Ein schwarzes Loch im Staubring

Forschende beobachten das Zentrum der aktiven Galaxie NGC 1068

Im Herzen der Galaxie NGC 1068 lauert ein gewaltiges schwarzes Loch, das sich hinter einer kosmischen Staubwolke verbirgt. Mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO) hat ein internationales Team diese supermassereiche Schwerkraftfalle entlarvt. Die Forschenden, unter anderen aus den beiden Max-Planck-Instituten für Astronomie und Radioastronomie, gewannen dabei Einblicke in die Mechanismen aktiver galaktischer Kerne, die zu den hellsten und rätselhaftesten Objekten im Universum gehören. Zudem bestätigten sie eine 30 Jahre alte Theorie.

Aktive Galaxienkerne (Active Galactic Nuclei, AGN) sind extrem energiereiche Quellen, die von supermassereichen schwarzen Löchern angetrieben werden und sich im Zentrum bestimmter Galaxien befinden. Die zentralen schwarzen Löcher werden von großen Mengen an kosmischem Staub und Gas gespeist. Im Bann der Schwerkraft bewegt sich das Material spiralförmig auf das Massemonster zu. Dabei werden enorme Energiemengen freigesetzt, die oft das Licht aller Sterne in der Galaxie buchstäblich in den Schatten stellen.

Seit der Entdeckung dieser hellen Objekte in den 1950er-Jahren rätseln die Astronominnen und Astronomen über die Prozesse, die dabei im Einzelnen ablaufen. Jetzt ist eine Gruppe um Violeta Gámez Rosas von der Universität Leiden in den Niederlanden dem Verständnis dieser AGN einen entscheidenden Schritt näher gekommen.

Das Team nutzte das Hochleistungs-Instrument Matisse am Very Large Telescope der ESO und beobachtete das Zentrum der Galaxie NGC 1068 im Sternbild Walfisch bei Infrarot-Wellenlängen im Bereich von 3 bis 12 Mikrometern. Dabei spürten die Forschenden einen dicken Ring aus kosmischem Staub und Gas auf, der ein supermassereiches schwarzes Loch verbirgt.

Diese Entdeckung ist ein wichtiger Beleg für eine 30 Jahre alte Theorie, die als Standardmodell für AGN gilt. Denn es gibt verschiedene Arten dieser aktiven galaktischen Kerne. Während einige im sichtbaren Licht hell leuchten, erscheint bei anderen wie der Galaxie NGC 1068 die Leuchtkraft im Optischen eher unterdrückt. Nach dem Standardmodell haben alle AGN trotz dieser Unterschiede dieselbe Grundstruktur: ein supermassereiches schwarzes Loch, das von einem dicken Staubring umgeben ist.

Der Unterschied im Erscheinungsbild der AGN hängt der Theorie zufolge von der Ausrichtung ab, mit der wir das schwarze Loch und seinen dicken Staubring von der Erde aus betrachten – also davon, wie stark der Ring das schwarze Loch aus unserer Sicht verdunkelt oder gar völlig verdeckt.

Im Fall der 47 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie NGC 1068 – auch bekannt unter der Bezeichnung Messier 77 oder M 77 – hatten Forschende bereits früher Beweise für das erwähnte Standardmodell gefunden, darunter die Entdeckung von warmem Staub im Zentrum. Es blieben jedoch Zweifel, ob dieser Staub ein schwarzes Loch vollständig verdecken kann und somit erklärt, warum AGN dieser Art im sichtbaren Licht weniger hell leuchten als andere.

„Die tatsächliche Natur der Staubwolken und ihre Rolle bei der Fütterung des schwarzen Lochs sowie bei der Bestimmung ihres Erscheinungsbilds von der Erde aus waren in den letzten drei Jahrzehnten zentrale Fragen“, sagt Teamleiterin Violeta Gámez Rosas. Die jetzt gewonnenen Ergebnisse könnten zu einem besseren Verständnis der Funktionsweise von AGN führen und außerdem helfen, die Geschichte unserer Milchstraße besser zu verstehen; denn in der Galaxis steckt ebenfalls ein supermassereiches schwarzes Loch, das in der Vergangenheit möglicherweise sehr aktiv war.

Mit dem Instrument Matisse gewannen die Astronominnen und Astronomen nun ein detailliertes Bild von Form und Struktur des kosmischen Staubs im Zentrum von NGC 1068: Er erscheint als dicker innerer Ring und ausgedehnte äußere Scheibe. Die Beobachtungen erlaubten es außerdem, ziemlich genau die Position des schwarzen Lochs zu bestimmen. Alles in allem unterstützen die Ergebnisse das beschriebene Standardmodell.

„Die Position des schwarzen Lochs haben wir aus der Kombination der Infrarot-Intensitätsverteilung, der erstmalig bestimmten Temperaturverteilung des Staubs sowie mithilfe von Bildern im Radiowellenbereich bestimmt“, sagt Gerd Weigelt, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn. Sein Kollege Thomas Henning, Direktor am Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie, ergänzt: „Mit Matisse konnten wir zum ersten Mal Bilder im thermischen Infrarot mit einer um den Faktor 10 höheren räumlichen Auflösung als bisher erhalten.“

Und: „Die verbesserte Leistung ist entscheidend für die Bestätigung der Annahme, dass der aktive Kern der Galaxie NGC 1068 tatsächlich von einem Staubtorus umgeben ist“, so Henning. Sein Institut war am Bau des Spektro-Interferometers maßgeblich beteiligt, und auch das Max-Planck-Institut für Radioastronomie wirkte daran mit.

Gerd Weigelt wirft einen Blick in die Zukunft: „Zukünftige Beobachtungen mit Matisse mit niedriger und zusätzlich auch hoher spektraler Auflösung werden es uns ermöglichen, die detaillierte Struktur von aktiven galaktischen Zentren bei verschiedenen wichtigen Wellenlängen zu untersuchen.“

HOR

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