Genetische Vielfalt hilft in der Krebstherapie

Krebspatienten mit vielen unterschiedlichen Varianten an HLA-Genen sprechen besser auf Behandlung an

7. November 2019

Die ständige Auseinandersetzung mit Krankheitserregern hat das Immunsystem des Menschen im Laufe der Evolution entscheidend geprägt. Eine Schlüsselrolle spielen dabei sogenannte HLA-Moleküle. Diese Proteine präsentieren dem Immunsystem Fragmente von eingedrungenen Krankheitserreger und aktivieren es dadurch. Besitzt ein Mensch viele unterschiedliche HLA-Proteine, ist er gleichzeitig gegen eine Vielzahl von Erregern gewappnet. Forscher vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön haben nun zusammen mit Kollegen aus New York die Vielfalt der zugrundeliegenden HLA-Gene von Krebspatienten untersucht, die mit sogenannten Immuncheckpoint-Hemmern behandelt wurden. Diese Form von Immuntherapie aktiviert die körpereigenen Immunzellen, damit diese Tumorzellen erkennen und beseitigen können. Die Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Patienten mit vielen verschiedenen HLA-Molekülen stärker von einer solchen Therapie profitieren. Mediziner könnten also künftig das HLA-Genprofil eines Patienten bestimmen und ihn anschließend auf dieser Basis individuell behandeln.

In der Evolution eines Organismus setzen sich oft Merkmale durch, die die Überlebens- oder Fortpflanzungschancen ihres Träger erhöhen. Für ein schlagkräftiges Immunsystem könnte es dagegen von Vorteil sein, variabel zu sein und sich möglichst viele Optionen offen zu halten – eine Vermutung, die Federica Pierini und Tobias Lenz vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in einer früheren Studie speziell für HLA-Moleküle getestet und bestätigt haben.

Für ein effektives Immunsystem ist es daher wichtig, möglichst viele verschiedene Varianten von HLA-Molekülen zu besitzen, denn jede Variante kann mehrere unterschiedliche Proteinbruchstücke von Krankheitserregern oder Krebszellen binden. Je unterschiedlicher die Varianten der HLA-Moleküle dabei sind, desto mehr Erregermoleküle können sie den Immunzellen präsentieren. „Krankheitserreger verändern sich laufend, und das Immunsystem muss sich daran anpassen. Das sorgt permanent für neue Diversität in den Immungenen“, erklärt Tobias Lenz vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie.

Unterschiedlich erfolgreiche Krebstherapie

Zusammen mit dem klinischen Wissenschaftler Timothy Chan aus New York und dessen Kollegen haben Pierini und Lenz nun erforscht, welchen Einfluss diese im Laufe der Evolution natürlich entstandene HLA-Diversität auf die Wirksamkeit von Immuntherapien gegen Krebs hat. Bei der Therapie von Krebspatienten mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren werden Proteine gehemmt, die die Immunantwort dämpfen. Dadurch können Immunzellen besser gegen die Tumorzellen vorgehen. Nicht alle Krebspatienten sprechen jedoch gleichermaßen an: Manche besiegen den Krebs mit dieser Therapie vollständig, bei anderen dagegen zeigt sie nahezu keine Wirkung.

Die Wissenschaftler haben untersucht, wie die HLA-Diversität der Patienten mit einem Erfolg der Therapie zusammenhängt. Dabei zeigte sich, dass Patienten mit sehr unterschiedlichen HLA-Varianten besser auf die Therapie ansprechen und länger überleben. „Eine hohe Variabilität der HLA-Gene erhöht die Chancen, dass das Immunsystem die Krebszellen als entartet erkennt und sie bekämpft“, erklärt Lenz.

Die Diversität der HLA-Gene kann durch eine Erbgutanalyse ermittelt werden. Eine solche Analyse wird derzeit im klinischen Bereich evaluiert. Ziel ist es, die Untersuchung der HLA-Diversität für die Krebsdiagnose zu übernehmen, um den Krebspatienten eine individuell optimierte Therapie zu ermöglichen. Aber auch auf dem Gebiet der Infektionskrankheiten könnte die Diversität der HLA-Gene ein wichtiger Marker sein. „Eine Untersuchung von HIV-Patienten hat ergeben, dass Patienten mit einer hohen HLA-Diversität weniger Viren im Blut haben“, berichtet Lenz aus einer weiteren Studie seiner Arbeitsgruppe. Offenbar kann das Immunsystem dieser Patienten den Virus besser kontrollieren.

MN/HR

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