Jedem Max-Planck-Institut sein Biotop

Das Biodiversum am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, das am 18. Oktober eröffnet wurde, ist ein Leuchtturmprojekt für mehr Artenvielfalt

18. Oktober 2021

„Jeder Gemeinde ihr Biotop“ – das ist Peter Bertholds Leitspruch, ehemals Direktor am Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell. Angesichts des dramatischen Rückgangs von Insekten, Vögeln und vieler anderer Tiergruppen in Deutschland hat Berthold zusammen mit der Heinz-Sielmann-Stiftung mit dem Biotopverbund Bodensee gezeigt, wie ein Netz von Biotopen das Artensterben aufhalten kann. Am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen haben sich die Mitarbeitenden das Motto zu eigen gemacht und auf dem Institutsgelände das "BioDiversum" ins Leben gerufen. Mit über einem Dutzend Projekten setzen sie ein Zeichen für die Artenvielfalt. Das Biodiversum wurde am 18. Oktober 2021 offiziell eingeweiht.

„In Deutschland gibt es ja aber nicht nur Gemeinden, sondern auch Max-Planck-Institute – warum also das Motto nicht abwandeln in „Jedem Max-Planck-Institut sein Biotop“?“, dachte sich Herbert Jäckle nach einem Vortrag Bertholds beim Göttinger Literaturherbst 2018. Der emeritierte Direktor am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie und früherer Vizepräsident der Max-Planck-Gesellschaft brachte damit den Stein ins Rollen für eine umfassende Umgestaltung des Institutsgeländes im Sinne des Naturschutzes. „Und wie es sich für ein Max-Planck-Institut gehört, begleiten wir das Projekt wissenschaftlich: Damit wir den Erfolg unserer Maßnahmen überprüfen können, haben Fachleute alle Fledermaus-, Vogel-, Insekten- und Pflanzenarten rund ums Institut vor Baubeginn erfasst und werden dies auch die nächsten Jahre für uns übernehmen“, berichtet Jäckle.

Mit Biotopen wollen Forschende das Artensterben aufhalten

Das BioDiversum in Göttingen

Mit Biotopen wollen Forschende das Artensterben aufhalten
https://www.youtube.com/watch?v=8s9J4iBv7Ew

Nach zweieinhalb Jahren Bauzeit ist das Biodiversum nun weitestgehend fertig gestellt: Rund 1,65 Hektar (etwa die Fläche von 1,5 Fußballfeldern) vormals eintönige Rasenflächen wurden mit heimischen Wildpflanzen in Wiesen und Magerrasen umgewandelt, über 80 Nistkästen aufgehängt, eine ganzjährige Futterstelle für Vögel eingerichtet, Fledermauskästen angebracht, sowie ein 900 Quadratmeter großer Weiher gebaut. Als letzte große Maßnahme wird im Herbst das Pflanzen einer Streuobstwiese folgen. 

Blumenwiesen statt englischem Rasen

Die ersten Erfolge ließen nicht lange auf sich warten. „Wo früher monotones Einheitsgrün herrschte, blüht es jetzt in allen Farben. Schon nach kurzer Zeit habe ich über 100 verschiedene Insektenarten ausfindig gemacht“, sagt Alexandre Webster, Postdoc in der Abteilung Meiose am Institut. Der Molekularbiologe beobachtet und fotografiert in seiner Freizeit Insekten. Andere Mitarbeitende konnten in ihren Büros live verfolgen, wie ein Turmfalkenpärchen in einem von der institutseigenen Tischlerei gefertigten Nistkasten vier Junge aufgezogen hat.

Aber nicht nur Tiere und Pflanzen profitieren von den neuen Lebensräumen. Das Projekt bereichert auch das Institutsleben selbst. „Es ist faszinierend, wie viele Mitarbeitende am Biodiversum mitmachen. Inzwischen gibt es Arbeitsgruppen für die Pflege der Nistkästen, Blühwiesen, den Weiher sowie eine Foto & Video-AG. Der Natur- und Artenschutz ist dadurch schon nach kurzer Zeit zu einem wichtigen Identifikationsfaktor für das Institut geworden“, sagt Carmen Rotte, Pressesprecherin am Institut und Leiterin des Biodiversums. Großen Wert legten die Verantwortlichen auch darauf, durch das Biodiversum Natur erfahrbar zu machen. „Wir werden zum Beispiel den Institutskindergarten mit eigenen Projekten einbeziehen. Außerdem wollen wir im Rahmen von Projektwochen oder Facharbeiten mit Göttinger Schulen zusammenarbeiten“, ergänzt Frederik Köpper, PR-Referent und Koordinator des Projekts.

Leuchtturm auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit

Finanziert wurden die Maßnahmen zum größten Teil aus Mitteln der Max-Planck-Gesellschaft. Hinzu kamen private Spenden der AKB-Stiftung und der Göttinger Sparkasse. Dank der großzügigen finanziellen Unterstützung ist das Biodiversum in Göttingen inzwischen ein Leuchtturmprojekt auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit und Biodiversität in der Max-Planck-Gesellschaft geworden.

Lässt sich etwas Vergleichbares auch an anderen Max-Planck-Instituten umsetzen? Schließlich liegt nicht jedes Institut so günstig am Stadtrand wie das Göttinger Institut oder besitzt ein so großzügig bemessenes Institutsgelände mit reichlich unbebauten Flächen. „Es muss nicht gleich ein Biodiversum sein, es geht auch eine Nummer kleiner. Schon kleine Maßnahmen wie naturnahe Grünflächen, Nistkästen, Schutz vor Vogelschlag oder begrünte Fassaden für mehr Biodiversität kann fast jedes Institut ergreifen“, erklärt Peter Berthold.  

Wie das geht, kann man in Martinsried, Tübingen oder Freiburg sehen: Rund um die Max-Planck-Institute für Neurobiologie und Biochemie sind Grünflächen in Wiesen umgewandelt worden, ein Löschteich ist Lebensraum für Amphibien. Am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie pflegen die Mitarbeitenden eine Streuobstwiese und am Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht in Freiburg schafft eine Dachbegrünung Raum für mehr Artenvielfalt.

Aktualisiert am 18. Oktober 2021

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht