Forschungsbericht 2021 - Max Planck Florida Institute for Neuroscience

Inhibitorische hippokampale Neuronen modulieren die Sequenzgenerierung während der Gedächtnisspeicherung

Autoren
Wang, Yingxue
Abteilungen
Forschungsgruppe Neuronal Mechanisms of Episodic Memory
Zusammenfassung
Alle unsere Erlebnisse formen uns zu dem, der wir sind. Aber nicht als lose Sammlung von Augenblicken bildet unser Gehirn das Gedächtnis, sondern im Hippocampus werden zusammenhängende Erinnerungsstränge angelegt. Wenn eine Maus eine Gedächtnisaufgaben ausführt oder durch den Raum navigiert, werden im Hippocampus bestimmte Gehirnzellsequenzen aktiviert, und sie werden wieder reaktiviert, sollte diese Aufgabe wiederholt werden. Unser Ziel ist, auf Schaltkreisebene zu verstehen, wie spezifische Zelltypen im Hippocampus wechselwirken, um derartige erinnerungs-relevante, neuronale Sequenzen zu bilden.

Entwicklung spezieller Verhaltensabläufe, um Gedächtnis abhängige Zellsequenzen zu aktivieren

Das episodische Gedächtnis speichert unsere persönlichen Erfahrungen. Jedoch ist wenig bekannt über die neuronalen Mechanismen, die es uns erlauben, die Vergangenheit zu speichern, die Gegenwart festzuhalten und die Zukunft vorauszuahnen. Im Gegensatz zu einer Kamera, die lose Bilder einzelner Augenblicke sammelt, organisiert das episodische Gedächtnis mittels interner Prozesse Einzelmomente zu zusammenhängenden Handlungssträngen. Im Hippocampus, einer Hirnregion, die für die Bildung des episodischen Gedächtnisses von entscheidender Bedeutung ist, werden bei einer Maus Neurone an verschiedenen Orten nacheinander aktiviert, wenn eine Umgebung durchquert wird. Dieselbe Sequenz dieser sogenannten Platzzellen wird jedes Mal aktiviert, wenn derselbe Weg wiederholt wird, so, als ob sich die Maus daran erinnern würde. Jedoch ist es schwer zu differenzieren, wie viele der sequenziellen Platzzell-Aktivitäten durch die sich bei jedem Besuch wiederholenden sensorischen Reize hervorgerufen werden.

Um diese Frage zu klären, haben wir zusammen mit weiteren Forschenden einen speziellen Forschungsansatz entwickelt, um sensorische Reize während der Gedächtnisaufgaben reversibel an- und ausschalten zu können [1]. Dieser Ansatz hat uns gezeigt, welche der neuronalen Sequenzen nicht durch äußere Sensorik, sondern durch interne Berechnungen hervorgerufen werden. Im Wesentlichen benutzen wir Versuchsräume, in denen sensorische Reize gezielt ausgeschaltet werden können. Beobachtete Änderungen neuronaler Aktivität können somit nicht auf Veränderungen äußerer Reize zurückgeführt werden.

Wir haben es geschafft, die intern generierten neuronalen Sequenzen (IGS) im Hippocampus zu isolieren. Es zeigte sich, dass die Unterdrückung dieser Sequenzen die Versuchstiere bei der Durchführung ihrer Gedächtnisaufgaben erheblich beeinträchtigte. Mit diesem Ansatz sind wir in der Lage, Schaltkreismechanismen der gedächtnisbezogenen neuronalen Sequenzen genau zu studieren.

Um exakt zu steuern, wann und wo die visuellen Reize präsentiert werden sollen, haben wir eine Virtual Reality-Anlage gebaut, mit der wir die sensorischen Einflüsse entweder einschalten oder sie unverändert lassen können, während die Maus auf dem Laufband läuft und wir die neuronale Aktivität in der CA1-Region des Hippocampus aufzeichnen ([2]; Abb. 1).

Für unsere Experimente haben wir einfache Verhaltensabläufe überlegt, um herauszufinden, welche Bedingungen intern generierte neuronale Sequenzen (IGS) erzeugen können. Wir konnten in der CA1 Region des Hippocampus keinerlei IGS beobachten, wenn die Maus beim Laufen nicht aktiv auf die Distanz aufpassen musste (Abb. 1b). Sobald wir jedoch die kognitiven Anforderungen der Aufgaben auch nur leicht erhöhten (Abb. 1c), traten IGS auf. Genauer gesagt, konnte die Maus nach Laufen einer vordefinierten Strecke durch Lecken eine Belohnung erhalten, nachdem sie eine aktive Gedächtnisaufgabe geleistet hatte (Abb. 2). Um die Belohnung zu erhalten, musste sie sich korrekt daran erinnern, wie weit sie gelaufen war. Die Beobachtung von IGS bei dieser Aufgabe unterstützt unsere Hypothese, dass IGS mit der Fähigkeit verbunden sind, Informationen von Augenblick zu Augenblick zu integrieren und somit die Gedächtniskodierung zu unterstützen.

Die Rolle inhibitorischer Interneuronen bei der Erzeugung der gedächtnisbezogenen Sequenzen

Wenn wir uns auf die Untersuchung der Mechanismen auf Schaltkreisebene von intern generierten Sequenzen (IGS) konzentrieren, beobachten wir, dass typischerweise eine Untergruppe von Pyramidenneuronen in der CA1-Region des Hippocampus an der IGS beteiligt ist. Während das Tier unter Reizgleichhaltung die Gedächtnisaufgabe absolviert, wird jedes an der IGS involvierte Neuron jeweils nach einer bestimmten zurückgelegten Distanz aktiv (Abb. 2b, 2c).

In CA1 erhalten pyramidale Neuronen Input von zwei wichtigen Erregungseingängen: einen aus der CA3-Region des Hippocampus und den anderen aus dem entorhinalen Kortex (EC). Diese Eingänge und ihre Interaktion mit den CA1-Pyramidalneuronen sind für die Gedächtniskodierung von wesentlicher Bedeutung.

Neben den Pyramidalneuronen gibt es viele verschiedene Arten von lokalen CA1-Interneuronen. Jeder Interneuron Typ beeinflusst bevorzugt spezifische Teile der Pyramidenneuronen, und jedes spielt eine unterschiedliche Rolle bei der Modulation der Interaktion zwischen CA3- und EC-Eingängen und der Regulierung der Berechnung von CA1-Pyramidenneuronen.

Aktuell interessieren wir uns besonders für einen speziellen Typ von hemmenden Neuronen im Hippocampus - Parvalbumin exprimierende (PV+) Interneuronen. Diese Neuronen können den Zellkörper von CA1-Pyramidenneuronen direkt hemmen. Infolgedessen können sie die Spike-Ausgabe der Pyramidenneuronen effizient steuern und so die Aktivität der CA1-Neuronen effektiv synchronisieren. In unseren laufenden Studien untersuchen wir die Rolle dieser PV+-Interneuronen bei der Erzeugung von IGSs und bei der Unterstützung mnemonischer Funktionen mit elektrophysiologischen Aufzeichnungen und optogenetischen Manipulation.

Literaturhinweise

Wang, Y.; Romani, S.; Lustig, B.; Leonardo, A.; Pastalkova, E.
Theta sequences are essential for internally generated hippocampal firing fields
Nature Neuroscience 18, 282-288 (2015)
Zhao, X.,; Wang, Y.; Spruston, N.; Magee, J.
Membrane potential dynamics underlying context-dependent sensory responses in the hippocampus
Nature Neuroscience 23, 881–891 (2020)
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