Schimpansen kombinieren Rufe zu einer Vielzahl von Lautsequenzen

Strukturierte Lautsequenzen in der Kommunikation freilebender Schimpansen geben Aufschluss über die menschliche Sprachevolution

Verglichen mit dem komplexen Sprachgebrauch des Menschen erscheint Tierkommunikation einfach. Wie sich unsere Sprache aus einem so einfachen System entwickelt haben könnte, blieb jedoch bisher ungeklärt. Nun zeichneten Forschende der Max-Planck-Institute für evolutionäre Anthropologie und Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig und des CNRS-Instituts für Kognitionswissenschaften in Bron, Lyon, Frankreich, Tausende Lautäußerungen freilebender Schimpansen in Taï (Elfenbeinküste) auf. Sie konnten nachweisen, dass die Tiere Hunderte von verschiedenen Lautsequenzen produzierten, die aus bis zu zehn unterschiedlichen Rufen bestanden. Die Reihenfolge der Rufe folgte Regeln, sie waren auf eine strukturierte Art und Weise miteinander verbunden. Ob Ähnlichkeiten zu Strukturen menschlicher Sprache bestehen und ob Schimpansen diese Sequenzen nutzen, um in ihrem komplexen sozialen Umfeld eine größere Bandbreite an Bedeutungen zu kommunizieren, wird nun in Folge erforscht.

Der Mensch ist die einzige bekannte Art auf der Erde, die Sprache verwendet. Wir tun dies, indem wir Laute zu Wörtern und Wörter zu hierarchisch strukturierten Sätzen zusammensetzen. Woher diese außergewöhnliche Fähigkeit stammt, blieb bisher ungeklärt. Um den evolutionären Ursprung der menschlichen Sprache zurückzuverfolgen, untersuchen Forschende, wie andere Tiere, insbesondere Primaten, im Vergleich zum Menschen Laute produzieren. Im Gegensatz zum Menschen verwenden nicht-menschliche Primaten häufig einzelne Rufe, die sie aber nur selten zu Lautfolgen miteinander kombinieren.

Die Lautkommunikation bei nicht-menschlichen Primaten erscheint daher viel weniger komplex zu sein als die menschliche Kommunikation. Doch die Komplexität der menschlichen Sprache ergibt sich nicht aus der Anzahl der Laute, die wir beim Sprechen verwenden – in den meisten Sprachen sind das weniger als 50 Laute – sondern aus der Art und Weise, wie wir Laute strukturiert zu Wörtern kombinieren und diese hierarchisch zu Sätzen zusammensetzen, um eine unendliche Anzahl von Bedeutungen auszudrücken. Tatsächlich verwenden auch nicht-menschliche Primaten bis zu 38 verschiedene Rufe, um zu kommunizieren, kombinieren diese aber nur selten miteinander. Struktur und Vielfalt der Lautsequenzen wurden bisher nicht ausreichend detailliert untersucht.

Forschende zeichneten Tausende von Rufen auf

Forschende der Max-Planck-Institute für evolutionäre Anthropologie und für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig sowie des Instituts für Kognitionswissenschaften des CNRS in Bron, Lyon, Frankreich, zeichneten Tausende von Rufen auf, die von den Mitgliedern dreier Gruppen freilebender Schimpansen im Taï-Nationalpark in der Elfenbeinküste erzeugt wurden. Sie identifizierten zwölf verschiedene Typen von Rufen und untersuchten, wie die Schimpansen sie zu Lautsequenzen kombinierten. „Die Beobachtung von Tieren in ihrem natürlichen sozialen und ökologischen Umfeld offenbart, wie ungeahnt komplex ihre Kommunikation ist“, sagt Erstautor Cédric Girard-Buttoz. „Die Zusammensetzung von Wörtern oder Wortgruppen zu Sätzen – die Syntax – ist ein Merkmal menschlicher Sprache. Um ihren Ursprung zu ergründen, müssen wir zunächst verstehen, wie genau die Lautäußerungen von Menschenaffen strukturiert sind“, fügt Emiliano Zaccarella, ein Hauptautor der Studie, hinzu.

Wenn Schimpansen miteinander kommunizieren, verwenden sie Hunderte von verschiedenen Sequenzen, die sich aus jeweils bis zu zehn verschiedenen Typen von Rufen aus ihrem Gesamtrepertoire zusammensetzen. In der aktuellen Studie dokumentieren die Autorinnen und Autoren diese Vielfalt erstmalig für eine nicht-menschliche Primatenart. Darüber hinaus belegen die Forschenden, dass Rufe – in Kombination mit bestimmten anderen Rufen – immer an bestimmten Positionen innerhalb der Sequenz auftreten. Das gilt auch für Sequenzen, die aus drei Typen von Rufen bestehen.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass das vokale Kommunikationssystem der Schimpansen viel komplexer und strukturierter ist als bisher angenommen“, sagt Co-Autorin Tatiana Bortolato, die die Rufe im Wald aufgezeichnet hat. „Dies ist die erste Studie im Rahmen eines größeren Projekts. Indem wir die Komplexität der Lautsequenzen freilebender Schimpansen erforschen, einer Tierart mit einem komplexen Sozialleben, ähnlich dem des Menschen, erhoffen wir uns mehr darüber zu erfahren, woher wir kommen und wie sich unsere einzigartige Sprache entwickelt hat“, sagt Catherine Crockford, eine Hauptautorin der Studie.

Zukünftig wird das Forschungsteam die Bedeutung dieser komplexen und strukturierten Lautsequenzen untersuchen und herausfinden, ob Schimpansen sich diese zunutze machen, um über eine größere Bandbreite an Themen miteinander kommunizieren zu können.

SJ/RW

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