Forschungsbericht 2019 - Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie

Warum manche Nachkommen ihren Eltern unterlegen sind

Autoren
Laitinen, Roosa
Abteilungen
Max Planck Forschungsgruppe Molekulare Anpassungsmechanismen in Pflanzen
Zusammenfassung
Wechselwirkungen zwischen den Genomen von Elternpflanzen können bei ihren Nachkommen zu schlechteren Leistungen und reduzierter Anpassungsfähigkeit an die Umwelt (Fitness) führen. Mittels moderner Methoden der Genomforschung konnten wir bei Arabidopsis thaliana zeigen, dass an dieser Hybridinkompatibilität nicht nur Gene beteiligt sind, die für die Anpassungsfähigkeit wichtig sind, sondern auch solche, die grundlegende Prozesse mitbestimmen. Wie diese Gene funktionieren und welche Rolle sie bei der Standortanpassung und für die Evolution spielen, werden wir genauer untersuchen.

Einführung

Eine der wichtigsten Fragen der Biologie besteht seit der Aufstellung der Evolutionstheorie darin, herauszufinden, wie aus permanent ablaufenden evolutionären Anpassungsprozessen neue Arten hervorgehen können. In diesem Zusammenhang haben wir Untersuchungen an Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand) zur Hybridunverträglichkeit durchgeführt. Unter Hybride („Mischlinge“) versteht man die Nachkommen zweier unterschiedlicher Elternlinien. Meist weisen solche Hybride eine bessere Leistung auf als ihre Eltern. Diesen positiven Effekt bezeichnet man als Heterosis. Manchmal allerdings kommt es zum gegenteiligen Effekt: Die Nachkommen bleiben klein, sehen kümmerlich aus, zeigen welke Blätter oder sind unfruchtbar. Die Erforschung dieses als Hybridinkompatibilität bezeichneten Phänomens bietet uns nicht nur die Möglichkeit zu verstehen, wie Fortpflanzungsbarrieren entstehen, sondern auch, wie es zur Artenneubildung kommt. Hybridinkompatibilitäten treten nicht nur innerhalb einer Art auf, sondern auch zwischen verschiedenen Arten. Die Unverträglichkeit kann vor oder nach der Befruchtung auftreten. Tritt sie bei der Befruchtung auf, verläuft sie tödlich für die potenziellen Nachkommen, tritt sie später auf, können die Unverträglichkeitsreaktionen in ihrem Ausmaß und Schweregrad stark variieren.

Bei Arabidopsis handelt es sich um ein sehr gut etabliertes Modellsystem für molekulare und genetische Studien an Pflanzen, nicht zuletzt, weil von mehr als 1.000 verschiedenen Ökotypen das Genom vollständig sequenziert ist. Diese umfangreichen Datensätze machen diese Spezies gleichfalls zu einem hervorragenden Modell für die Untersuchung evolutionärer Fragestellungen und die Erforschung der innerartlichen Inkompatibilität von Hybriden. Studien der letzten zehn Jahre haben gezeigt, wie bei dieser Spezies Konflikte zwischen Genvarianten zu einer hybriden Funktionsstörung führen können [1]. Die häufigste Art der Hybridinkompatibilität bei Arabidopsis ist die Hybridnekrose. Pflanzen, die an einer Hybrid-Nekrose leiden, haben von ihren Eltern Gene geerbt, die nicht miteinander kompatibel sind. Es handelt sich dabei um Gene, die auch bei Verteidigungsreaktionen gegen Schädlingsbefall zum Einsatz kommen. Einzeln verschaffen sie den Pflanzen zwar einen Selektionsvorteil, kommen aber zwei Varianten von diesen Genen in ein und derselben Pflanze vor, wird eine Art Autoimmunreaktion in Gang gesetzt. Die Pflanze richtet ihre Abwehr dann gegen sich selbst und greift die eigenen Zellen an [1]. Bisher sind die verschiedenen molekularen Mechanismen, die zur hybriden Inkompatibilität beitragen, und die evolutionären Kräfte, die die Inkompatibilitäts-Allele in Populationen aufrechterhalten, weitgehend unbekannt. Um die verschiedenen genetischen und molekularen Mechanismen zu untersuchen, die den Hybridinkompatibilitäten bei Arabidopsis zugrunde liegen, haben wir Methoden der quantitativen und Populationsgenetik, der Molekularbiologie und der Computational Biology miteinander kombiniert.

Welche Mechanismen liegen den hybriden Inkompatibilitäten bei Arabidopsis zugrunde?

