Mit drei Photonen zum 3D-Molekülmodell

Aus wenigen Informationen von simulierten Messungen mit dem Freie-Elektronen-Laser lässt sich Struktur eines Proteins berechnen

8. Juli 2019

Ein Traum von Forschern ist es seit Langem, Strukturen einzelner biologischer Moleküle mithilfe intensiver Röntgenblitze hochaufgelöst zu „fotografieren“ oder sogar zu „filmen“. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen haben nun Messungen mit dem Freie-Elektronen-Laser des Hamburger European XFEL am Computer simuliert und gezeigt, wie sich aus den so erhaltenen sehr wenigen Informationen die 3D-Struktur eines Proteins in atomarer Auflösung rekonstruieren lässt. Ihre dazu neu entwickelte Methode benötigt rund 100 Mal weniger Information pro Bild als bislang erforderlich war.

Der zurzeit größte Röntgenlaser der Welt befindet sich am European XFEL in Hamburg. Mit dem sogenannten Freie-Elektronen-Laser lassen sich ultrakurze Laserlichtblitze erzeugen. Dazu werden zunächst Elektronen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und durch starke Magnetfelder geleitet. Dabei entstehen Röntgenblitze mit extrem hoher Intensität. Treffen die darin enthaltenen Lichtteilchen – Photonen genannt – auf eine zu messende Probe, werden sie gestreut und liefern Wissenschaftlern so wichtige Informationen über die dreidimensionale Struktur dieser Probe.

„Die XFEL-Technik wurde in der Vergangenheit bereits erfolgreich eingesetzt, um die dreidimensionalen Strukturen von Nanokristallen und Viruspartikeln aufzuklären. An einzelnen Molekülen wie Proteinen, die sehr viel kleiner sind, streuen pro Blitz allerdings nur eine Handvoll Photonen – und liefern entsprechend wenig Information. Bisher zu wenig, um die komplexe dreidimensionalen Form eines Proteins in atomarer Auflösung zu bestimmen“, erklärt Helmut Grubmüller, Leiter der Abteilung Theoretische und computergestützte Biophysik am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie.

Proteine verrichten praktisch alle Prozesse in unserem Körper. Sie sorgen dafür, dass unsere Muskeln Kraft ausüben, erzeugen Energie oder erkennen als Antikörper gefährliche Erreger. Um ihre Aufgabe zu erfüllen, müssen sich die meisten Proteine zunächst in eine genau definierte 3D-Struktur falten. Die Struktur liefert Wissenschaftlern daher wichtige Informationen, wie ein Protein seine Arbeit verrichtet. Diese Struktur aufzuklären ist allerdings keine einfache Aufgabe. Forscher setzen dafür unter anderem die Röntgenkristallografie ein. Diese Methode ist jedoch zeitaufwendig und nicht für jedes Protein geeignet. Grubmüller und sein Team haben nun eine neue Methode entwickelt, die es ermöglicht, mithilfe intensiver Röntgenblitze des European XFEL auch die dreidimensionale Struktur einzelner Proteinmoleküle zu berechnen.

Mit nur wenig Informationen zum vollständigen Bild

„Die Energie des XFEL-Röntgenimpulses ist um viele Größenordnungen höher als die in der Medizin eingesetzte Röntgenstrahlung und zerstört das Molekül während der Messung völlig“, so Grubmüller. Daher lässt sich von jedem einzelnen Protein nur genau eine Aufnahme machen – und wir erhalten entsprechend wenig Information pro Bild.“ In Computersimulationen „fotografierten“ der Biophysiker und seine Mitarbeiter daher nicht nur ein einzelnes Protein, sondern mehrere Milliarden Moleküle des gleichen Proteins, eines nach dem anderen. Wie im realen Experiment auch, wurde jedes Protein dabei etwas anders gedreht – zufällig. „Es ist etwa so, als würden wir versuchen, die Milchstraße zu fotografieren“, veranschaulicht der Max-Planck-Forscher. „Statt den gesamten Sternenhimmel zu sehen, leuchten gerade einmal ein paar Sterne pro Bild auf. Der Rest ist dunkel. Nach jedem Foto dreht die Kamera in eine andere, zufällige Richtung. Um daraus ein Gesamtbild der Milchstraße zu erstellen, braucht man daher eine riesige Zahl an einzelnen Bildern. Eine große Herausforderung ist dann, diese Bilder richtig anzuordnen und zu überlagern, sodass am Ende die Milchstraße sichtbar wird.“

Allerdings ist es in der Strukturbiologie noch komplizierter: Statt nur ein zweidimensionales Bild zu erzeugen, muss aus den Daten eine 3D-Struktur berechnet werden. Hier setzt die neue Methode von Grubmüller und seinen Mitarbeitern an – und kommt mit selbst für die Forscher überraschend wenig Informationen aus. Benjamin von Ardenne hat sich während seiner Promotion in der Abteilung Theoretische und computergestützte Biophysik am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie mit der Auswertung solcher Streuversuche beschäftigt: „Wir haben in unseren Simulationen gezeigt, dass wir aus XFEL-Messungen mit nur drei Photonen pro Bild eine dreidimensionale Proteinstruktur rekonstruieren können. Für bisher verfügbare Verfahren benötigte man bisher einige 100 Photonen pro Bild.“ Mit ihrer neuen Methode erreichten die Göttinger Forscher eine Auflösung von einem drei millionstel Millimeter – genug, um einzelne Atome zu sehen.

cr/jp

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