Sporenbildung im Zeitraffer
Videomikroskopie enthüllt verschiedene Lebenszyklus-Strategien in Bacillus subtilis
Weil natürliche Ressourcen stets begrenzt sind, entscheidet über den Erfolg im Leben die richtige Strategie. Das gilt auch für sporenbildende Bakterien: Bacillus subtilis kann durch die Bildung von Endosporen ungünstige Lebensbedingungen überdauern. Zeitraffer-Mikroskopiestudien deuten darauf hin, dass die Bakterien sich dabei entscheiden, ob sie mehr oder bessere Sporen bilden, und dass natürliche Isolate unterschiedlichen Lebenszyklus-Strategien folgen. Diese Erkenntnisse helfen, die Ökologie von Sporenbildnern besser zu verstehen. Sie haben auch praktische Konsequenzen für die Entwicklung biotechnologischer Produkte für die ökologische Landwirtschaft.
Wie winzige Raumkapseln schützen Endosporen das bakterielle Genom im Sporenkern vor Hitze, Trockenheit und Nahrungsmangel. Wenn die Bedingungen stimmen, können sie in kürzester Zeit aufleben und neue Zellen bilden, die sich weiter teilen und vermehren. Durch ihre hohe Anpassungsfähigkeit sind die Endosporen allgegenwärtig: einerseits unerwünschte Dauergäste in Bereichen mit hohen Hygieneanforderungen, andererseits in hohem Grade biotechnologisch nutzbar und Ziel industrieller Herstellung, zum Beispiel in Probiotika für die Tierzucht und im biologischen Pflanzenschutz.
Ilka Bischofs mit ihrem Team vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie und der Universität Heidelberg untersucht die Prozesse und Signalwege, die an der Sporulation beteiligt sind. Mittels Zeitraffer-Videotechniken in Kombination mit fluoreszierenden Markern ist es dem Team erstmals gelungen, beide Prozesse, Sporulation und Aufleben, in Korrelation zu untersuchen - mit überraschenden Ergebnissen und Konsequenzen.
Bislang war es scheinbar Zufall, ob oder wann eine Spore mit neuen Nährstoffen auflebt. In dem die Forscher die Entstehungsgeschichten der einzelnen Sporen verfolgten, entdeckten sie, dass eine Spore schneller keimt und mit höherer Wahrscheinlichkeit wieder auswächst, je früher sie gebildet wurde. Dies liegt unter anderem daran, dass Zellen unter Nähstoffmangel die Produktion eines Stoffwechselenzyms einstellen und somit vorhandene Enzyme bei der Sporenbildung auf die Nachkommen verteilt werden müssen. Dazu Ilka Bischofs: „Je weniger sich eine Zelle vor der Sporulation geteilt hat, desto mehr Enzym ist in der Spore gespeichert und desto besser kommt die Spore mit neuen Nährstoffen wieder in Schwung, wenn sie aus dem Schlafzustand geweckt wird. Man kann auch sagen: wer früh schlafen geht, wacht besser auf.“
Mehr oder bessere Sporen?
Betrachtet man die Sporenbildung als multizelluläres Phänomen, so ergibt sich Zielkonflikt: Teilt sich eine Bakterienzelle vor der Sporulation noch eine Zeit weiter, erhöht sie damit die Gesamtanzahl der am Ende gebildeten Sporen. Im Gegensatz dazu führt eine schnelle Sporenbildung zwar zu einem geringeren Sporenertrag, jedoch haben diese bessere Aussichten, mit neuen Nährstoffen teilungsfähige Zellen auszubilden. Damit ergibt sich ein Konflikt zwischen Sporenertrag und -qualität – ganz nach dem Motto: Masse oder Klasse?
In der Natur finden sich viele solcher Zielkonflikte, zum Beispiel bei Insekten- oder Fischeiern oder der Produktion von Pflanzensamen: Je nach Umgebung kann eine Erhöhung der Quantität oder Qualität vorteilhaft sein und die Anpassung an verschiedene Lebensbedingungen und Lebensräume ermöglichen.
Anpassung an den Lebensraum
In der Natur finden sich B. subtilis-Dauersporen sowohl im Boden als auch im Darm bodenlebender Tiere, zum Beispiel von Hühnern. Die Forscherenden haben im Zeitraffer beobachtet, dass sich die Strategien der Bakterienisolate unterscheiden. Während das Isolat aus dem Boden auf Masse setzt und fast doppelt so viele Sporen bildet wie das Huhnisolat, folgt letzteres dem Prinzip „Klasse“: weniger Sporen, die jedoch auch unter nährstoffarmen Bedingungen besser auswachsen können, wie Versuche mit unterschiedlichen Nährmedien zeigten. Indem die Forschenden bestimmte Signalsysteme aus dem Bodenisolat in das Huhnisolat überführten, konnten sie aus dem „Klasse“-Strategen einen „Masse-Strategen“ machen.
Erste Experimente mit einem Modellsystem deuten darauf hin, dass dies eine Anpassung an den Lebensraum reflektieren könnte. Dem Forscherteam gelang es, die Sporulationswahrscheinlichkeit durch gesteuerte Expression einer Sporulations-Kinase einzustellen und damit die verschiedenen Strategien synthetisch nachzustellen. Je nach Umgebung beim Auswachsen war die ein oder andere Strategie vorteilhaft. Unter „paradiesischen Zuständen“, d.h. wenn genügend Nährstoffe vorhanden sind, dass alle Sporen auswachsen können, übervorteilt der Masse-Strategie die Klasse-Strategie. Umgekehrtes gilt, wenn die Umgebung auf das Auswachsen von qualitativ hochwertigen Sporen selektiert.
Von der Grundlagenforschung zur ökologischen Landwirtschaft
Der Konflikt zwischen Sporenertrag und Qualität ist möglicherweise auch für die angewandte Forschung relevant. Schon heute spielen Sporen in der ökologischen Landwirtschaft eine wichtige Rolle. Sie sind integraler Bestandteil von biologischen Pflanzenschutzmitteln und Probiotika. Auf der Pflanze bzw. im Tier nutzt Bacillus vorhandene Nährstoffe zum Auswachsen der Sporen und bildet dann natürliche Biostoffe, die Pflanzen vor Pilzbefall schützen bzw. dem Tierwohl dienen. Biotechnologieunternehmen produzieren daher Sporen im Tonnenmaßstab. Für die Sporenproduktion im Bioreaktor ist bisher der Sporentiter ein entscheidender Parameter. Inwiefern sich eine Optimierung der Sporenanzahl auf die Qualität der Sporen auswirkt, ist in diesem Rahmen eine wichtige Fragestellung, um damit die Produkte und ihre Wirksamkeit in Zukunft zu verbessern.