Forschungsbericht 2019 - Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie

Malaria, CRISPR/Cas9 und Gene Drives

Autoren
Levashina, Elena A.
Abteilungen
Forschungsgruppe Vektorbiologie
Zusammenfassung
Mücken übertragen Malaria – aber nicht jede Mücke ist gleich. Unser Forschungsteam hat entdeckt, dass manche Mückenarten den Malariaparasiten besser übertragen als andere, nachdem wir in vier afrikanischen Ländern Tausende Mücken gesammelt haben. Mit einem statistischen Modell konnten wir zeigen, dass nicht die Anzahl der Insekten, sondern das Verhältnis zueinander, in dem zwei verschiedene Mückenarten vorkommen, die Präsenz gefährlicher Malariaparasiten beeinflusst. Neue Ergebnisse zeigen außerdem, dass auch der Moskito-Stoffwechsel die Virulenz des Malaria-Erregers beeinflussen kann.

Der Erreger der Malaria

Schon vor über 100 Jahren wurde bekannt, dass ein mikroskopisch kleiner Parasit die Malaria auslöst und dass Moskitos der Gattung Anopheles die Malariaparasiten übertragen. 2018 verursachte Malaria laut WHO mehr als 400.000 Todesfälle. Die Maßnahmen, die seit jeher gegen Moskitos zum Einsatz kommen, jedoch verlieren ihre Wirksamkeit. Mit Insektiziden behandelte Moskitonetze gehören zu den effektivsten Mitteln. Doch Moskitos entwickeln Resistenzen gegen diese Gifte.

Insektizid resistente Moskitos: Ist CRISPR/Cas eine Alternative?

Die „Genschere“ CRISPR/Cas verspricht Hilfe. Dank ihr können genetisch veränderte Moskitos leicht hergestellt werden. Das hat neue Forschungsansätze ermöglicht – zu den vielversprechendsten zählt der sogenannte Gene-Drive. Dieser Mechanismus bewirkt, dass sich Gene schneller als normal in einer Population verbreiten und vor allem nicht durch „Herausmendeln“ wieder verschwinden. So könnte mittels Gene-Drive eine Genvariante eingeführt werden, die die Moskitos unfruchtbar macht mit der Folge, dass die Anzahl der Mücken innerhalb weniger Wochen sehr deutlich reduziert wird.

Die Entwicklung eines Gene-Drive Moskitos aber ist, im Gegensatz zu Insektiziden, immer auf eine einzige Spezies beschränkt. Für den Einsatz von Gene-Drive ist es daher entscheidend zu wissen, welche Moskitoart für die Malariaübertragung in einer Region verantwortlich ist. Mehr als 360 Moskitoarten der Gattung Anopheles sind bekannt und von ungefähr 30 wissen wir, dass sie Menschen mit Malaria infizieren. In der Forschung werden diese Moskitos Vektoren genannt. Doch auch zwischen den Vektoren gibt es erhebliche Unterschiede.

Zwei Regenzeiten und 17.000 Moskitoproben

In vielen Malariagebieten Afrikas leben mehrere Malaria-Vektorspezies zusammen. Und nicht überall, wo die Krankheit auftritt, kann man sie auf eine einzelne Moskitoart zurückführen. Wir aber wollten genau verstehen, welche Vektoren in welchen Gebieten wirklich eine Schlüsselrolle bei der Übertragung der Malaria einnehmen. Dafür hat unser Team von 2014 bis 2015 zwei Regenzeiten in Mali verbracht und täglich Moskitoproben gesammelt. Das Ergebnis: Ein riesiger Datenschatz von mehr als 17.000 Moskitos. 

Zusammen mit epidemiologischen Informationen und Wetteraufzeichnungen konnten wir die Daten in einem mathematischen Modell zusammenfassen. Die Methode, genannt Granger-Kausalitäts-Test, wird von Wirtschaftswissenschaftlern angewendet, um Börsenkurse einzuschätzen. Uns hat der Test ermöglicht, die Häufigkeit der Malaria-Parasiten in einer lokalen Mückenpopulation vorherzusagen.