Bei unseren Untersuchungen haben wir drei neuartige Hybrid-Inkompatibilitätsfälle identifiziert, die zu unterschiedlichen Wachstumsproblemen und damit zu einer verminderten Hybrid-Fitness führen (Abb. 1A). Nur eine davon ist mit nekrotischen Läsionen und einer spontanen Aktivierung von Abwehrreaktionen verbunden [2], eine weitere zeigt einen verringerten Chlorophyllgehalt und, damit einhergehend, eine beeinträchtigte Photosynthese. Im dritten Fall zeigen die Hybriden eine veränderte Sprossarchitektur. Unsere genetischen Studien haben gezeigt, dass einfache genetische Wechselwirkungen, wie Konflikte zwischen verschiedenen Allelen eines Gens [2] oder zwischen zwei verschiedenen Genen [3, 4], mit diesen Hybridphänotypen verbunden sind (Abb. 1B). Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass außer den sich schnell entwickelnden und für die Krankheitsabwehr zuständigen Genen auch solche beteiligt sind, die für wichtige grundlegende Prozesse in der Pflanze sorgen [2, 3, 4]. Hinzu kommt, dass interessanterweise sämtliche der von uns identifizierten Hybridfälle von den Umgebungsbedingungen abhängen, einschließlich Temperatur, Lichtverfügbarkeit und mechanischer Beanspruchung. Derzeit untersuchen wir die Mechanismen und Funktionen dieser Gene im Detail.

Was sagen uns die identifizierten Mechanismen über die Evolution?

Wir haben die verschiedenen Gene identifiziert, die für die hybriden Inkompatibilitäten verantwortlich sind. Die nächsten Fragen lauten, wie und warum diese Gene in den natürlichen Populationen erhalten wurden. Eine mögliche Erklärung ist, dass sie für die Eltern von Vorteil sind und deshalb erhalten wurden. Es ist aber auch möglich, dass Inkompatibilitäts-Allele nur zufällig in Populationen vorkommen. Unsere Arabidopsis-Sammlungen aus natürlichen Populationen haben gezeigt, dass Individuen, die inkompatibilitätsverursachende Allele tragen, in bestimmten Populationen und Umgebungen häufig vorkommen [2, 3]. Weiter haben Labor- und Feldstudien gezeigt, dass bisher alle diese Inkompatibilitätsphänotypen von Umweltfaktoren abhängig sind [2, 3, 4]; diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Inkompatibilitätsgene eine Rolle bei der Anpassung der Pflanzen an ihre jeweilige Umwelt spielen könnten. Es sind weitere Studien erforderlich, um zu verstehen, welche Evolutionskräfte hybriden Inkompatibilitäten zugrunde liegen und wie diese zur reproduktiven Isolierung in natürlichen Populationen beitragen. In unserer aktuellen Forschung kombinieren wir die für Arabidopsis verfügbaren Hochdurchsatztechnologien mit ökologischen Studien, um neue Erkenntnisse über die Aufrechterhaltung von Inkompatibilitätsallelen in der Natur zu erhalten.

Literaturhinweise

Vaid, N.; Laitinen, R.A.E.
Diverse paths to hybrid incompatibility in Arabidopsis
The Plant Journal 97, 199-213 (2019)
Świadek, M.; Proost, S.; Sieh, D.; Yu, J.; Todesco, M.; Jorzig, C.; Rodriguez Cubillos, A.E.; Plötner, B.; Nikoloski, Z.; Chae, E.; Giavalisco, P.; Fischer, A.; Schröder, F.; Kim, S-T.; Weigel, D.; Laitinen, R.A.E.
Novel allelic variants in ACD6 cause hybrid necrosis in local collection of Arabidopsis thaliana.

New Phytologist 213, 900-915 (2016)

Plötner, B.; Nurmi, M.; Fischer, A.; Watanabe, M.; Schneeberger, K.; Holm, S.; Vaid, N.; Schöttler, M.; Walther, D; Hoefgen, R.; Weigel,  D.; Laitinen, R.
Chlorosis caused by two recessively interacting genes reveals a role of RNA helicase in hybrid breakdown in Arabidopsis thaliana

The Plant Journal 91, 251-262. (2017)

Alhajturki, D.; Muralidharan, S.; Nurmi, M.; Rowan, B.A.; Lunn, J.; Boldt, H.; Salem, M.; Alseekh, S.; Jorzig, C.; Feil, R.; Giavalisco, P.; Fernie, A.; Weigel, D.;Laitinen, R.A.E.
Dose-dependent interactions between two loci trigger altered shoot growth in BG-5 x Kro-0 hybrids of Arabidopsis thaliana

New Phytologist 217, 392-406 (2018)

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