Max-Planck-Gesellschaft veröffentlicht Umfrage zu Arbeitskultur und -atmosphäre

Ergebnisse zeigen: Prinzipien des wissenschaftlichen Handelns müssen um Prinzipien des Zusammenarbeitens ergänzt werden

27. Juni 2019

Der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Prof. Dr. Martin Stratmann, hat im Februar 2019 eine wissenschaftlich gestützte Max-Planck-weite Umfrage zu Arbeitskultur und Arbeitsatmosphäre in Auftrag gegeben. Jetzt liegen die Ergebnisse vor. „Wir wollten ein Stimmungsbild aus der ganzen Organisation bekommen und Transparenz über Zusammenarbeit und Führungskultur in der Max-Planck-Gesellschaft herstellen“, so Martin Stratmann. „Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, eine leistungsorientierte und gleichzeitig wertschätzende Arbeitskultur und -atmosphäre an unseren Instituten weiter zu fördern und an relevanten Stellen entsprechende Maßnahmen für Veränderung einzuleiten.“

Die Studie wurde von einem Forschungsteam des Fraunhofer-Instituts für Arbeitsorganisation durchgeführt. Über 9.000 Mitarbeitende der Max-Planck-Gesellschaft, das sind 38 Prozent, haben sich an der Umfrage beteiligt. Die Studie ist in dieser Form einzigartig, da erstmals nicht nur Promovierende sowie Postdoktorandinnen und Postdoktoranden, sondern alle wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Mitarbeitenden befragt wurden. Auch das Thema Mobbing wurde untersucht, nachdem entsprechende Vorwürfe an zwei Max-Planck-Instituten Gegenstand der öffentlichen Berichterstattung in 2018 gewesen waren.

Die Ergebnisse im Überblick

Die Einzigartigkeit des Datensatzes gibt eine Benchmark vor in einem generell noch wenig erforschten Umfeld der Arbeitsbedingungen in der Spitzenforschung.

  • In den letzten 12 Monaten haben rund 10 Prozent der Befragten nach eigener Einschätzung Erfahrung mit Mobbing am Arbeitsplatz gemacht. Im Vergleich mit bisherigen internationalen Studien ist dies ein durchschnittlicher Wert. Erfahrungen mit sexueller Diskriminierung haben im gleichen Zeitraum 3,9 Prozent aller Befragten mindestens gelegentlich gemacht, was im internationalen Vergleich eher unterdurchschnittlich ist. So gibt beispielsweise ein aktueller Bericht der US-amerikanischen National Academies of Sciences, Engineering and Medicine diesbezüglich einen Wert von 20 Prozent an.
  • Die Beschäftigten der Max-Planck-Gesellschaft zeigen ein hohes Committment zur Organisation, d.h. sie sind zu hohem individuellen Engagement bereit und in ihren jeweiligen Arbeitseinheiten durch eine starke gemeinsame Vision und Kollegialität miteinander verbunden.
  • Den Führungskräften wird mit einer deutlichen Mehrheit eine hohe Veränderungsbereitschaft sowie Mitarbeiterorientiertung bescheinigt. Nichtwissenschaftliche Beschäftigte sind dabei etwas kritischer. Insbesondere bestätigen sie seltener, dass ihre Führungskraft sie respektiert.
  • Defizite gibt es beim Mentoring durch die direkten Führungskräfte. Insbesondere Frauen fühlen sich weniger in ihrer Karriere unterstützt. Doch auch unter den Hauptadressaten, den Promovierenden sowie den Postdoktorandinnen und Postdoktoranden stimmt nur jede/r Zweite/r den Aussagen im Survey zur Unterstützung bei der Karriereentwicklung zu.

Leistungsdruck und Mobbing

  • Deutlich häufiger fühlen sich nichtwissenschaftliche Beschäftigte in ihrer Arbeit behindert, wohingegen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler etwas häufiger unter Druck gesetzt sehen, Dinge (bspw. Urlaubs- oder Elternzeiten), die ihnen rechtmäßig zustehen, nicht in Anspruch zu nehmen.
  • Nichtwissenschaftlich Beschäftigte waren nach eigener Einschätzung in den 12 Monaten vor der Befragung deutlich häufiger von Mobbing betroffen; die Wahrscheinlichkeit liegt um 50 Prozent höher als bei wissenschaftlich Beschäftigten.
  • Das Gefühl, ignoriert oder ausgeschlossen zu werden, kennen 28,1 Prozent der deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler; unter den EU-Ausländerinnen und -Ausländern ist es hingegen fast jede/r Zweite, unter den Personen aus einem Nicht-EU-Ausland jede/r Dritte.
  • Nahezu jede/r fünfte Mitarbeitende war in den vergangenen zwölf Monaten Ziel spontaner Verärgerung.

Work-Life-Balance

  • Über ein Drittel der Beschäftigten gibt an, dass das Privatleben mindestens ein paarmal im Monat unter der Arbeit leidet. Dabei antworten Frauen grundsätzlich nicht anders als Männer; mit zunehmendem Alter verlieren Konflikte der Work-Life-Balance an Bedeutung.
  • Die Mehrheit der Beschäftigten der Max-Planck-Gesellschaft mit Kindern hat sich während der eigenen Schwangerschaft oder der Schwangerschaft der Partnerin von der jeweiligen Einrichtung unterstützt gefühlt. Insbesondere Frauen geben jedoch an, durch ihre Schwangerschaft (10,9 Prozent), ihre Kinder oder ihre Elternzeit (13,7 bzw. 13,1 Prozent) Karrierenachteile erlebt zu haben.

