Im Maschinenraum eines Quasars

Event Horizon Telescope beobachtet den Jet eines schwarzen Lochs in der Galaxie 3C 279

Das erste Bild eines schwarzen Lochs, das dem Event Horizon Telescope (EHT) gelungen war, gilt als wissenschaftliche Sensation. Jetzt, ziemlich genau ein Jahr später, legen die Forschenden dieser Kollaboration nach und präsentieren die Aufnahmen eines sogenannten Jets, der aus dem schwarzen Loch im Zentrum des Quasars 3C 279 heraussprüht. In bisher unerreichter Schärfe ist ein Strahl aus ionisiertem Gas zu sehen, den das Massemonster nahezu mit Lichtgeschwindigkeit ins All spuckt. Das internationale Team um Jae-Young Kim vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie untersuchte die Gestalt des Plasmastrahls nahe seiner Basis, wo vermutlich hochenergetische und variable Gammastrahlung entsteht.

Als die EHT-Kollaboration im April 2017 das schwarze Loch im Zentrum der Galaxie M 87 beobachtete, nahm sie auch einige andere Objekte ins Visier. Dazu gehörte 3C 279 – ein rund fünf Milliarden Lichtjahre entferntes Milchstraßensystem im Sternbild Jungfrau. Wissenschaftler klassifizierten 3C 279 als quasi-stellares Objekt (Quasar), also als extrem kompakten und lichtstarken Kern einer Galaxie, der sehr große Energiemengen abstrahlt. Auch bei 3C 279 scheint diese aktive Zentralquelle ein schwarzes Loch mit der milliardenfachen Sonnenmasse zu sein.

Ein Teil der Materie, welche das schwarze Loch in der sogenannten Akkretionsscheibe umläuft, stürzt nach den Modellen der Astronomen nicht in die Schwerkraftfalle hinein, sondern wird in Form zweier stark gebündelter Plasmastrahlen – den Jets – mit nahezu Lichtgeschwindigkeit nach außen geschleudert. Tatsächlich werden solche Jets schon seit längerem beobachtet. Besonders die Technik der Very Long Baseline Interferometry, an deren Weiterentwicklung das Max-Planck-Institut in Bonn maßgeblich beteiligt war, lieferte dabei Bilder mit höchster Detailschärfe.

Die im EHT-Projekt verbundenen Teleskope haben die bisher erreichte Bildschärfe noch deutlich übertroffen und zeigen Details, die kleiner als ein Lichtjahr sind. Damit wird es möglich, den Jet bis heran an die erwartete Akkretionsscheibe zu verfolgen und die Wechselwirkung zwischen Scheibe und Jet zu beobachten. Dabei erscheint der normalerweise gerade verlaufende Jet an seiner Basis verdrillt. Und zum ersten Mal überhaupt werden Strukturen quer zur Jetrichtung sichtbar, die vermutlich Teile der Akkretionsscheibe sind.

Der Vergleich von Bildern, die an aufeinanderfolgenden Tagen aufgenommen wurden, zeigt deutlich, dass sich die Struktur verändert – vielleicht aufgrund des Einfalls und der Zerkleinerung von Materie auf eine rotierende Akkretionsscheibe nebst Ausstoß von Material in Form eines Jets. Ein solches Szenario kannte man bisher nur von Simulationsrechnungen.

„Wir haben erwartet, mit unserer superscharfen Aufnahme den Bereich abzubilden, in dem der Jet geformt wird. Wir konnten aber zusätzlich die senkrechte Struktur beobachten.“, sagt Jae-Young Kim. „Das ist, wie wenn man eine Matrjoschka-Puppe nach der anderen öffnet. Man glaubt zu wissen, was in der nächsten ist, und in der kleinsten findet sich eine Überraschung“.

Erstaunlicherweise ändern sich die Bilder auf sehr kurzer Zeitskala – und zwar nicht nur entlang des Jets, sondern auch quer dazu. „3C 279 war die erste bekannte astronomische Quelle, für deren Jet eine Bewegung mit scheinbarer Überlichtgeschwindigkeit nachgewiesen wurde“, sagt der Max-Planck-Astronom Thomas Krichbaum, der die Beobachtungen von 3C 279 als Projektleiter konzipiert hat. „Die jetzt beobachteten querverlaufenden scheinbaren Bewegungen mit fast 20-facher Lichtgeschwindigkeit lassen sich nur sehr schwer erklären, etwa mit wandernden Stoßfronten oder aber mit Instabilitäten in einem gekrümmten und vielleicht rotierenden Jet.“

Die an der Beobachtung im Jahr 2017 beteiligten Radioteleskope waren ALMA und APEX in Chile, das IRAM 30-Meter-Teleskop in Spanien, das James-Clerk-Maxwell-Teleskop und das Submillimeter-Array (beide Hawaii), das Large-Millimeter-Teleskop in Mexiko, das Submillimeter-Teleskop in Arizona sowie das Südpol-Teleskop. Die über den halben Globus verteilten Antennen waren mit der oben erwähnten Very Long Baseline Interferometry verbunden.

Diese Technik nutzt zudem die Rotation der Erde und bildet gleichsam ein virtuelles Radioteleskop von der Größe der Erde. Dessen Winkelauflösung würde es einem Astronauten auf dem Mond erlauben, auf der Erde eine einzelne Orange zu erspähen. Die Analyse, mit der die Rohdaten von den beteiligten Teleskopen zu einem Bild verbunden werden, erfordert spezielle Computer, Korrelatoren genannt. Diese befinden sich am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn und am MIT-Haystack-Observatorium in den USA.

„Im vergangenen Jahr konnten wir der Welt das erste Bild vom Schatten eines schwarzen Lochs vorstellen. Nun sehen wir unerwartete Veränderungen in der Form des Jets von 3C 279, und wir sind noch längst nicht am Ziel angekommen“, sagt J. Anton Zensus, Max-Planck-Direktor und Vorsitzender des EHT-Kollaborationsrats. „Wir arbeiten weiterhin an den Daten von Sagittarius A*, der Zentralquelle unserer Milchstraße, und von anderen aktiven Galaxien. Wie wir im vergangenen Jahr schon betont haben: Das ist erst der Anfang!“

Die für März und April 2020 vorgesehene EHT-Beobachtungskampagne musste aufgrund des globalen CoViD-19-Ausbruchs abgesagt werden. Die EHT-Kollaboration legt im Moment die nächsten Schritte sowohl in Hinblick auf neue Beobachtungen, als auch auf die Analyse der bereits aufgenommenen Daten fest.

„Wir konzentrieren uns jetzt auf die Veröffentlichung der Daten von 2017 und starten mit der Analyse der Daten, die wir mit einem Teleskop mehr im Jahr 2018 aufgenommen haben“, sagt Michael Hecht, Astronom am MIT/Haystack-Observatorium und Vize-Direktor des EHT-Projekts. „Und wir planen die nächste Kampagne im März 2021, dann mit einem auf elf Observatorien vergrößerten Netzwerk.“

HOR / NJ

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