Magnetfelder am Rand eines schwarzen Lochs

Beobachtungen mit dem Event Horizon Telescope zeigen die polarisierte Radiostrahlung im Herzen der Galaxie M 87

Mit dem Event Horizon Telescope haben Astronomen zum ersten Mal die Signatur von Magnetfeldern am Rand eines schwarzen Lochs gemessen. Das Bild dieses Massemonsters in der Galaxie M 87 ging im April 2019 um die Welt. Jetzt haben die Forschenden, unter anderem aus dem Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie, die Daten weiter ausgewertet. Die dabei gewonnene Abbildung zeigt den Verlauf der magnetischen Feldlinien in unmittelbarer Umgebung des schwarzen Lochs. Diese Region ist vor allem deshalb interessant, weil aus ihr ein energiereicher Jet entspringt, ein mehrere Zehntausend Lichtjahre langer Gasstrom. Die Beobachtungen sollen helfen, den Mechanismus dahinter aufzuklären.

Am 10. April 2019 wurde das erste Bild eines schwarzen Lochs veröffentlicht, das eine helle, ringförmige Struktur mit einer dunklen zentralen Region – dem Schatten – zeigt. Die Daten hatten die rund um den Globus verteilten Antennen des Event Horizon Telescope (EHT) während einer Messkampagne zwei Jahre zuvor gesammelt. Die Mitglieder der EHT-Kollaboration begnügten sich jedoch nicht mit dem einen Bild, sondern analysierten die Daten weiter.

Dabei entdeckten die Forschenden, dass ein signifikanter Anteil der Radiostrahlung um das supermassereiche schwarze Loch im Herzen der 55 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie M 87 polarisiert ist. „Die Polarisation des Lichts trägt Informationen, die es uns ermöglichen, die Physik hinter dem Bild vom April 2019 besser zu verstehen“, sagt Monika Mościbrodzka, Koordinatorin der EHT-Arbeitsgruppe für Polarimetrie und Assistenzprofessorin an der Radboud-Universität in den Niederlanden.

Elektromagnetische Strahlung wird polarisiert, wenn sie durch bestimmte Filter geht, etwa bei den Gläsern einer polarisierten Sonnenbrille oder den Linsen einer Kamera. Dabei werden Reflexionen, Spiegelungen und Blendungen auf hellen Oberflächen reduziert; dadurch erscheint das Bild klarer. Auch im Weltall tritt polarisierte Strahlung auf und hilft den Astronomen, den Blick auf ein Objekt zu schärfen. Im Fall des schwarzen Lochs wurde die Polarisation des Lichts beobachtet, das die umgebende Gasscheibe abstrahlt. Auf diese Weise ließ sich der Verlauf der Magnetfeldlinien am inneren Rand der Schwerkraftfalle kartieren.

„Das Wissen über die Stärke des Magnetfelds und seine Struktur auf der Größenskala des Ereignishorizonts ist der Schlüssel zum Verständnis dafür, wie Materie der Schwerkraft des schwarzen Lochs entkommt und der Jet dort seinen Ausgang nimmt“, sagt Alan Roy vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie. Der helle Strahl aus Energie und Materie, der aus dem Kern von M87 austritt und sich mindestens bis 100.000 Lichtjahre von seinem Zentrum entfernt erstreckt, ist einer der geheimnisvollsten und energiereichsten Bestandteile dieser Riesengalaxie. Die meiste Materie, die sich nahe am Rand eines schwarzen Lochs befindet, fällt hinein. Einige der umgebenden Teilchen entkommen jedoch kurz vor dem Einfangen und werden in Form eines Jets weit ins All hinausgeblasen.

Was passiert bei diesem Prozess im Detail? Mithilfe unterschiedlicher Modellannahmen wollen die Astronomen besser verstehen, wie sich die Materie in der Nähe des schwarzen Lochs verhält. Aber sie wissen nach wie vor nicht genau, wie ein Jet größer als die gesamte Galaxie aus einer sehr kompakten Region im Zentrum gestartet wird – aus einem Bereich mit vergleichbarer Ausdehnung unseres Sonnensystems.

Dank des neuen EHT-Bildes in polarisiertem Licht ist es nun erstmals gelungen, eine Schlüsselaufnahme des Startmechanismus in den Größenordnungen zu erhalten, in denen sich der Jet bildet. Um die sehr kompakte Quellregion des Jets im Herzen der Galaxie M 87 zu beobachten, verband die EHT-Kollaboration acht über den Globus verteilte Teleskope, darunter APEX in Chile und das 30-Meter-IRAM-Teleskop am Pico Veleta in Spanien, zu einem virtuellen Teleskop von Erdgröße.

Mit dem vom EHT erzielten Auflösungsvermögen von nur 20 Mikro-Bogensekunden könnte man von der Erde aus einen Tennisball auf der Mondoberfläche erkennen. Dies ermöglichte dem Team die direkte Beobachtung des Schattens des schwarzen Lochs und der umgebenden hellen Scheibe. Deren polarisierte Strahlung zeigt deutlich, dass sie magnetisiert ist.

Um das herauszufinden, wurden die Daten an zwei speziellen Hochleistungsrechnern, sogenannten Korrelatoren, zusammengeführt und verarbeitet. Einer dieser Rechner steht im Max-Planck-Institut für Radioastronomie, der andere im Haystack Observatory in den USA. Die Forschenden erstellten 120 verschiedene numerische Modelle zum Verhalten von Materie in der Nähe eines supermassereichen schwarzen Lochs und erhielten 72.000 Schnappschüsse, die sie mit dem beobachteten Bild verglichen.

Auf diese Weise fand die Kollaboration heraus, dass nur 73 dieser Schnappschüsse – entsprechend 15 Modellen – die gesammelten Daten hinreichend erklären konnten. Alle diese 15 Modelle gehen davon aus, dass es um das schwarze Loch herum Magnetfelder von hoher Intensität gibt. Diese sind offenbar der Schlüssel zum Start des Jets.

„Das EHT ist eine fantastische Einrichtung, um die Gesetze der Physik in einer Region mit extremer Schwerkraft zu testen. Es gibt uns die einzigartige Möglichkeit, Phänomene anzugehen, die wir vorher nie untersucht haben“, sagt J. Anton Zensus, Gründungsvorsitzender der EHT-Kollaboration und Direktor am Bonner Max-Planck-Institut. „Die zukünftigen Beobachtungen werden weitere Informationen über die mysteriöse Region nahe des Ereignishorizonts von supermassereichen schwarzen Löchern offenbaren.“

NJ / HOR

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