Forschungsbericht 2020 - Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, Teilinstitut Greifswald

Wendelstein 7-X: Komplettierung und Vorbereitung der nächsten Experimentkampagne

Autoren
Bosch, Hans-Stephan
Abteilungen
Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, Teilinstitut Greifswald, Wendelstein 7-X Betrieb
Zusammenfassung
Die Fusionsanlage Wendelstein 7-X, ein optimierter Stellarator, der seit Dezember 2015 im IPP in Greifswald arbeitet, wird schrittweise in Betrieb genommen. Wurde das Plasma in den ersten beiden Experimentierphasen zunächst durch einen materiellen Limiter und dann auf magnetische Weise mit einem ungekühlten Divertor nach außen begrenzt, wird zurzeit eine Wasserkühlung eingebaut. Sie soll in Wendelstein 7-X halbstundenlange Plasmaentladungen bei hoher Heizleistung möglich machen.

Seit Dezember 2015 betreiben wir in Greifswald den supraleitenden, optimierten Stellarator Wendelstein 7-X. Die ersten drei Experimentierphasen waren höchst erfolgreich: Unter anderem konnten wir bereits den Stellarator-Weltrekord für das sogenannte Tripelprodukt aus Temperatur, Dichte und Einschlusszeit aufstellen [1]. Es gilt als Maß für die Relevanz von Fusionsexperimenten.

Allerdings ist Wendelstein 7-X noch nicht komplett, sondern wird in mehreren Schritten in Betrieb genommen: In der ersten Phase ab Dezember 2015 wurde das Plasma durch eine materielle Blende, einen Limiter, nach außen begrenzt. Das erlaubte es bereits, die guten Eigenschaften der Anlage zu studieren, allerdings nur für die kurze Zeit von etwa einer Sekunde. In den Jahren 2017/18 haben wir das heiße Plasma magnetisch begrenzt, durch einen sogenannten Divertor (Abbildung 1).

Im Inneren der roten Linie ist das Plasma auf magnetischen Flussflächen eingeschlossen, die sich in dieser Projektion als ineinander verschachtelte blaue, geschlossene Kurven zeigen. Außerhalb der roten Linie, genannt Separatrix, erkennt man am Plasmarand fünf magnetische „Inseln“ (gelb), die auf Platten an der Wand des Plasmagefäßes treffen. Das Plasma kann über die Separatrix in die Inseln driften und wird von dort auf die Divertorplatten „divertiert“ (abgelenkt). Mit Hilfe dieses Divertors findet die Wechselwirkung des heißen Plasmas mit den materiellen Wänden getrennt und weit entfernt vom magnetisch eingeschlossenen Plasmainneren statt.

Ein solcher Divertor, der erstmals Anfang der 1980er Jahre erfolgreich am Tokamak ASDEX im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching eingesetzt wurde, ist heute Standard in allen Fusionsanlagen. Im Gegensatz zu Tokamaks, deren Divertor axialsymmetrisch ist, ist er bei Stellaratoren unsymmetrisch und daher dreidimensional. In Wendelstein 7-X haben wir zehn separate Divertormodule, jeweils eines unten und eines oben in jedem der fünf Module, aus denen die Anlage aufgebaut ist [2].

Der in der zweiten Experimentierphase eingesetzte Divertor war mit Kohlenstoffplatten belegt. Er besaß noch keine aktive Kühlung, was die Plasmadauer auf einige zehn Sekunden beschränkte. Zwischen den Plasmaentladungen kühlten sich die Platten durch optische Strahlung wieder ab. Wegen dieser zeitlich begrenzten Leistungsaufnahme waren stationäre Plasmen nicht möglich. In dieser Phase haben wir grundlegende Studien durchgeführt und viele wichtige physikalische Aspekte untersucht – aber das war nur ein Zwischenschritt.

