Sonnenlicht heizt die pflanzliche Evolution an

Klimawandel und Eiszeiten bescheren der Nachtkerze neue Arten

Wie entstehen eigentlich unterschiedliche Arten? Bisher weiß man, dass es in vielen Lebewesen zu einer Unvereinbarkeit zwischen dem eigentlichen Erbgut im Zellkern und dem Erbgut der Zellorganellen kommt, den Energiekraftwerken der Zelle. Diese Inkompatibilität verhindert eine Vermischung verschiedener Arten, über die genauen Mechanismen dahinter ist bisher allerdings wenig bekannt. Die Forschenden rundum Stephan Greiner am Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam gehen der Frage auf den Grund, was selbst nahverwandte Arten davon abhält sich zu kreuzen, selbst wenn sie in nächster Nähe zueinander wachsen. Sie untersuchen hierfür die Modellpflanze Nachtkerze und konnten zeigen, dass die Fotosynthese selbst, der Prozess mit dem Pflanzen aus Sonnenlicht, Kohlendioxid und Wasser Biomasse gewinnen, eine große Rolle bei der Artbildung spielt.

Pflanzen nutzen ganz unterschiedliche Wege sich fortzupflanzen. Die einen bleiben lieber „unter sich“ und betreiben Selbstbefruchtung oder vegetative Vermehrung, während andere auf Fremdbestäubung angewiesen sind und somit ihr Erbgut mit einem Partner mischen. Diese Vermischung funktioniert aber eben nicht grenzenlos. Selbst nahverwandte Arten können sich häufig nicht fortpflanzen: Sie sind inkompatibel.

Häufig liegt die Ursache der Inkompatibilität in den Genen. Jede Zelle besitzt ein Erbgut, das im Zellkern gespeichert ist. Hinzu kommen die Organellen wie Chloroplasten und Mitochondrien, die ebenfalls ein Erbgut besitzen, wenn auch um ein Vielfaches kleiner. Diese verschiedenen Genome müssen nun zusammenpassen. Stimmt dies nicht, können sich die Partner nicht kreuzen.

Die Nachtkerze nimmt es mit den Artgrenzen wiederum nicht ganz genau. Deshalb wird sie gern als Modellorganismus genutzt, um die Interaktionen zwischen Kern- und Chloroplastengenom zu untersuchen. Danijela Kozul, Miterstautorin der Studie, erklärt: „Nachtkerzen besitzen drei verschiedene Kerngenome (AA, BB, CC), außerdem haben sich entsprechende Mischungen (AB, AC, BC) herausgebildet. Das Ganze wird kombiniert mit fünf Chloroplastengenomvarianten (I–V). Die Kompatibilität zwischen den verschiedenen 30 möglichen Varianten variiert stark.“ Passen diese Varianten nicht zusammen, sind die Nachkommen meist lebensfähig, weisen aber eine sogenannte Plastom-Genom-Inkompatibilität auf. Diese zeigt sich darin, dass ihre Blätter gebleicht sind, da die Chloroplasten, in denen die Fotosynthese stattfindet, gestört sind.

Das Team um Greiner schlussfolgert: Das Merkmal, dass zur Artbildung beiträgt, ist die Fotosynthese. „Sie unterliegt einer starken Selektion unter sich wechselnden Umweltbedingungen“, erklärt Arkadiusz Zupok, einer der Erstautoren der Studie. „Bereits im Pleistozän haben sich die verschiedenen Genomvarianten durch Klimawandel und Eiszeiten gebildet. Nur wenige natürliche Varianten haben sich dabei durchgesetzt, alle anderen Genomkombinationen weisen die Plastom-Genom-Inkompatibilität mit gebleichten Blättern auf."

Lichtabhängige Fehlregulation von Chloroplastengenen

In ihrer Studie haben die Forschenden eine inkompatible Hybride der Nachtkerze genauer untersucht, die unter erhöhten Lichtverhältnissen gelbgrüne Blätter aufweist. Sie fanden heraus, dass die Ursache der Inkompatibilität eine lichtabhängige Fehlregulation bestimmter Chloroplastengene ist. Normalerweise würden angepasste Pflanzen ihren Chlorophyllgehalt erhöhen und zusätzlich vermehrt schützende Komponenten des Photosystems bilden. Beides kann die Hybride nicht.

„Wir konnten zeigen, dass die Anpassung an hohes Licht durch das Genom des Chloroplasten vermittelt wird“, erklärt Zupok. „In unseren Untersuchungen verglichen wir 46 Chloroplastengenome der verschiedenen, natürlich vorkommenden Nachtkerzen-Arten. Sind diese mit dem Zellkern der falschen Nachtkerzenart kombiniert, können sie sich nicht an erhöhtes Licht anpassen. Mit dem richtigen Zellkern jedoch findest eine Anpassung statt, aber selbst hier gibt es Unterschiede. Je nach Chloroplastengenom passt sich eine bestimme Nachtkerze besser oder schlechter an hohes Licht an.“ „Für die Pflanzenzucht eröffnen sich hier ganz neue Wege“, führt Stephan Greiner weiter aus. „Bis jetzt hatte man das Chloroplastengenome in der Pflanzenzucht nicht auf dem Schirm. Es scheint aber Chloroplasten zu geben, die Pflanzen unter bestimmten Umweltbedingungen helfen besser zu wachsen.“

Im nächsten Schritt ihrer Untersuchung wollen sich die Forschenden das Kerngenom genauer ansehen. Sie haben auch schon einen möglichen Verantwortlichen identifiziert – sogenannte Sigmafaktoren. Diese Proteine sind für den Start des Ableseprozesses eines Gens notwendig, damit das entsprechende Produkt gebildet werden kann, für das ein Gen kodiert. Sie regulieren die Transkription, also den Ableseprozess der Gene im Chloroplasten, als Reaktion auf Lichtqualität und -menge. Auch von anderen Pflanzen gibt es Hinweise, dass Artbildung über Sigmafaktoren ein allgemeingültiges Prinzip der Pflanzenevolution sein könnten. So wollen die Forschenden weiter testen, in wie weit diese Sigmafaktoren in der Pflanzenzucht eingesetzt werden könnten.

UG

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