Forschungsbericht 2019 - Max-Planck-Institut für Meteorologie

Das Rätsel um das Ende der grünen Sahara

Autoren
Anne Dallmeyer, Martin Claußen
Abteilungen

Max-Planck-Institut für Meteorologie, Hamburg

Zusammenfassung
Mit dem Erdsystemmodell des Max-Planck-Instituts für Meteorologie haben wir die Änderungen im globalen Klimasystem während der letzten 8000 Jahre in einer räumlich detaillierten Darstellung berechnet. So konnten wir einen Teil des Rätsels um das Ende der grünen Sahara lösen. Rekonstruktionen zeigen ein komplexes Änderungsmuster. In unserer Simulation wird das Ende der feuchten Phase nicht nur vom Rückzug des Monsuns, sondern auch von der Änderung der Zugbahn extratropischer Tiefdruckgebiete bestimmt. Als deren Zusammenspiel vor rund 4000 Jahren aufbrach, nahmen Niederschlag und Vegetation in der Westsahara rasch ab.

Warum war die Sahara vor einigen tausend Jahren grüner als heute?

Die Sahara ist die größte Wüste der Erde und von der Fläche her vergleichbar mit China oder den Vereinigten Staaten von Amerika. Vor einigen tausend Jahren durchzogen Flüsse und Seen den nordafrikanischen Kontinent, und Regen verwandelte weite Teile der Wüste in eine blühende Gras- und Savannenlandschaft. Mittlerweile wissen wir, dass periodische Änderungen in der Erdbahn um die Sonne in den letzten Hunderttausenden von Jahren recht regelmäßig zu einer „grünen Sahara“ geführt haben. Die entscheidende Rolle spielt dabei die Kreiselbewegung der Erde um die Sonne, durch welche die Erdachse ein wenig taumelt, wenn auch nur sehr langsam. Dadurch wandert das Perihel, der sonnennächste Punkt der Erde auf der Umlaufbahn, innerhalb von circa 20.000 Jahren einmal durch das ganze Jahr. Heute liegt das Perihel im Januar, vor etwa 10.000 Jahren lag es hingegen im Juli. Dies führte im Vergleich zu heute vor einigen tausend Jahren zu wärmeren Sommern und kälteren Wintern auf der Nordhemisphäre. Der dadurch verstärkte, sommerliche Temperaturgegensatz zwischen Ozeanen und Kontinenten intensivierte den Sommermonsun in Nordafrika, sodass dieser mehr Feuchtigkeit in Richtung Sahara transportieren konnte. Wechselwirkungen der großräumigen Luftströmung mit der aufblühenden Vegetation fachten den Monsun noch weiter an; so konnte er weite Teile der Sahara mit genügend Regen für eine grüne Landschaft versorgen [1].

Was wissen wir über das Ende der grünen Sahara?

Da sich der Zeitpunkt des Perihels in den letzten Jahrtausenden kontinuierlich in den Herbst und schließlich in den Winter verschoben hat und somit die Nordsommermonate immer kühler wurden, zog sich auch die Monsunströmung mehr und mehr Richtung Äquator zurück und die Wüste breitete sich aus. Klimarekonstruktionen anhand geologischer und botanischer Befunde zeigen jedoch, dass das Ende der feuchten Phase in der Sahara nicht gleichmäßig verlief [2]. Sie endete im Norden früher als im Süden und im Osten früher als im Westen. Zudem vollzog sich der Wandel im Westen wesentlich rascher als im Osten. Über die Ursachen dieser regional unterschiedlichen Änderungen konnte bisher nur gemutmaßt werden.

Neue Klimasimulationen zeigen erstaunliche Details

Um das Rätsel zu lösen, haben wir mit dem Erdsystemmodell des MPI für Meteorologie das globale Klima, die Ozeanströmungen und das Wandern der Vegetation während der letzten 8000 Jahre in einer bisher nicht erreichten räumlich detaillierten Darstellung berechnet [3]. Damit war es erstmals möglich, die räumliche und zeitliche Struktur des Endes der feuchten Phase Nordafrikas zu analysieren (Abb.1). Simulation und Rekonstruktion weisen erstaunliche Übereinstimmungen auf und zeigen dieselben regionalen Änderungsmuster (Abb.2). Die Simulation bestätigt ebenfalls die sehr raschen, nicht-gleichmäßigen Änderungen in der Westsahara, während im Osten die Vegetation relativ gleichmäßig abnimmt. Damit waren alle Voraussetzungen gegeben, den Ursachen des komplexen Endes der Afrikanischen Feuchtphase auf den Grund zu gehen.

