Vielversprechende Kandidaten für Corona-Medikamente

Zwei der potenziellen Wirkstoffe werden in präklinischen Studien untersucht

14. April 2021

Ein internationales Team, dem auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie Göttingen angehören, hat mithilfe der Röntgenlichtquelle PETRA III des Deutschen Elektronen-Synchrotrons (DESY) mehrere Kandidaten für Wirkstoffe gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 identifiziert. Darunter sind auch zwei vielversprechende Substanzen, die zurzeit in präklinischen Studien untersucht werden. Zudem entdeckte das Forschungsteam eine neue Bindungsstelle am Virus, an der Medikamente ankoppeln können.

Im Gegensatz zu Impfstoffen, die gesunden Menschen bei der Abwehr des Virus helfen, werden in der Wirkstoffforschung Medikamente gesucht, die bei erkrankten Personen die Vermehrung des Virus im Körper bremsen oder stoppen. Ein vielversprechender Ansatzpunkt hierfür ist ein wichtiges Protein von Sars-CoV-2, die sogenannte Hauptprotease. Sie zerschneidet Proteinketten, die die Wirtszelle nach dem Bauplan des Viruserbguts herstellt, in kleinere Teile. Diese nutzt der Erreger, um sich zu vermehren. Gelänge es, diese Hauptprotease zu blockieren, ließe sich der Vermehrungszyklus des Virus möglicherweise unterbrechen.

In einem sogenannten Röntgenscreening testeten die Forschenden unter Federführung des DESY in kurzer Zeit fast 6000 bereits für die Behandlung anderer Krankheiten existierende Wirkstoffe. Dafür untersuchten sie rund 7000 Proben, die aus mehreren Wirkstoffdatenbanken stammten. 

37 Wirkstoffe identifiziert

„Mithilfe eines Hochdurchsatzverfahrens haben wir insgesamt 37 Wirkstoffe finden können, die eine Bindung mit der Hauptprotease eingehen“, sagt Alke Meents vom DESY, der die Experimente initiierte. In einem nächsten Schritt untersuchten die Forscherinnen und Forscher am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, ob diese Wirkstoffe in Zellkulturen die Virusvermehrung hemmen oder gar verhindern, und wie verträglich sie für die Wirtszellen sind.

Wie sie herausfanden, hemmen sieben Substanzen die Tätigkeit des Proteins und bremsen so die Vermehrung des Virus. Zwei von ihnen sind dabei so wirksam, dass sie zurzeit in präklinischen Studien weiter untersucht werden. „Die Wirkstoffe Calpeptin und Pelitinib zeigten die deutlich höchste Antiviralität bei guter Zellverträglichkeit. Unsere Kooperationspartner haben daher bereits präklinische Untersuchungen mit diesen beiden Wirkstoffen begonnen“, erklärt DESY-Forscher Sebastian Günther, Erstautor der jetzt veröffentlichten Arbeit. 

Die bei diesen Experimenten eingesetzte DESY-Strahlführung P11 sowie die EMBL-Strahlführungen P13 und P14 an der DESY-Forschungslichtquelle PETRA III sind auf strukturbiologische Untersuchungen spezialisiert und erlauben es, die dreidimensionale räumliche Struktur von Proteinen atomgenau darzustellen. „Wir haben uns zuerst angeschaut, ob und wie die Wirkstoffe an die Hauptprotease ‚andocken‘ “, erklärt Arwen Pearson, Professorin für Biophysik an der Universität Hamburg. Durch den vollautomatischen Probenwechsel an den PETRA III-Stationen dauerte jede der mehr als 7000 Messungen nur etwa drei Minuten.

Neue Bindungsstelle an der Hauptprotease entdeckt

In ihrem Wirkstoffscreening untersuchten die Forschenden nicht wie üblich Fragmente potenzieller Wirkstoffe, sondern vollständige Moleküle. Dabei entdeckte das Team bestehend aus mehr als 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch etwas komplett Unerwartetes: Es fand eine Bindungsstelle an der Hauptprotease, die bis dahin noch völlig unbekannt war und nun genutzt werden kann. „Es war nicht nur eine positive Überraschung, dass wir eine neue Bindestelle für Medikamente an der Hauptprotease entdecken konnten, sondern dass sogar einer der beiden heißen Wirkstoffkandidaten genau an diese Stelle bindet“, sagt Christian Betzel von der Universität Hamburg.

„Vom Ausbruch der Pandemie bis zum Auffinden der ersten Wirkstoffkandidaten, die dann in Zellkulturen validiert werden konnten, vergingen nur drei bis vier Monate. Dies war nur wegen der Kooperation vieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit unterschiedlichsten Expertisen möglich“, betont Ashwin Chari, Forschungsgruppenleiter des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie.

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