mehr Möglichkeiten und mehr Gleichbehandlung für Wissenschaftlerinnen. Ich bin fest davon überzeugt, dass Chancengleichheit eine Selbstverständlichkeit werden wird, wenn wir sie unseren Kindern vorleben. Ich würde mir wünschen, dass mehr Frauen über ihre Erfahrungen in der Wissenschaft sprechen, um die jüngere Generation zu inspirieren, sowohl über positive  Erfahrungen, also auch die Schwierigkeiten. Für junge Wissenschaftlerinnen, und Nachwuchswissenschaftler generell, können die vielen Hürden, mit denen sie zu kämpfen haben, entmutigend sein: und es bestärkt einen, von Vorbildern hören, die Ähnliches durchgemacht haben. Vor allem aber glaube ich, dass es von entscheidender Bedeutung ist, eine Welt zu schaffen, in der Frauen überall mit Respekt und gleichberechtigt behandelt werden.

Liebe Frau Dovrou, herzlichen Dank für das Interview!

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