„Die Gegenwart ist der Schlüssel zur Vergangenheit“

Dieses Motto schottischer Geologen begründete Anfang des 19. Jahrhunderts die moderne Geologie. Und auch für unsere Studie brachte es den Durchbruch. Bei detaillierten Analysen des heutigen Klimas im Modell und in Beobachtungen stellten wir fest, dass nur die Kernzone des Monsungebiets die typische, auf den Sommer konzentrierte Niederschlagsverteilung aufweist. Im Westen der Sahelzone liegt das Regenmaximum im September. Im Norden fallen Niederschläge hingegen außerhalb der Monsunsaison. Der Grund hierfür sind Tiefdruckgebiete, die sporadisch aus den mittleren Breiten der Nordhemisphäre Richtung Sahara ausbrechen, wenn das sie steuernde subtropische Starkwindband zu weit nach Süden ausgelenkt ist. Diese Tiefdruckgebiete können feuchte, tropische Luftmassen anzapfen und in Richtung Sahara transportieren. Oftmals kommt es dadurch zu katastrophalem Starkregen, der innerhalb weniger Tage den gesamten Jahresniederschlag hervorbringt. Unsere Simulation legt nahe, dass solche Ereignisse vor 8000 Jahren viel häufiger als heutzutage auftraten und dadurch die saisonale Niederschlagsverteilung mitgeprägt haben. Der Zeitpunkt des Rückgangs der Vegetation hängt davon ab, wie groß der Einfluss dieser Niederschlag bringenden Mechanismen in der jeweiligen Region ist. In Gebieten, die nur vom Monsun beeinflusst werden, nimmt die Vegetation kontinuierlich durch den Rückzug des Monsuns ab. Im westlichen Teil der Sahara wird ein Ende der Feuchtphase hingegen durch das Zusammenspiel einer verlängerten Monsunsaison mit einem verstärkten Einfluss der extratropischen Tiefdruckgebiete viele Jahrhunderte hinausgezögert. Erst als vor 3000 bis 4000 Jahren durch die kontinuierliche Abnahme der Sonneneinstrahlung das Starkwindband zu weit nach Norden und der Monsun zu weit in den Süden gerückt waren, brach in der Simulation die Wechselwirkung zwischen den beiden Wettergeschehen auf. Der Niederschlag nahm ab und die Sahara breitete sich rasch aus.

Was bedeutet dies für die Zukunft?

Unsere räumlich detaillierte Simulation über mehrere Jahrtausende liefert neue Einsichten in die Klimageschichte Nordafrikas und hilft damit, das Klimasystem besser zu verstehen. So konnten wir mit unserer Studie einen Teil des Mythos um die grüne Sahara lüften. Unsere Simulation zeigt, dass der Monsun nicht der allein bestimmende Faktor der Niederschlagsverteilung in Nordafrika ist, sondern unter veränderten Rahmenbedingungen auch andere Prozesse an Bedeutung gewinnen können. Diese Prozesse und damit alle Facetten des nordafrikanischen Klimasystems unter dem zukünftigen CO2-Anstieg realistisch zu simulieren, bleibt eine der großen Herausforderungen der Klimaforschung.

Literaturhinweise

Claussen, M.; Dallmeyer, A.; Bader, J.
Theory and modeling of the African humid period and the green Sahara.
Oxford Research Encyclopedia of Climate Science (2017)
Shanahan, T. M.; Mckay, N. P.; Hughen, K. A.; Overpeck, J. T.; Otto-Bliesner, B.; Heil, C. W.; King, J.; Scholz, C. A.; Peck, J.
The time-transgressive termination of the African humid period
Nature Geosciences 8, 140–144 (2015)
Dallmeyer, A.; Claussen, M.; Lorenz, S. J.; Shanahan, T.
The end of the African humid period as seen by a transient comprehensive Earth system model simulation of the last 8000 years
Climate of the Past Discussion (2019)

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