Sexuelle Diskriminierung

  • Von allen Befragten gaben 3,9 Prozent an, sich in den 12 Monaten vor der Befragung mindestens gelegentlich durch Kolleginnen bzw. Kollegen oder Vorgesetzte am Arbeitsplatz sexuell belästigt oder diskriminiert gefühlt zu haben. Dabei sind Frauen dreimal häufiger von sexueller Diskriminierung betroffen als Männer.
  • In den 12 Monaten vor der Befragung hat jede dritte Beschäftigte der Max-Planck-Gesellschaft eine Ungleichbehandlung aufgrund ihres Geschlechts erlebt – dreimal häufiger als männliche Beschäftigte. Personen auf der wissenschaftlichen Leitungsebene, d.h. Direktorinnen und Direktoren sowie Gruppenleitungen gaben mit 26,3 Prozent am häufigsten an, aufgrund ihres Geschlechts anders behandelt worden zu sein.

Maßnahmen für Veränderungen

Die Ergebnisse der Umfrage bilden die Basis, um Maßnahmen für notwendige Veränderungsprozesse einzuleiten. „Prinzipien des wissenschaftlichen Handelns müssen um Prinzipien des Zusammenarbeitens ergänzt werden“, so der Präsident. Indem neue Maßnahmen eingeführt und die bestehenden Maßnahmen noch besser in der Max-Planck-Gesellschaft verankert werden, soll ein Kulturwandel vorangetrieben werden. Zentral ist die Etablierung von Regelungen zum Umgang mit nichtwissenschaftlichem Fehlverhalten sowie ein Code of Conduct zu Führung. „Wir haben eine Null-Toleranz-Politik in Bezug auf Mobbing und sexuelle Belästigung“, betont Martin Stratmann. Ein Code of Conduct zum Schutz vor sexualisierter Diskriminierung existiert bereits seit Anfang 2018. Auch die Mustervereinbarung zu Mobbing soll zu einer Gesamtbetriebsvereinbarung gemacht werden. Weitere, bereits in der Umsetzung befindliche Maßnahmenpakete adressieren eine ganzheitliche Willkommenskultur sowie konsequentere und umfassende Integrationsbemühungen. „Die Kommunikation unseres Commitments zu einem respektvollen und aufmerksamen Umgang miteinander muss zentraler Gegenstand unseres Onboardings sein“, betont der Präsident.

Trainings und Entwicklungsprogramme sollen ausgeweitet werden: Dazu gehören vor allem Mentoring-Maßnahmen auf allen Arbeitsebenen sowie Führungskräfte-Trainings und -Coachings. Die 2018 gegründete Abteilung für Personalentwicklung und Chancen hat unter dem Dach der sogenannten Planck Academy bereits verschiedene Maßnahmen etabliert, die jetzt in die Fläche getragen werden sollen.

Mit Blick auf die Themen Mobbing und sexuelle Belästigung hat die Max-Planck-Gesellschaft im vergangenen Jahr damit begonnen, die internen Meldewege zu optimieren. Ein die Vertraulichkeit sicherstellender Meldeweg über eine Anwaltskanzlei wurde zusätzlich implementiert und auf die gesamte Organisation ausgeweitet. Um Verfahrenssicherheit herzustellen, wurde in der Generalverwaltung eine neue Stelle für eine Untersuchungsleiterin geschaffen.

Darüber hinaus hat der Präsident eine interne Task Force unter der Leitung von Prof. Dr. Wieland Huttner, emeritierter Direktor am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik, einberufen, die das Umfrageprojekt vorbereitet und begleitet hat. Die Task Force wird zusammen mit dem Fraunhofer-Forscherteam auf der Basis insbesondere einer zielgruppenspezifischen Auswertung bis zum Herbst weitere Handlungsempfehlungen sowie Maßnahmen erarbeiten.

Herausfordernd bleibt es, dem begründeten Wunsch nach mehr Dual Career-Angeboten und Kinderbetreuung zu entsprechen: „Hier sind wir auf politische Unterstützung und das Engagement in institutionellen Netzwerken angewiesen“, sagt Martin Stratmann und verweist darauf, dass viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Großbritannien, der Schweiz oder Frankreich kommend dort entsprechende Ganztagsschulsysteme kennen und in Deutschland dann vor erheblichen Herausforderungen stehen, um die Kinderbetreuung zu organisieren. Im Fokus der neuen Personalentwicklungsabteilung steht daher auch eine intensivere Unterstützung der Institute durch den Ausbau des Family Office, um für Mitarbeitende mit Kindern vor Ort eine noch stärkere Entlastung sowie innovative Lösungen im Kontext von Vereinbarkeit zu befördern.

Erstellung der Studie

Um die Neutralität, den Datenschutz und vor allem die wissenschaftliche Qualität des Vorhabens zu gewährleisten, wurde ein Forschungsteam am Center for Responsible Research and Innovation des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO (CeRRI) unter Leitung von Prof. Dr. Martina Schraudner beauftragt, das Projekt durchzuführen. Es handelt sich um die nach absoluten Zahlen größte Stichprobe zur Untersuchung einer wissenschaftlichen Einzelorganisation. Die Befragung ist in hohem Maße repräsentativ, da die Größe der Stichprobe in einem sehr guten Verhältnis zur Grundgesamtheit steht. „Im Vergleich zu den recherchierten Studien wurde ein hinsichtlich seiner Stichprobengröße, Detailliertheit und thematischen Breite weltweit einzigartiger Datensatz zu den Arbeitsbedingungen in der Spitzenforschung zusammengetragen“, betont Martina Schraudner.

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