Blaupause für ein Fusionskraftwerk

Am 21. März 1991 erzeugte die Experimentieranlage Asdex Upgrade am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching das erste Plasma

Seit 30 Jahren bereitet Asdex Upgrade den Weg für ein Fusionskraftwerk, das klimaneutral Energie erzeugt. Immer wieder wurde die Tokamak-Fusionsanlage in dieser Zeit ausgebaut und verbessert. Nicht zuletzt deshalb liefert sie zahlreiche Erkenntnisse, die in das Design und den Betrieb anderer Fusionsanlagen einfließen. So hat das Asdex Upgrade-Team Szenarien für den Betrieb der Versuchsanlagen Jet in Großbritannien und Iter in Frankreich entwickelt sowie Vorhersagen für ein geplantes Demonstrationskraftwerk erarbeitet. Ein ab Mitte 2022 geplanter Umbau soll die Anlage für die Zukunft rüsten.

Ziel der Fusionsforschung ist es, ein klima- und umweltfreundliches Kraftwerk zu entwickeln. Ähnlich wie die Sonne soll es Energie aus der Verschmelzung von Atomkernen gewinnen. Der Brennstoff hierfür ist ein extrem dünnes, ionisiertes Wasserstoff-Gas, ein Plasma. Zum Zünden des Fusionsfeuers muss das Plasma nahezu berührungsfrei in Magnetfeldern eingeschlossen und auf hohe Temperatur über 100 Millionen Grad aufgeheizt werden.

Um die Wechselwirkung zwischen dem heißen Brennstoff und den umgebenden Wänden zu regulieren, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik Asdex Upgrade mit einem besonderen Bauteil ausgerüstet: einem Divertor. Er gab der Anlage ihren Namen: Axialsymmetrisches Divertor-Experiment. Durch ein zusätzliches Magnetfeld, das Divertor-Feld, entfernt das Bauteil Verunreinigungen aus dem Plasma und verbessert dessen Wärmeisolation.

Im Unterschied zum Vorgänger Asdex sind bei Asdex Upgrade jedoch der Divertor sowie wichtige Eigenschaften des Plasmas, vor allem die Dichte und die Belastung der Wände, stärker den Verhältnissen in einem späteren Kraftwerk angepasst. Ausgerüstet mit einer leistungsstarken Plasmaheizung und einer Vielzahl ausgefeilter Messapparaturen zum Beobachten des Plasmas lassen sich mit Asdex Upgrade daher Betriebsweisen für ein potentielles Kraftwerk entwickeln. In bis heute 38.700 Plasmaentladungen beantwortete die Anlage wesentliche Forschungsfragen für das europäische Gemeinschaftsexperiment Jet, den internationalen Experimentalreaktor Iter und ein geplantes Demonstrationskraftwerk.

Eine Wolfram-Wand für das Plasmagefäß

Einen wesentlichen Schritt hin zu einem künftigen Fusionskraftwerk machten die Forschenden mit Asdex Upgrade, als sie die Wand des Plasmagefäßes mit Wolfram statt Kohlenstoff verkleideten. Letzterer hat für experimentelle Anlagen große Vorteile, ist jedoch für den Betrieb eines Kraftwerks ungeeignet, weil er vom Plasma zu stark abgetragen wird und zu viel Brennstoff an sich bindet. Wolfram ist wegen seines hohen Schmelzpunkts zwar prinzipiell gut als Wandmaterial geeignet. Aber das Plasma kühlt sich selbst durch kleinste Verunreinigungen mit Wolframatomen, die immer wieder aus der Wand gelöst werden, schnell ab. Mit vielen Experimenten hat das Asdex Upgrade-Team dieses Problem in den Griff bekommen.

Direkte Konsequenzen dieses Erfolgs: In einem größeren Umbau erhielt das europäische Gemeinschaftsexperiment Jet 2011 einen Wolfram-Divertor. Der internationale Experimentalreaktor Iter entschied, auf die zunächst geplanten Experimente mit einem Kohlenstoff-Divertor zu verzichten und gleich auf Wolfram zu setzen. Für das Demonstrationskraftwerk ist Wolfram das Referenzmaterial.

