Fontänen auf Europa

Offenbar stößt der viertgrößte Jupitermond seine unterirdischen Wasservorkommen ins All

Der Jupitermond Europa hat während eines Vorbeiflugs der NASA-Raumsonde Galileo möglicherweise eine Wasserfontäne ins All gespuckt. Eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, unter anderem aus dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen, haben jetzt neue Hinweise auf dieses Schauspiel gefunden. Am Computer versuchten sie, die 20 Jahre alten Messdaten des Teilchendetektors zu reproduzieren. Das gelang nur unter der Annahme, dass eine Wasserfontäne im Spiel war. Mit seiner Kruste aus gefrorenem Wasser und seinem unterirdischen Ozean weist der Mond Europa Umweltbedingungen auf, die einfaches Leben zulassen könnten. Wasserfontänen böten zukünftigen Missionen die Möglichkeit, das Wasser des Mondes direkt zu untersuchen.

Innerer Schalenaufbau mit Eisenkern, dünne sauerstoffreiche Atmosphäre, induziertes Magnetfeld – Europa gleicht eher einem Planeten denn einem primitiven Mond. Eine weitere Besonderheit: Unter der bis zu 18 Kilometer dicken äußeren Kruste aus gefrorenem Wasser verbirgt sich ein unterirdischer, flüssiger Ozean.

Mit den neuesten Rechnungen unter Leitung der europäischen Raumfahrtbehörde ESA und des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung mehren sich nun die Hinweise, dass der viertgrößte der bisher bekannten 79 Jupitermonde dieses Wasser zumindest gelegentlich in kryovulkanischen Ausbrüchen ins All abgibt. Ein solches Verhalten ist etwa vom Saturnmond Enceladus bekannt, von dessen Wasserfontänen die NASA-Raumsonde Cassini spektakuläre Aufnahmen einfing.

Vergleichbar überzeugende Beweise dafür, dass auch Europa zu den kryovulkanischen Körpern im Sonnensystem zählt, gibt es bisher zwar nicht. „Aber verschiedene Theorien, Modellrechnungen und sporadische Beobachtungen legen nahe, dass auch Europa unterirdisches Wasser ins All schießt“, sagt Elias Roussos vom Göttinger Max-Planck-Institut. Anzeichen für eine Eruption fanden Forscher aus Europa und den USA unabhängig voneinander in den vergangenen Jahren.

Einige dieser Gruppen werteten Daten des Magnetometers an Bord der NASA-Raumsonde Galileo aus, die ab 1995 acht Jahre lang das Jupitersystem erkundete. Bei einem Vorbeiflug an Europa im Jahr 2000 zeigten die Messdaten nahe des Mondes Abweichungen im Jupitermagnetfeld. Diese könnten auf eine Wasserfontäne zurückzuführen sein, die sich während des Vorbeiflugs ereignete.

Zusammen mit seinen Kollegen nahm sich ESA-Wissenschaftler Hans Huybrighs die Messdaten der Passage erneut vor – dieses Mal allerdings die des Teilchendetektors EPD (Energetic Particles Detector). Das Instrument wurde am Applied Physics Laboratory der Johns-Hopkins-Universität (USA) und am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung entwickelt und gebaut. EPD zeichnete unter anderem die Verteilung hochenergetischer Protonen auf, die im Jupitermagnetfeld gefangen sind.

„Das Magnetfeld des Riesenplaneten ist bis zu zwanzigfach so stark wie das der Erde und reicht mehrere Millionen Kilometer ins All hinaus“, sagt Max-Planck-Forscher Norbert Krupp über die Bedingungen im Jupitersystem. Der Mond Europa zieht seine Bahnen innerhalb dieses gewaltigen magnetischen Schutzschildes. Beim Vorbeiflug an Europa im Jahr 2000 verzeichnete EPD deutlich weniger Protonen in der Nähe des Mondes als erwartet. Bisher hatten Forscherinnen und Forscher angenommen, dass Europa selbst die Sicht des Detektors verstellt hatte.

Die aktuellen Ergebnisse deuten jedoch auf eine weitere Ursache hin. In aufwendigen Computersimulationen modellierten die Forschenden unter Leitung der ESA und des Max-Planck-Instituts die Bewegungen der hochenergetischen Protonen während des Vorbeiflugs und versuchten so, die Messdaten von EPD zu reproduzieren. Dies gelang jedoch nur unter der Annahme, dass eine Wasserfontäne die Umgebung von Europa beeinflusst hatte.

Wenn hochenergetische Protonen auf ungeladene Teilchen aus der Atmosphäre des Mondes oder einer Wasserfontäne treffen, nehmen sie Elektronen von diesen auf und werden dabei selbst zu ungeladenen Teilchen. „Dadurch sind sie nicht länger im Magnetfeld des Jupiters gefangen und können das System mit hoher Geschwindigkeit verlassen“, erklärt Erstautor Huybrighs von der ESA.

Für künftige Jupitermissionen böten Europas Wasserfontänen die Möglichkeit, in direkten Kontakt mit dem unterirdischen Wasserreservoir des Mondes zu treten und dieses zu charakterisieren. Im Jahr 2022 soll die ESA-Mission JUICE (Jupiter Icy Moon Explorer) auf die Reise zum Jupitersystem gehen. Das Göttinger Max-Planck-Institut stellt das Instrument SWI (Submillimeter Wave Instrument) sowie das Jupiter Elektronen- und Ionen-Spektrometer (JEI) – einer von insgesamt sechs Sensoren von PEP (Particle Environment Package) – zur Verfügung. Weiterhin bereitet die NASA die Mission Europa-Clipper vor, die 2023 zum Jupiter starten soll. Auch an dieser Mission sind die Göttinger Wissenschaftler beteiligt.

BK / HOR

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