Forschungsbericht 2019 - Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion

Wasserstoff für die Energiewende

Autoren
Schlögl, Robert
Abteilungen
Max-Planck-Institut für chemische Energiekonversion, Mülheim an der Ruhr
Zusammenfassung
Für den Erfolg der Energiewende brauchen wir neben erneuerbaren, direkt nutzbaren Energien oder Strom aus erneuerbaren Quellen weitere Bausteine: Dies sind die gasförmigen Energieträger, insbesondere CO2-freier Wasserstoff. Am Max-Planck-Institut für chemische Energiekonversion forschen wir an diesen Materialien.

Erneuerbare Energien (EE) aus Sonne und Wind decken in Deutschland etwa 200 Terawattstunden im Jahr. Dies entspricht weniger als zehn Prozent des gesamten Energieverbrauches, der etwa 2500 Terawattstunden beträgt und über die vergangenen Jahre sehr konstant ist. Diese Situation lässt sich nur durch Import von erneuerbaren Energien verbessern. Voraussetzung bleibt die optimale Nutzung heimischer erneuerbarer Energien und die Verwendung der „Überschussenergien“ durch Speicherung. Die Dimension dieser Aufgabe erfordert neben Batterien auch thermische und chemische Energiespeicher. Es entstehen solare Brennstoffe, die sich als „grünes Öl“ oder „grünes Gas“ wie ihre fossilen Analoga lagern, transportieren und handeln lassen. Gleichzeitig erlaubt ihre Synthese die Darstellung reiner Stoffe und somit verbesserte Anwendungseigenschaften wie die rückstandslose Verbrennung [1].

Wasserstoff

Das Wasserstoffmolekül ist der chemisch einfachste solare Brennstoff. Er entsteht durch Umsetzung von Molekülen, die Wasserstoff gebunden enthalten, unter Zuführung von erneuerbaren Energien. Diese kann elektrisch (Elektrolyse, Plasmareaktion), thermisch oder chemisch (Metalle aus einer vorgelagerten Reaktion) zugeführt werden. Die Abbildung 1 zeigt einige Optionen.

Die Rückgewinnung der gespeicherten Energie erfolgt durch Oxidation, die entweder als Verbrennung oder flammenlose Reaktion (Brennstoffzelle) mit Sauerstoff aus der Luft ausgeführt wird. Das entstehende Wasser wird dem Wasserkreislauf der Erde hinzugefügt.

H2 + 0,5 O2  =  H2O + 286,02 kJ/mol                (1)

Die Eigenschaften von Wasserstoff machen eine direkte Nutzung als solaren Brennstoff technisch sehr unvorteilhaft. Man veredelt daher Wasserstoff durch Umsetzung mit Speicherstoffen zu sekundären solaren Brennstoffen, die man leicht transportieren und lagern kann. Einige dieser Speicherstoffe sind identisch mit den chemischen Quellen für Wasserstoff, andere Stoffe wie Methanol werden als Plattformstoffe sowohl zur Energiekonversion als auch in der Materialchemie verwendet. Die dafür nötigen Technologien sind heute weitgehend verfügbar. Wasserstoff wird derzeit mit etwa 40 Megatonen pro Jahr in der chemischen Industrie einsetzt. Allerdings lassen sich beträchtliche Verbesserungen bezüglich Materialien und Prozessen erzielen.

Elektrolyse

Sie verbindet räumlich getrennt ablaufende Teilreaktionen. Man unterscheidet in wässriger Lösung grundsätzlich die alkalische und die saure Elektrolyse. Technisch ist die alkalische Elektrolyse weit entwickelt. Einige Nachteile, darunter die noch nicht endgültig nachgewiesene Robustheit des Prozesses gegenüber Schwankungen der erneuerbaren Energie-Leistung vermeidet die saure Elektrolyse, die allerdings sehr seltene Edelmetalle als Elektroden benötigt. Um diesen Mangel zu beheben, ist es erforderlich, die ablaufenden Reaktionen auf molekularer Ebene zu verstehen.


2H+  +  2 e-  =  H2  (HER)                                (2)

H2O  =   0,5 O2  +  2 H+ 2 e-   (OER)               (3)

Die Bildung des Wasserstoffs (HER) ist dabei kein Problem, obgleich man dafür Platin als Katalysator einsetzt. Entscheidend für die Effizienz und Stabilität ist die Sauerstoff bildende Reaktion (OER), welche die nötigen Elektronen für die Bildung des Wasserstoffs bereitstellt. Man benötigt für den Ablauf der OER eine angelegte Spannung von mindestens 1,48 V. Diese Spannung entspricht genau der Zersetzungsspannung des Edelmetalls Gold.

Katalyse?

