Corona-Tests statt Hirnforschung

Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin ist Teil des Göttinger Covid-19-Diagnose-Netzwerks

20. April 2020

Modellrechnungen und das Beispiel Südkoreas in der Covid-19-Pandemie zeigen: Mit flächendeckenden Tests der Bevölkerung auf das Virus und Antikörper dagegen lässt sich die Ausbreitung der Infektion verhindern. Allerdings reichen in Deutschland die Kapazitäten für Massentests derzeit bei weitem nicht aus. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für experimentelle Medizin in Göttingen nutzen jetzt ihre Expertise in der Erbgutanalyse von Mäusen und untersuchen menschliche Proben auf das Corona-Virus. Dafür haben sie einen Teil ihrer Labors für die Analyse von Schleimhautabstrichen umgerüstet und verschiedene Nachweismethoden aufgebaut.

Die Göttinger Forscher haben in den letzten Wochen verschiedene Nachweisverfahren für das Coronavirus getestet. Da sie sonst an genetisch veränderten Mäusen forschen, mussten sie ihre Verfahren zunächst auf die Analyse von menschlichem Gewebe umstellen und die Abläufe räumlich so organisieren, dass die jeweiligen Arbeitsschritte in getrennten Laboren verrichten werden können.

Zunächst haben die Max-Planck-Wissenschaftler die Zuverlässigkeit ihrer Tests mit Proben von der Universitätsmedizin Göttingen überprüft. Die Ergebnisse zeigen, dass sie das Sars-CoV-2-Virus zuverlässig nachweisen können und Proben ohne das Virus als solche erkannt werden. "Da die Testverfahren extrem empfindlich sind und in der Regel schon wenige Moleküle nachweisen können, sind saubere Negativkontrollen extrem wichtig. Ansonsten besteht die Gefahr, dass virusfreie Proben fälschlicherweise als infiziert eingestuft werden", erklärt Fritz Benseler, dessen Labor am Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin normalerweise für Maus-Genotypsierungen, Sequenzanalysen und Nukleinsäuresynthesen verantwortlich ist.

Benseler und sein Team weisen das Virus mittels Multiplex- und Echtzeit-PCR sowie sogenannter "loop-mediated isothermal amplification" (LAMP) in Proben nach, die sie vom Göttinger Universitätsklinikum erhalten. "Mit der Multiplex-Analyse haben wir seit Jahren Erfahrung, da wir damit unsere genetisch veränderten Mäuse in großer Zahl genotypisieren. Mit dieser Methode können wir alle in einer Maus auftretenden Mutationen in einem Durchgang nachweisen", sagt Benseler. Genauso können die Wissenschaftler nun multiple Abschnitte des Viruserbguts parallel analysieren, je nach Bedarf weitere Genabschnitte hinzunehmen oder Proben auf besondere Virusvarianten testen.

Methoden mit Vor- und Nachteilen

Jede der von den Max-Planck-Forschern verwendeten Testmethoden hat Vor- und Nachteile. So wird die Echtzeit-PCR in den meisten Testlaboren für die Covid-19-Diagnostik verwendet. "Gerade in der Aufbauphase unserer eigenen Tests war diese Methode für uns als Referenz wichtig", erklärt Benseler. Allerdings ist die Echtzeit-PCR relativ aufwändig und es bestehen weltweit erhebliche Lieferschwierigkeiten für einige der erforderlichen Reagenzien.

Im Vergleich zur Echtzeit-PCR ist die LAMP-Methode relativ einfach. Sie kann unter Umständen sogar direkt mit dem Probenmaterial ohne vorgeschaltete Reinigung des Viruserbguts durchgeführt werden, benötigt keine komplexen Instrumente und Analyseverfahren und könnte daher sogar außerhalb spezialisierter Labore 'im Feld' verwendet werden. Allerdings ist derzeit noch nicht klar, wie sensitiv und robust das Verfahren Sars-CoV-2 nachweisen kann. "Wir vergleichen gerade die Empfindlichkeit der LAMP-Methode mit der von anderen Verfahren. Wenn diese positiv verlaufen und der Versorgungsengpass für die LAMP-Reagenzien überwunden werden könnte, könnte das Verfahren die flächendeckende Covid-19-Testung möglicherweise stark vereinfachen", so Benseler.

Unabhängig von Lieferengpässen dank Multiplex-Analyse

Die Multiplex-Analyse ist das 'Arbeitspferd' der Göttinger Max-Planck-Forscher. "Für die von uns entwickelte Multiplex-Analyse können wir die wichtigsten Reagenzien wie die für den Nachweis des Viruserbguts erforderlichen Primer in unserem Labor selbst herstellen. Deshalb sind wir relativ unabhängig von Lieferengpässen“, sagt Nils Brose, Direktor am Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin. Außerdem sind die notwendigen Enzyme zum Teil gut verfügbar. "Und wir bekommen Hilfe von Kollegen am Göttinger Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, die inzwischen selber große Mengen an Enzymen und Reagenzien herstellen."

Inzwischen haben Benseler und sein Team die ersten Patientenproben analysiert. Die Logistik der Probenverteilung in Göttingen und die Analysen stehen, sodass Benselers Gruppe jetzt dabei helfen kann, die Testzahlen zu steigern und die Sars-CoV-2-Verbreitung in den Griff zu bekommen. "Weil wir kein professionelles Diagnostiklabor sind, fehlen uns noch ein paar zeitsparende Geräte für die Logistik, wie etwa ein Barcode-Leser für die Probenetiketten", meint Benseler. Ein solches Gerät soll nun angeschafft werden. Dann würde sich die Kapazität seines Labors von derzeit ein paar hundert Proben pro Tag um ein Vielfaches steigern.

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