Das Einblasen von Wasserstoff vermeidet Instabilitäten

In der Wechselwirkung der geladenen Plasmateilchen mit dem einschließenden Magnetfeld können unterschiedlichste Störungen des Plasmaeinschlusses auftreten. Dazu gehören Instabilitäten am Plasmarand, sogenannte ELMs (Edge Localized Modes). Dabei verliert das Randplasma kurzzeitig seinen Einschluss und wirft periodisch Plasmateilchen und -energie nach außen auf die Gefäßwände. Während mittelgroße Anlagen wie Asdex Upgrade dies verkraften, könnte der Divertor in Großanlagen wie Iter überlastet werden.

Zur Lösung dieses Problems wurden an Asdex Upgrade Verfahren erarbeitet, die Instabilitäten zu verhindern: 16 kleine Magnetspulen im Plasmagefäß unterdrücken die Instabilität mit ihren Feldern komplett. Eine zweite Methode setzt ganz am äußersten Plasmarand an. Gelingt es, hier – über das Magnetfeld – die richtige Plasmaform einzustellen und zugleich – durch Einblasen von Wasserstoff – für eine genügend hohe Teilchendichte zu sorgen, dann können sich ELMs nicht entwickeln.

Den Dauerbetrieb gewährleisten

Fusionsanlagen vom Typ Tokamak – wie Asdex Upgrade, Jet oder Iter – bauen den magnetischen Käfig mit zwei sich überlagernden Magnetfeldern auf: mit einem ringförmigen Feld, erzeugt durch äußere Magnetspulen, sowie dem Feld eines im Plasma fließenden Stroms. Durch die Kombination der Magnetfelder werden die Feldlinien so verdrillt, dass sie das Plasma einschließen. Der Plasmastrom wird normalerweise pulsweise durch eine Transformatorspule im Plasma induziert. Anders als die komplizierter gebauten Stellaratoren arbeitet die gesamte Anlage daher in Pulsen – ein Manko der Tokamaks.

Deshalb untersuchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik verschiedene Methoden, den Strom im Plasma kontinuierlich zu erzeugen, indem sie zum Beispiel Hochfrequenzwellen einstrahlen oder Teilchenstrahlen einschießen, die einen zusätzlichen Strom im Plasma antreiben. So gelang es ihnen, die Anlage nahezu ohne Transformator zu betreiben und zwar erstmals in einer Maschine mit praxisrelevanter metallischer Innenwand. Wäre Asdex Upgrade nicht mit normalleitenden Kupferspulen, sondern, wie Iter, mit supraleitenden Magnetspulen ausgerüstet, hätte diese Phase länger ausgedehnt werden können – potentiell bis hin zum Dauerbetrieb.

Dies passiert als Nächstes

Während der 30 Betriebsjahre von Asdex Upgrade wurde die Divertor-Form mehrfach geändert und optimiert. Hier will man nun einen weiteren Schritt gehen und ein neues Divertor-Konzept testen: Zwei zusätzliche Magnetspulen an der Decke des Plasmagefäßes sollen das Divertor-Feld so auffächern, dass sich die Leistung aus dem Plasma auf eine größere Fläche verteilt. Die Montage der Spulen soll Mitte 2022 beginnen. Solche Erweiterungen ermöglichen am Garchinger Tokamak auch künftig Untersuchungen, die Probleme eines künftigen Demonstrationskraftwerks lösen. „In vielerlei Hinsicht kann Asdex Upgrade als ‚Blaupause‘ für ein Tokamak-Fusionskraftwerk angesehen werden“, sagt Projektleiter Arne Kallenbach. „Die in 30 Jahren erarbeiteten Muster-Entladungen liefern zusammen mit neu entwickelten Computercodes verlässliche Informationen für ein Kraftwerk“.

IM/BA/PH

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