Würde Elektrochemie so ablaufen, wie man das in der physikalischen Chemie darstellt, so müssen Elektroden nur stabil sein und den Strom leiten. Die eigentliche Chemie geschieht dann im Elektrolyten und erfordert keine speziellen Eigenschaften der Elektrode, die mit der Bindung der Reaktanden oder der Freisetzung der Produkte verbunden sind. Diese idealisierte Vorstellung ist jedoch nicht richtig. Wir fanden mittels der direkten Beobachtung von Platin- und Iririum-Elektroden während der Wasserspaltung, dass die OER sehr wohl an aktiven Zentren, die durch das anlegte Potenzial durch Reaktion des Elektrodenmaterials mit umgebendem Wasser entstehen, stattfindet [2], [3]. Es entstehen schwammartige Festkörper, die die Metalle in ihren jeweils höchsten stabilen Oxidationsstufen enthalten. Dabei bilden Sauerstoffatome des Schwammes die extrem reaktive „Oxyl“-Form, die mit Wasser reagiert und Sauerstoff bildet. Die Abbildung 2 zeigt das Geschehen auf molekularer Ebene. Im Unterschied zur Katalyse in der Gasphase erhalten hier die Wassermoleküle vielfältige Rollen als Reaktand, Stabilisator und Transportmittel für Produkte.

Was man lernt

Unsere Untersuchung reagierender Oberflächen in der OER und präzise strukturelle Analysen vor und nach Reaktion ergeben folgende Liste von Anforderungen an ein Elektrodenmaterial für die (saure) Wasserspaltung:

  • Kinetische Stabilität bei oberhalb +1,5 eV
  • Potential, Benetzbarkeit durch Wasser
  • Adsorption von Wasser, Desorption von Protonen
  • Stabilität gegen Oxidation und Auflösung bei pH 1
  • Leitung des elektrischen Stroms bei 1 A/cm2 Fläche

Kein Element des Periodensystems erfüllt diese Anforderungen. Reduziert man die Stromdichte wesentlich, so existieren neben dem Dioxid des Iridiums einige weitere Oxide, die einsetzbar sind. Nanostrukturen des Ir, oft in Form von Kern-Schale-Strukturen, zeigen interessante Eigenschaften. Häufig unterliegen die Elektrokatalysatoren einer Auflösung-Wiederausfällung unter dem Einfluss des angelegten Potenzials. Lässt man diese dynamische Selbstorganisation zu, so findet man empirisch weitere Mehrkomponenten-Systeme, die relevante Aktivitäten zeigen. Erlaubt man, dass die Elektrode geopfert werden kann, so ergibt sich eine neue Strategie. Man kann aus Biomasse und Dotierelementen polymere Formen des Kohlenstoffs [4] herstellen, die als Elektrode Sauerstoff katalytisch entwickeln und sich dabei langsam auflösen. Die dadurch freiwerdende Energie wird ebenfalls für die Bildung von Wasserstoff eingesetzt. Das entstehende CO2 ist „grün“, da die Elektrode aus Biomasse gewonnen wurde. Allerdings ist noch erheblicher Forschungsaufwand notwendig, um die genaue molekulare Struktur des Kohlenstoffes zu optimieren.

Literaturhinweise

Deutz, S.; Bongartz, D.; Heuser, B.; Katelhon, A.; Langenhorst, L. S.; Omari, A.; Walters, M.; Klankermayer, J.; Leitner, W.; Mitsos, A.; Pischinger, S.; Bardow, A.
Cleaner production of cleaner fuels: wind-to-wheel – environmental assessment of CO2-based oxymethylene ether as a drop-in fuel
Energy & Environmental Science 11, S. 331-343 (2018)
Tesch, M. F.; Bonke, S. A.; Jones, T. E.; Shaker, M. N.; Xiao, J.; Skoruspska, K.; Mom, R.; Melder, J.; Kurz, P.; Knop-Gericke, A.; Schlögl, R.; Hocking, R. K.; Simonov, A. N.
Evolution of Oxygen–Metal Electron Transfer and Metal Electronic States During Manganese Oxide Catalyzed Water Oxidation Revealed with In Situ Soft X‐Ray Spectroscopy
Angewandte Chemie - International Edition 58, S. 3426-3432 (2019)
Reier, T.; Nong, H. N.; Teschner, D.; Schlögl, R.; Strasser, P.
Electrocatalytic Oxygen Evolution Reaction in Acidic Environments – Reaction Mechanisms and Catalysts
Advanced Energy Materials 7, S. 1601275 (2017)
Lin, Y.; Lu, Q.; Song, F.; Yu, L.; Mechler, A. K.; Schlögl, R.; Heumann, S.
Oxygen Evolution Reaction at Carbon Edge Sites: Investigation of Activity Evolution and Structure–Function Relationships with Polycyclic Aromatic Hydrocarbons
Angewandte Chemie - International Edition 58 (26), S. 8917-8921 (2019)

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