Rätselhafte Radioblitze aus einer nahen Spiralgalaxie

Die Quelle liegt in einer Region mit hoher Rate an Sterngeburten

Schnelle Radioblitze geben den Astronomen noch immer Rätsel auf. Obwohl sie jeweils nur für Millisekunden aufblinken, hat man am Himmel inzwischen Hunderte beobachtet. Lediglich vier solcher Fast Radio Bursts (FRB) wurden bisher genau lokalisiert. Jetzt ging einer ins Netz, der offenbar in einer Spiralgalaxie ähnlich unserer Milchstraße liegt und im Vergleich zu allen anderen bekannten Radioblitzen die geringste Entfernung zur Erde aufweist. Beobachtet hat den FRB 180916.J0158+65 genannten Burst ein Verbund aus acht Radioteleskopen, dem auch die 100-Meter-Antenne Effelsberg angehört.

Zu den größten Geheimnissen in der aktuellen astronomischen Forschung zählt der Ursprung von extrem kurzen, heftigen Radiostrahlungsausbrüchen. Im Jahr 2016 registrierten die Astronomen erstmals einen dieser Fast Radio Bursts, bei dem sich die Ausbrüche in nicht vorhersagbarer Weise wiederholen. Eine solche Quelle bezeichnen die Forscher seitdem als Repeater.

„Die wiederholten Ausbrüche, die wir beim ersten identifizierten Repeater beobachten konnten, kommen aus sehr speziellen und extremen Bedingungen im Innern einer massearmen Zwerggalaxie”, sagt Benito Marcote vom Joint Institute for VLBI ERIC, Erstautor des nun im Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlichten Aufsatzes.

Die Entdeckung damals markierte das erste Steinchen in einem Puzzle, warf aber auch neue Fragen auf – wie etwa die nach dem fundamentalen Unterschied zwischen Repeatern und einmalig aufblitzenden Non-Repeatern. „Jetzt haben wir mit FRB 180916.J0158+65 eine zweite Quelle dieser wiederholten Radiostrahlungsausbrüche lokalisiert und können unsere vorherigen Annahmen über den Ursprung dieser Bursts überprüfen”, so Marcote.

Beobachtet haben diese zweite Quelle acht Radioantennen des Europäischen VLBI-Netzwerks am 19. Juni 2019. Der FRB war bereits im Jahr 2018 mit dem CHIME-Radioteleskop in Kanada entdeckt worden. Dem Europäischen Netzwerk gelang nunmehr eine Messung mit sehr hoher Winkelauflösung. Während der fünf Stunden dauernden Beobachtung entdeckten die Forscher gleich vier Strahlungsausbrüche, die jeweils weniger als zwei Millisekunden lang dauerten.

Eine entscheidende Rolle spielte die 100-Meter-Antenne Effelsberg des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie: Zum einen gewannen die flexiblen Pulsar-Instrumente des Teleskops wichtige Daten für eine sehr schnelle Identifikation der Bursts; zum anderen war die große Sammelfläche und damit Empfindlichkeit der Schüssel unverzichtbar für die koordinierten interferometrischen Beobachtungen dieser sehr schwachen Quelle.

So gelang es schließlich, den Ort des Strahlungsausbruchs FRB 180916.J0158+65 auf eine Region von lediglich sieben Lichtjahren Ausdehnung festzulegen. Das entspricht einer Genauigkeit, mit der man einen einzelnen Menschen auf dem Mond von der Erde aus lokalisieren könnte. Optische Nachbeobachtungen mit dem Acht-Meter-Teleskop Gemini Nord auf Hawaii zeigten, dass die Strahlungsausbrüche aus einer Spiralgalaxie mit der Bezeichnung SDSS J015800.28+654253.0 stammen. Das Sternsystem liegt ungefähr 500 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt. Zudem stellte sich heraus, dass es in der Umgebung des Bursts offenbar eine hohe Rate an Sterngeburten gibt.

„Die ermittelte Position in der Galaxie ist deutlich anders als bei dem vorher bereits identifizierten Repeater, unterscheidet sich aber auch von allen anderen bisher untersuchten FRB”, sagt Kenzie Nimmo, Doktorandin an der Universität Amsterdam. Die Unterschiede zwischen Repeatern und Non-Repeatern würden damit weniger eindeutig.

Die Wissenschaftlerin vermutet, dass die Bursts nicht an einen bestimmten Typ von Galaxie oder Umgebung innerhalb einer Galaxie gebunden sind. „Es mag durchaus sein, dass die Blitze in ganz unterschiedlichen Umgebungen auftreten und dass es spezielle Bedingungen braucht, um sie nachzuweisen”, sagt Nimmo.

„Mit den vorliegenden Ergebnissen wird es zunehmend unwahrscheinlich, dass die sich wiederholenden Bursts auf sehr starke Signale von Radiopulsaren zurückzuführen sind”, sagt Ramesh Karuppusamy vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie. „Wir hoffen, mit neuen und noch empfindlicheren Radioteleskopen weitere Radioblitze zu lokalisieren und deren wahre Natur zu entschlüsseln.”

HOR / NJ

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