Den Zugvögeln hinterher

Die Biologin Anna Proß, Doktorandin am MPI für Ornithologie in Seewiesen, interessiert sich für das Gesangsverhalten von Nachtigallen. Sie will die zugrunde liegenden neuronalen Vorgänge besser verstehen. Für ihre Forschung folgte sie den Zugvögeln nach Ghana in Afrika. Ein Bericht über frühes Aufstehen, Sonnenaufgänge, tierische Begegnungen, kulinarische Offenbarungen und afrikanische Gastfreundschaft. 

In meiner Forschung beschäftige ich mich mit der Frage, wie Kommunikation funktioniert und welche neuronalen Prozesse dabei eine Rolle spielen. Dazu studiere ich das Gesangsverhalten von Nachtigallenmännchen. Die Tiere versuchen, sich mit ihren Gesängen gegenseitig zu überbieten – meist mit dem Ziel, ihr Territorium zu verteidigen oder ein Weibchen zu bezirzen. Je nach Alter haben die Männchen bis zu 200 verschiedene Strophen in ihrem Repertoire und können diese auch beliebig kombinieren. Dabei sind die Vögel in der Lage, ihren Gesang spontan an die Strophe eines Kontrahenten anzupassen. Mit dieser Eigenschaft ähneln sie uns Menschen. Schließlich ist es für uns kein Problem, in Gesprächen spontan zu reagieren.

Nachtigallen gehören zu den Zugvögeln. Im Frühling brüten sie in Deutschland, etwa in Brandenburg, und im Herbst fliegen sie in wärmere Gefilde – unter anderem nach Ghana. Nachdem ich ihr Gesangsverhalten bereits während der Brutsaison studiert hatte, wollte ich nun untersuchen, wie die Vögel im Winter kommunizieren. Anfang November machte ich mich also – zusammen mit der Leiterin meiner Forschungsgruppe, Daniela Vallentin, und einem weiteren Doktoranden – auf den Weg nach Accra. 

Der frühe Vogel fängt den Wurm? Umgemünzt auf meinen Forschungsaufenthalt müsste das Sprichwort eher lauten: „Die frühe Wissenschaftlerin hört die Nachtigall.“ Da die Vögel besonders in der Dämmerung aktiv sind, mussten wir oft schon um vier Uhr morgens aufbrechen, um bei Sonnenaufgang am anvisierten Ort zu sein. Meist waren unsere Ziele Nationalparks, die in normalen Zeiten von Touristen frequentiert werden, aufgrund der Corona-Pandemie aber beinahe leer waren. So konnten wir uns in aller Ruhe auf die Lauer legen.

Hält man sich in der Dämmerung in ­Nationalparks auf, kommen einem auch andere Tiere vor das Fernglas. So sahen wir neben allerlei farbenfrohen Vögeln beispielsweise Antilopen oder Affen; in einer Höhle war die Decke voller Fledermäuse, und einmal erblickten wir aus sicherer Entfernung eine Gruppe Krokodile. Die gefährlichste Begegnung hatten wir allerdings mit einer Schlange: Wir liefen gerade durch den Regenwald, als wir im Busch etwas rascheln hörten. Und dann sahen wir sie: eine Grüne Mamba, eine der giftigsten Schlangen Westafrikas – und gerade mal zwei Meter entfernt! Allerdings schien die Mamba mindestens so viel Respekt vor uns zu haben wie wir vor ihr, denn noch bevor unser Guide reagieren konnte, ergriff sie die Flucht.

Die Corona-Pandemie beeinträchtigte unseren Aufenthalt kaum, da wir an abgelegenen Orten unterwegs waren und größere Menschenansammlungen mieden. Auch in den Hotels waren wir oftmals die einzigen Gäste, weshalb sich die Aufmerksamkeit der Betreiber auf uns konzentrierte. So bekamen wir einmal ein traditionelles Trommelkonzert dargeboten, während wir fantastischen Fisch aßen.

Überhaupt war die Reise in kulinarischer Hinsicht eine Offenbarung. Besonders begeistert war ich von Kochbananen, die in ihrer Konsistenz Kartoffeln ähneln und – gekocht, gebraten oder frittiert – Bestandteil fast jeder Mahlzeit sind. Ich habe mich bereits erkundigt, wo ich in München Kochbananen kaufen kann, und habe fest vor, sie in meine Küche zu integrieren. Ansonsten gibt es in Ghana viele Suppen oder Eintöpfe, die zwar sehr lecker, aber oft auch sehr scharf sind. Als Snack für zwischendurch findet man an jeder Ecke eine große Auswahl an frischen Früchten wie Ananas, Papaya oder Kokosnuss.

Einmal machten wir Rast in einem abgelegenen Dorf, das an eine Kakaoplantage grenzte. Die Bewohner hießen uns herzlich willkommen und ließen es sich nicht nehmen, uns die Plantage zu zeigen. Es war gerade Erntezeit, und so lernten wir, wie man die etwa 30 Zentimeter großen Kakaofrüchte öffnet, wie man die einzelnen Kakaobohnen aus dem geleeartigen Fruchtfleisch löst und dann trocknet. Es versteht sich von selbst, dass wir auch probieren durften.

Diese Begegnung steht stellvertretend für die umwerfende Gastfreundschaft, die wir während unserer Zeit in Ghana immer wieder erfuhren. Neben faszinierenden Landschaften, einer schillernden Flora und Fauna und zahlreichen kulinarischen Highlights gibt es noch viele andere gute Gründe, dem Land einen Besuch abzustatten. Für mich jedenfalls steht fest: Ich werde so bald wie möglich zurückkommen.

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