Gruber-Kosmologiepreis für Frank Eisenhauer

Der Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik wird für die Entwicklung wegweisender Instrumente ausgezeichnet

Frank Eisenhauer vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik wird mit dem Gruber-Kosmologiepreis 2022 für die revolutionäre Entwicklung von Instrumenten ausgezeichnet, die unwiderlegbare Hinweise auf die Existenz eines schwarzen Lochs im Zentrum unserer Milchstraße gesammelt haben. Mit der Auszeichnung wird die „beispiellose und exquisite“ Präzision seiner Instrumente gewürdigt. Der Preis ist mit einer Prämie von 500.000 Dollar dotiert.

Im Jahr 2018 beobachtete das Experiment namens Gravity den Verlauf verschiedener Phänomene in der Nähe von Sagittarius A*, einem supermassereichen und unsichtbaren Objekt im Zentrum unserer Milchstraße. Dank Frank Eisenhauers technischer Innovationen fand das Gravity-Team heraus, dass die Bewegung von Sternen und Gas in der Nähe des galaktischen Zentrums mit theoretischen Vorhersagen übereinstimmt, die sich mit der Existenz eines schwarzen Lochs vereinbaren lassen. Für diese Erkenntnisse erhielt Eisenhauers Mentor und langjähriger Kollege Reinhard Genzel zusammen mit Andrea Ghez von der University of California den Nobelpreis für Physik 2020.

Gravity geht auf ein früheres Experiment zurück, bei dem Eisenhauer eine bahnbrechende Technologie für die abbildende Spektroskopie entwickelt hatte – die Messung, wie Materie die Absorption und Emission von Licht beeinflusst. Das Instrument ist ein Teil von Sinfoni, dem „Spectrograph for Integral Field Observations in the Near Infrared“ am Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte auf dem Mount Paranal in Chile. Es beinhaltet eine adaptive Optik zur Korrektur der von der turbulenten Erdatmosphäre verursachten Bildunschärfe, das unter der Leitung von Henri Bonnet entwickelt wurde. Im Jahr 2003 begann Sinfoni mit der Beobachtung von Sternen, die unter dem großen Gravitationseinfluss von Sagittarius A* ihre extrem schnellen, stark exzentrischen Bahnen ziehen.

Zwei Jahre später diskutierte die Gruppe deutscher und französischer Forscher um Frank Eisenhauer und Reinhard Genzel, Stefan Gillessen, Pierre Lena, Guy Perrin und Thibaut Paumard die Möglichkeit, ein zukünftiges Ereignis mit dem Stern S2 zu beobachten. Nachdem sie die genaue Umlaufbahn von S2 nach dessen erstem Vorbeiflug im Jahr 2002 gemessen hatten, konnten die Forschenden berechnen, dass S2 dem galaktischen Zentrum im Jahr 2018 wieder am nächsten kommen würde – bei einer Entfernung von nur 17 Lichtstunden. Durch die Kombination aller vier Acht-Meter-Teleskope des Very Large Telescope zu einem sogenannten Interferometer würde das Experiment die tausendfache Verbesserung der Empfindlichkeit gegenüber früheren Instrumenten erreichen.

Eisenhauers Entwürfe revolutionierten in der Tat mehrere Arten von Instrumenten, darunter abbildende Detektoren, Lasermesstechnik und die gleichzeitige interferometrische Beobachtung von zwei Objekten. Zu diesen Ergebnissen gehören die präzise Messung von Effekten der allgemeinen Relativitätstheorie des galaktischen schwarzen Lochs auf S2 sowie die Beobachtungen von Gas, das sich in der Nähe der letzten stabilen Umlaufbahn befindet – dem Punkt, wo es der Gravitationsanziehung von Sagittarius A* nicht mehr entgehen kann und für immer aus dem Blickfeld verschwindet. Zusammengenommen liefern diese Daten genügend Beweise, um die wissenschaftliche Gemeinschaft davon zu überzeugen, dass das Objekt tatsächlich ein schwarzes Loch ist. Dies wird auch durch das kürzlich veröffentlichte Bild von Sagittarius A* bekräftigt.

Zu den weiteren bedeutenden Beiträgen von Gravity gehört die Bestimmung der Entfernung zwischen der Sonne und dem galaktischen Zentrum zu 27.000 Lichtjahren mit einer Genauigkeit, die zehnmal höher ist als bei früheren Messungen; Astronomen nutzen diese Kalibrierung als zuverlässigen ersten Schritt um die Entwicklung des Universums auf den größten Skalen nachzuverfolgen. Zudem gelang den Forschenden mit diesem Instrument ein Test von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie unter Verwendung supermassereicher schwarzer Löcher mit der bisher höchsten Präzision.

So haben Eisenhauers technische Innovationen die Astronomie verändert - und zwar über die Untersuchung von Sagittarius A* hinaus. Astrophysikerinnen und Astrophysiker haben bereits damit begonnen, die Sinfoni- und Gravity-Instrumente einzusetzen, um entfernte Galaxien, schwarze Löcher in den Zentren naher Galaxien sowie Planeten um Sterne in unserer eigenen Galaxis zu untersuchen.

Gravity wird derzeit mit einem neuen System der adaptiven Optik, Laserleitsternen und erweitertem Gesichtsfeld aufgerüstet. Dieses Projekt mit der Bezeichnung Gravity+ soll die optische Interferometrie schon bald auf die nächste Stufe heben und dann auch den extragalaktischen Himmel für Beobachtungen mit höchster Auflösung erschließen sowie immer schärfere Bilder für die Beobachtung von Exoplaneten liefern.

Die Entwicklung von Sinfoni, Gravity und Gravity+ wurde und wird durch die großzügige Unterstützung der Max-Planck-Gesellschaft und der Max-Planck-Förderstiftung ermöglicht – einer unabhängigen, gemeinnützigen Organisation für private Förderer der Spitzenforschung in der Max-Planck-Gesellschaft.

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Frank Eisenhauer wird den mit 500.000 Dollar dotierten Preis sowie eine goldene Preisträgernadel bei einer Zeremonie am 2. August 2022 auf der XXXI. Generalversammlung der Internationalen Astronomischen Union in Busan, Korea, entgegennehmen. Zu früheren Ehrungen Eisenhauers gehören die Tycho-Brahe-Medaille der Europäischen Astronomischen Gesellschaft für seine Leitung der Sinfoni- und Gravity-Instrumente, die Stern-Gerlach-Medaille der Deutschen Physikalischen Gesellschaft für seine Pionierarbeit auf dem Gebiet der hochauflösenden Infrarotastronomie und die Jackson-Gwilt-Medaille der Royal Astronomical Society für die Entwicklung astronomischer Instrumente. Er wurde zudem in die Französische Akademie der Wissenschaften gewählt.

Das internationale Gruber-Preisprogramm ehrt Persönlichkeiten aus den Bereichen Kosmologie, Genetik und Neurowissenschaften, deren bahnbrechende Arbeiten neue Modelle liefern, die grundlegende Veränderungen in Wissen und Kultur inspirieren und ermöglichen. Die Auswahlbeiräte wählen Persönlichkeiten aus, deren Beiträge in ihrem jeweiligen Fachgebiet unser Wissen voranbringen und potenziell einen tiefgreifenden Einfluss auf unser Leben haben. Die Gruber-Stiftung wurde 1993 von dem verstorbenen Peter Gruber und seiner Frau Patricia Gruber gegründet. Die Stiftung begann ihr internationales Preisprogramm im Jahr 2000 mit dem erstmals vergebenen Kosmologiepreis.

HAE / HOR

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