Tiefseebergbau stört das Nahrungsnetz am Meeresboden

Eingriffe am Meeresboden verringern den Umsatz an Kohlenstoff

Tiefseebergbau könnte eine Möglichkeit bieten, dem zunehmenden Bedarf an seltenen Metallen zu begegnen. Seine Umweltauswirkungen sind vermutlich erheblich, dennoch sind sie nur wenig erforscht und es fehlt an klaren regulierenden Standards. Forschende des Max-Planck-Instituts für marine Mikrobiologie in Bremen beschreiben nun gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus den Niederlanden, Belgien, Portugal, Deutschland und Großbritannien, dass Störungen durch Tiefseebergbau langfristige Auswirkungen auf den Kohlenstofffluss und den mikrobiellen Kreislauf in Tiefseeböden haben.

Die Tiefsee ist weit weg und es ist schwer, sich ein Bild von ihr zu machen. Stellt man sie sich vor, dann meist als einen kalten und lebensfeindlichen Ort. Dennoch ist dieser ferne Lebensraum direkt mit unserem Leben verbunden, bildet er doch einen wichtigen Teil des globalen Kohlenstoffkreislaufs. Außerdem ist der Tiefseeboden an vielen Stellen mit metallhaltigen Knollen und Krusten bedeckt, die wirtschaftliche Interessen wecken. Es fehlt jedoch an klaren Standards, die deren Abbau regulieren und verbindliche Grenzwerte für die Auswirkungen auf die dort lebenden Organismen festlegen.

Me­tall­hal­ti­ge Knol­len und Krus­ten be­de­cken vie­le Tau­send Qua­drat­ki­lo­me­ter des welt­wei­ten Tief­see­bo­dens. Sie ent­hal­ten vor al­lem Man­gan und Ei­sen, aber auch die wert­vol­len Me­tal­le Ni­ckel, Ko­balt und Kup­fer so­wie ei­ni­ge der High-Tech-Me­tal­le der sel­te­nen Er­den. Da sich die­se Res­sour­cen an Land in Zu­kunft ver­knap­pen könn­ten – etwa durch den künf­ti­gen Be­dar­f in Bat­te­ri­en, Elek­tro­mo­bi­li­tät und di­gi­ta­le Tech­no­lo­gi­en – sind die La­ger­stät­ten im Meer wirt­schaft­lich sehr in­ter­es­sant. Noch gibt es kei­ne markt­rei­fe Tech­no­lo­gie für den Tief­see­berg­bau. Doch schon jetzt ist klar: Ein­grif­fe in den Mee­res­bo­den be­ein­träch­ti­gen die be­trof­fe­nen Ge­bie­te mas­siv und nach­hal­tig. Stu­di­en ha­ben ge­zeigt, dass vie­le sess­haf­te Be­woh­ner der Mee­res­bo­den-Ober­flä­che auf die Knol­len als Sub­strat an­ge­wie­sen sind und noch Jahr­zehn­te nach ei­ner Stö­rung im Öko­sys­tem feh­len. Auch Aus­wir­kun­gen auf Tie­re, die in den Mee­res­bö­den le­ben, wur­den nach­ge­wie­sen.

Störung des Nahrungsnetzes

Ein internationales Team von Forschenden um Tanja Stratmann vom Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie in Bremen und der Universität Utrecht, Niederlande, sowie Daniëlle de Jonge von der Heriot-Watt-Universität in Edinburgh, Schottland, hat nun das Nahrungsnetz des Tiefseebodens untersucht. Sie wollten herausfinden, ob und wie es sich durch Störungen verändert, wie sie beispielsweise durch Bergbauaktivitäten verursacht werden.

Dazu reisten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in das so genannte DISCOL-Gebiet im tropischen Ostpazifik, etwa 3000 Kilometer vor der Küste Perus. Dort hat­ten im Jahr 1989 deut­sche For­schende in ei­nem Man­gank­nol­len­ge­biet in 4000 Me­tern Was­ser­tie­fe den Mee­res­bo­den auf ei­ner Flä­che mit gut drei­ein­halb Ki­lo­me­tern Durchmesser mit ei­ner Egge um­ge­pflügt, um ei­nen Ab­bau zu si­mu­lie­ren. „Auch 26 Jah­re nach die­ser Stö­rung konn­ten wir die Pflugspu­ren auf dem Mee­res­bo­den klar er­ken­nen“, beschreibt Stratmann das Gebiet. Frühere Studien hatten gezeigt, dass sich die Häufigkeit und Dichte von Mikroorganismen dort nachhaltig verändert hatte. „Jetzt wollten wir herausfinden, was das für den Kohlenstoffkreislauf und das Nahrungsnetz dieses Lebensraums bedeutet.“

„Wir haben uns alle Teile und verschiedenen Ebenen des Ökosystems angesehen, um herauszufinden, wie sie als Team zusammenarbeiten“, erklärte de Jonge, die das Projekt im Rahmen ihrer Masterarbeit am Königlich Niederländischen Institut für Meeresforschung und an der Universität Groningen durchgeführt hat. Die Forschenden berechneten die Kohlenstoffflüsse zwischen lebenden und nichtlebenden Teilen des Ökosystems und summierten sie als Maß für die „ökologische Größe“ des Systems.

Verringerter Umsatz von Kohlenstoff

Die langfristigen Folgen des Bergbau-Simulationsexperiments waren erheblich. Der gesamte Durchsatz von Kohlenstoff im Ökosystem war deutlich reduziert. „Besonders der mikrobielle Teil des Nahrungsnetzes war stark betroffen – viel stärker, als wir erwartet hatten", sagt Stratmann. „Mikroben sind für ihre hohen Wachstumsraten bekannt. Daher würde man erwarten, dass sie sich schnell erholen. Stattdessen war der mikrobielle Kohlenstoffkreislauf im so genannten „microbial loop“ um mehr als ein Drittel reduziert", so Stratmann. 

Auf höhere Organismen wirkte der simulierten Tiefseebergbau ganz unterschiedlich. „Einigen Tieren schien es nichts auszumachen, andere hatten sich noch nicht ganz von der Störung erholt. Die Artenvielfalt war dadurch reduziert“, so de Jonge. „Der Kohlenstofffluss in diesem Teil des Nahrungsnetzes war insgesamt ähnlich oder sogar höher als in ungestörtem Tiefseeboden.“

Anfällig für den Klimawandel

Der simulierte Tiefseebergbau führte dazu, dass sich die Kohlenstoffquellen der ansässigen Tiere veränderten. Gewöhnlich ernähren sich kleine Tiere von Detritus (Tier- und Pflanzenreste, die durchs Wasser herabsinken) und Bakterien im Meeresboden. In den gestörten Gebieten, in denen weniger Bakterien lebten, fraßen sie entsprechend mehr Detritus. Die möglichen Folgen davon werden ein Gegenstand von de Jonges Doktorarbeit sein. „Zukünftige Klimaszenarien sagen voraus, dass die Menge und Qualität des Detritus, der den Meeresboden erreicht, sinken wird. Daher ist es angesichts des Klimawandels besonders interessant, diese Ernährungsumstellung der Tiefseetiere zu untersuchen“, so de Jonge. „Man muss auch bedenken, dass eine Störung durch echten Tiefseebergbau viel schwerer sein wird als die, die wir hier betrachten“, fügte sie hinzu. „Je nachdem, welche Technologie benutzt wird, wird sie wohl die obersten 15 Zentimeter des Sediments über eine deutlich größere Fläche entfernen. Das vervielfacht den Effekt und verlängert die Erholungszeiten erheblich.“

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