Wissenschaftler riskieren die Anzahl wildlebender Bonobos zu überschätzen

Studie warnt, dass sich das veränderte Klima im Kongobecken auf Populationsschätzungen gefährdeter Menschenaffen auswirkt

Es könnte weniger Bonobos in freier Wildbahn geben, als gedacht. In den letzten 40 Jahren haben Forschende den Bestand der gefährdeten Menschenaffenart geschätzt, indem sie die Anzahl ihrer Schlafnester zählten, die diese in den Wäldern des Kongobeckens hinterlassen. Nun berichten Forscher des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie in Konstanz, dass sich die Verfallszeit der Schlafnester in den letzten 15 Jahren um 17 Tage verlängert hat. Dies ist eine Folge der abnehmenden Niederschläge im Kongobecken. Die Studie warnt davor, dass längere Nestverfallszeiten ernsthafte Auswirkungen auf den Artenschutz haben: Werden diese Veränderungen nicht berücksichtigt, würde die Populationsdichte um bis zu 60 Prozent überschätzt, was wiederum den Erhalt dieser gefährdeten Menschenaffen in freier Wildbahn aufs Spiel setzen würde.

Bonobos (Pan paniscus) sind eine eng mit den Schimpansen verwandte Menschenaffenart, die nur in den Regenwäldern des Kongobeckens vorkommt, dem zweitgrößten Waldgebiet des Planeten, bekannt als eine der "grünen Lungen" der Erde.

Die Studie des LuiKotale Bonobo-Projekts, Teil einer laufenden Zusammenarbeit mit Forschenden der Liverpool John Moores University, des Centre for Research and Conservation und des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie, hatte zum Ziel, den Einfluss des Wetters auf die Zersetzung von Bonobo-Schlafplattformen, auch Nester genannt, zu untersuchen. Im Studiengebiet des LuiKotale Bonobo-Projekts in der Demokratischen Republik Kongo, werteten die Wissenschaftler Klimadaten und Niederschläge von 15 Jahren aus und beobachteten 1.511 Bonobo-Nester von ihrem Bau bis zum Verschwinden. "Es ist zwar bekannt, dass sich der Klimawandel Folgen für die zentralafrikanischen Regenwälder hat, aber aufgrund des Mangels an realen Daten aus dem Kongobecken wussten wir nicht, wie sich dies auf die Region und die Bonobos auswirkt", sagt Barbara Fruth, Gruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Konstanz, die Seniorautorin der Studie ist. "Unsere Studie liefert den Beweis, dass das größte Süßwasserreservoir der Welt unter dem Klimawandel leidet", sagt sie.

Umrechnung von Nest- in Individuenzahlen

Zusätzlich zu den Bonobos, hat dieser besorgniserregende Trend Bedeutung für Menschenaffen im Allgemeinen, da ihre Populationen nicht durch Zählen der Individuen, sondern ihrer Nester, die die Primaten nach einer genutzten Nacht verlassen, geschätzt werden. Zu wissen, wie schnell diese Nester verschwinden, ist für die Umrechnung von Nest- in Individuenzahlen unerlässlich. Die Ergebnisse der Studie zeigten einen stetigen Rückgang der Niederschläge über die Jahre hinweg und die Auswirkung auf die Zerfallszeiten der Bonobonester. Weniger Regen wirkte sich auf eine längere Verweildauer der Nester im Wald aus. Außerdem beobachteten die Wissenschaftler, dass Bonobos ihre Nester solider bauten, um für die zunehmend unvorhersehbaren Stürme gewappnet zu sein.

"Der Zusammenhang zwischen Nestverfall und Klimawandel ist für den Schutz aller Menschenaffen relevant, da Nestzählungen als Goldstandard für die Schätzung ihrer Populationen verwendet werden", sagt Erstautor Mattia Bessone, ein Doktorand an der Liverpool John Moores University, der an der Validierung modernster Methoden zur Bewertung bedrohter Arten arbeitet. "Da der Klimawandel sowohl den Prozess des Nestzerfalls als auch das Nestbauverhalten der Menschenaffen beeinflusst, werden die Schlafnester der Menschenaffen in den kommenden Jahren wahrscheinlich zunehmend länger sichtbar bleiben. Wir betrachten es als unabdingbar, die spezifischen Auswirkungen des Klimas auf den Nestzerfall dort zu berücksichtigen, wo Nester zur Erfassung der Dichte und Abundanz von Menschenaffen genutzt werden. Wenn wir dies nicht tun, werden Maßnahmen von globaler Bedeutung zur Erfassung gefährdeter Populationen und ihres Monitorings nicht nur ungültig, sondern können die Erhaltung der Menschenaffen in freier Wildbahn sogar gefährden, weil wir irrtümlich von stabilen Populationen ausgehen."

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