Auf dem Weg zum Dauerbetrieb

Ein großer Vorteil des Stellarators ist, dass er im Prinzip in Dauerbetrieb laufen kann, während Anlagen vom Typ Tokamak gepulst arbeiten. Eine wichtige Mission von Wendelstein 7-X besteht darin, diesen Vorteil nachzuweisen und 30 Minuten lange Plasmaentladungen bei hoher Heizleistung zu demonstrieren. Dafür muss jedoch auch die dem Plasma zugeführte Leistung stationär abgeführt werden. Dieses ist nur mit einer Wasserkühlung des Divertors und anderer Teile des Plasmaraumes möglich.

Dazu wird Wendelstein 7-X seit 2019 ausgebaut (Abbildung 2): Der alte Divertor ist bereits komplett entfernt und wird gerade durch einen aktiv kühlbaren ersetzt. Auf der dem Plasma zugewandten Seite besitzt er die gleiche Kontur wie der ungekühlte Divertor, besteht nun jedoch aus kohlenstofffaserverstärkten Kohlenstoffkacheln (CFC), die auf wassergekühlte Metallplatten geschweißt wurden. Die insgesamt benötigten 120 Divertorplatten wurden über die vergangenen Jahre im Garchinger Teil des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik entworfen, gebaut und getestet. Da die einzelnen Divertormodule bis zu 70 Kilogramm wiegen, aber mit einer Toleranz von unter einem Millimeter eingebaut werden müssen, ist die Montage sehr zeitaufwändig. Zudem erschwerten die Sicherheitsmaßnahmen während der Corona-Pandemie die Arbeiten und erforderten mehr Zeit als gedacht. Im Plasmagefäß wurden zudem rund sieben Kilometer Wasserleitungen verlegt, die an etwa 3000 Trennstellen verschraubt oder verschweißt werden mussten. Wegen der beengten Platz­verhält­nisse im Plasmagefäß war auch dies eine sehr zeitraubende und komplexe Arbeit: Alle Nähte müssen dicht sein, weder Luft- noch Wasserlecks sind erlaubt!

Im extrem beengten Bauraum hinter dem Divertor werden zehn Kryo-Vakuumpumpen eingebaut, die mit Wasser, flüssigem Stickstoff und flüssigem Helium gekühlt werden. Die fünf oberen Kryopumpen sind bereits montiert und auf Dichtigkeit getestet. Im oberen Teil des Plasmagefäßes sind auch die Divertormodule erfolgreich installiert, so dass nun die Montage der unteren Divertormodule beginnen kann.

Der Divertor wird über 480 Wasserkreise mit Kühlung versorgt, die auch außerhalb des Plasmagefäßes umfangreiche Installationen nötig machen. Auch hier ist der Bauraum knapp bemessen. Darüber hinaus werden in dieser Ausbauphase zahlreiche weitere Anlagenteile modifiziert oder neu aufgebaut, so die Kühlung der Kryopumpen, eine weitere Hochfrequenzheizung, stärkere Senderöhren für die Elektronen-Zyklotron-Resonanz-Heizung sowie viele Plasmadiagnostiken – eine komplexe Mischung verschiedener Arbeiten, die durch die Corona-Pandemie unterschiedlich stark beeinträchtigt wurden. Der Abschluss der Montage ist nun bis Ende 2021 vorgesehen, etwa ein halbes Jahr später als ursprünglich geplant.

Parallel laufen deshalb bereits die Vorbereitungen für die Inbetriebnahme des Wendelstein 7-X nach dem Umbau [3]. Die Wasserkühlung des Divertors – ein ganz neues Kapitel für den Betrieb – wird vorbereitet, ebenso die Betriebs- und die Sicherheitssteuerungen sowie der Ablauf der Experimente, so dass wir voraussichtlich im Sommer 2022 wieder anfangen können, Plasmen in Wendelstein 7-X zu erforschen.

Literaturhinweise

The in-vessel components of the experiment Wendelstein 7-X
Fusion Engineering Design, 84, 305–308, 2009
Operation of W7-X with an Inertially Cooled Divertor – On the Way to Steady State Operation
IEEE Transaction on Plasma Science, 48, 1369-1375, 2020
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