Der „bessere“ Vektor

Das Ergebnis hat uns überrascht: Nur eine Moskitoart, Anopheles gambiae, erlaubte eine genaue Vorhersage der Malaria-Infektionen in Moskitos. Zuvor galten A. gambiae und ihre enge Verwandte, Anopheles coluzzi, als entscheidende Überträger der Krankheit. Unsere Ergebnisse aber zeigen, dass vor allem A. gambiae eine höhere Parasitenhäufigkeit zulässt. Die zweite Art, A. colluzi, spielte eine eher untergeordnete Rolle. Sie ist im Vergleich zu A. gambiae allerdings wesentlich besser untersucht, da sie einfacher im Labor zu züchten ist. Bislang fokussiert sich daher die Entwicklung von Gene-Drive Moskitos auf A. colluzi.

Warum aber können manche Moskitoarten Malaria besser übertragen als andere? Bei A. gambiae und A. colluzi liegt ein Unterschied wahrscheinlich in dem Gen TEP1, dass wir schon vor 19 Jahren charakterisiert haben. A. colluzi verfügt über eine Variante dieses Gens, das die Moskitoart resistenter gegen Malariaparasiten macht. Wir konnten feststellen, dass die Anpassung an ein regionales Klima und die damit verbundenen Umweltbedingungen die Verteilung der TEP1-Varianten beeinflussen.

Zurzeit suchen wir nach weiteren Faktoren, die im Zusammenhang mit der Parasitenentwicklung stehen könnten. Dazu widmen wir uns dem Stoffwechsel der Moskitos. Um sich fortzupflanzen, benötigen weibliche Moskitos Blut. Stechen sie einen Menschen, der mit Malaria infiziert ist, gelangen mit dem Blut Malaria-Parasiten in die Moskitos. Dort entwickeln und vermehren sie sich, bis sie beim nächsten Stich wieder auf einen Menschen übertragen werden. Auch die Parasiten benötigen für ihre Vermehrung Energie – und dazu bedienen sie sich am Nährstoffangebot der Moskitos. Unklar war bislang, welchen Einfluss der Moskitostoffwechsel auf die Parasiten hat.

Der Moskito-Stoffwechsel beeinflusst die Virulenz des Malaria-Erregers

Mithilfe mathematischer Modelle haben wir verschiedene Ernährungs-Szenarien für Moskitos durchgespielt und untersucht, wie dadurch die Vermehrung und „Qualität“ der Parasiten beeinflusst werden. Diese Faktoren bestimmen, wie gefährlich die Malaria-Parasiten für Menschen werden können. Und tatsächlich hat die Ernährung der Moskitos einen entscheidenden Einfluss auf die Virulenz der Parasiten. In unseren Modellen entwickelt sich eine erhöhte Virulenz immer dann, sobald die Parasiten Nährstoffe nutzen können, die eigentlich für die Moskitofortpflanzung vorgesehen sind. Anders aber sieht es aus, wenn die Moskitos nichts für die Parasiten übriglassen. In diesem Falle verringert sich die Zahl der Parasiten und sie sind nicht mehr in der Lage, einen weiteren Wirt zu infizieren. Unter welchen Umweltbedingungen die jeweiligen Szenarien vorteilhafter für die Parasiten sind, wann also besonders virulente Parasiten auftreten können, muss nun genauer untersucht werden. 

Dieses Ergebnis vor Augen, muss der eingangs erwähnte Ansatz, mit Gene-Drive die Fruchtbarkeit der Moskitos zu minimieren, überdacht werden – er könnte nämlich einen gegenteiligen Effekt zur Folge haben: Benötigen die Moskitos keinerlei Energie für ihre Fortpflanzung, weil diese durch das „Unfruchtbarkeitsgen“ gehemmt ist, hätten die Parasiten mehr Nährstoffe zur Verfügung und könnten so virulenter werden. Wir müssen also zuallererst verstehen, was einen Moskito zu einem guten Vektor macht.

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