Türen öffnen für mehr Chancengleichheit

Doktorandin Franziska Bröker vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik hat das Programm CaCTüS Internship für benachteiligte Studierende initiiert

Sie forscht zu menschlicher und künstlicher Intelligenz am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen und am University College London. Nebenbei beweist Franziska Bröker emotionale Intelligenz: Die
28-Jährige engagiert sich für Studierende aus dem Globalen Süden, für sie hat Bröker das Programm CaCTüS Internship initiiert.

Kurz bevor die Corona-Pandemie über die Welt kam, war Franziska Bröker in Sambia. Im Januar 2020 unterrichtete die Doktorandin des Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik im Rahmen eines Symposiums, das von ihrer ehemaligen Kollegin Renée Hartig organisiert wurde. Rund 30 Studierende der Universität Sambia arbeiteten dort mit Forschenden aus Deutschland und den USA zusammen, hörten Vorlesungen und beackerten wissenschaftliche Themenfelder. Franziska Bröker war beeindruckt von der Wissbegierde der Studierenden, die die neuen Inhalte zu innovativen Forschungsvorhaben zusammenführten – als hätten sie nur auf diese Gelegenheit gewartet. 

„Mir ist in dieser Zeit allerdings noch einmal bewusst geworden, wie sehr Studierende aus dem Globalen Süden trotz exzellenter Leistungen und hoher Motivation im Nachteil sind, international Karriere zu machen“, sagt Bröker. Das Ziel der Lerneinheit in Sambia: der wissenschaftlichen Karriere der Studierenden einen Schub versetzen, ihnen zu adäquateren Chancen in der globalen Wissenschaftsgemeinschaft verhelfen. Dieses Ziel hat Franziska Bröker mit nach Deutschland genommen und nicht mehr aus den Augen verloren.

Benachteiligten Studierenden eine internationale Karriere ermöglichen

Nach dem einwöchigen Lehraufenthalt keimte in Franziska Bröker die Idee, ein eigenes Projekt auf die Beine zu stellen, das nachhaltig zur Chancengerechtigkeit beiträgt. In Hamburg geboren, in Greifswald aufgewachsen und nun in Tübingen lebend, initiierte Bröker daher das international ausgerichtete Programm CaCTüS Internship (Computation and Cognition Tübingen Summer Internship) an ihrem Institut. Für Bröker ist der Aufbau des CaCTüS-Programms ihr bislang bei Weitem größtes Vorhaben, auch wenn sie schon viel Erfahrung mit sozialem Engagement gesammelt hat.

Schon seit Langem liegt ihr Chancengerechtigkeit am Herzen, und sie versucht ganz pragmatisch, Unterschiede im Kleinen zu nivellieren. So bot sie 2016 in London Workshops für Flüchtlinge an. Damals absolvierte sie dort ihren Master im Bereich „Computational statistics and machine learning“ am University College London und begann ihre Promotion, bevor sie ihrem Doktorvater Peter Dayan nach Tübingen folgte. Außerdem engagiert sie sich beim Programm „Talent im Land“, bei dem Schüler*innen auf dem Weg zum Schulabschluss unterstützt werden, Hürden ihrer sozialen Herkunft zu überwinden. Aber auch für andere Themen macht sich Franziska Bröker stark. Unter anderem war sie 2019 Doktorandenvertreterin und ist seit 2020 stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte an ihrem Institut. Zeitgleich meistert sie ihre Promotion, in der sie Fragen der künstlichen Intelligenz und Kognitionswissenschaften zusammenbringt.

Das CaCTüS-Programm auf die Beine zu stellen, war und bleibt ein Kraftakt. Das Pilotjahr bedeutet viel Organisation, aber auch die Klärung rechtlicher Fragen. Und eine Stelle für die Koordination des Programms muss ebenfalls geschaffen werden. Innerhalb von nur sechs Monaten gelang es Bröker, das Programm für die ersten Bewerbungen zu öffnen. „Natürlich ist es anstrengend, das parallel zur Promotion aufzubauen, aber es macht Spaß und motiviert“, sagt sie und führt weiter aus: „Das Programm ist nur möglich, weil wir überall auf Hilfsbereitschaft treffen.“ Franziska Bröker hat ein mehrköpfiges Team an ihrer Seite, welches mit viel persönlichem Engagement und dank der Unterstützung aus ihrem Institut und der Max-Planck-Gesellschaft alle Hürden aus dem Weg räumt.

Bis zum Stichtag gingen über 300 Bewerbungen ein. „Wir haben viele exzellente Bewerbungen mit beeindruckenden persönlichen Lebensläufen bekommen“, sagt Bröker. 90 Prozent der Dokumente kamen aus dem Globalen Süden, 10 Prozent aus entwickelten Nationen. „Wir freuen uns sehr, dass wir unsere Zielgruppe erreichen konnten“, betont Bröker. 

Erste Praktikantinnen und Praktikanten starten im Juli 2022 

Fünf Studierenden aus Afrika, Indien und Südostasien konnten Bröker und ihr Team die Zusage für ein bezahltes, dreimonatiges Praktikum ab Juli 2022 in Tübingen geben. Dort wird das Quintett unter Anleitung erfahrener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an individuellen Forschungsprojekten arbeiten. Neben dem Sammeln von Berufserfahrung haben die Praktikantinnen und Praktikanten die Möglichkeit, Soft-Skill-Kurse, Networking-Veranstaltungen und soziale Treffen mit anderen Forschenden zu besuchen. Sie erhalten ein monatliches Gehalt von rund 1200 Euro, das alle Kosten abdeckt.

„Unser Ziel ist“, sagt Bröker, „dass das Programm als Initialzündung wirkt und die Studierenden sich erfolgreich weiter bewerben und ihren beruflichen Weg machen.“ Wer einmal einen Fuß in der Tür habe, dem öffnen sich weitere Türen, so Bröker. Schon strebt die Wissenschaftlerin an, das Programm auf weitere Institute auszudehnen.

Text: Martin Scheele 

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