Forschungsbericht 2018 - Max Planck Institute Luxembourg for International, European and Regulatory Procedural Law

Europäisches Recht und internationale Schiedsgerichtsbarkeit: Ein Dialog zwischen Rechtsordnungen

Autoren
Ruiz Fabri, Hélène
Abteilungen
Max Planck Institute Luxembourg for International, European and Regulatory Procedural Law, Luxemburg
Zusammenfassung
2018 schloss das Max-Planck-Institut Luxemburg (MPI Luxemburg) ein Forschungsprojekt ab, das die prozessualen und materiellen Unvereinbarkeiten zwischen dem EU-Recht und der auf Investitionsschutzabkommen basierenden Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit untersucht hat. 

In einem Forschungsprojekt der Abteilung für internationales Recht und alternative Streitbeilegung am MPI Luxemburg haben wir die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit und die verschiedenen Dimensionen der systemischen Probleme, die sich daraus ergeben, untersucht. Anlass waren die wachsenden Bedenken gegenüber dieser speziellen Art der Streitbeilegung, die nicht nur bei der Bevölkerung, sondern auch bei der Europäischen Kommission und den Mitgliedsstaaten herrschen. Ziel unseres Projekts war es, sowohl einen ganzheitlichen Ansatz für jene Investitionsvereinbarungen zu entwickeln, die von der Europäischen Union (EU) oder ihren Mitgliedsstaaten geschlossen wurden, als auch alle etwaigen daraus resultierenden Unvereinbarkeiten zu untersuchen. Ein besonderes Augenmerk richteten wir auf die Inklusion der internationalen Investitionsschiedsgerichtsbarkeit in das Europarecht durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).

Tatsächlich wurden dem EuGH diesbezüglich Fälle zur Entscheidung vorgelegt, von denen einige (zum Beispiel Micula [1]) kontrovers diskutiert wurden. In anderen Fragen, etwa zur Frage, ob die in Drittstaatenabkommen enthaltenen Investor-Staat-Schiedsvereinbarungsklauseln mit EU-Recht vereinbar sind, wurde der EuGH um Gutachten ersucht. Diese vom EuGH erlassenen Urteile und Gutachten bildeten die Basis für das Forschungsprojekt, das auf einen Workshop zum EuGH-Gutachten 2/15 (Freihandelsabkommen zwischen der EU und Singapur [2]) zurückgeht, den unsere Abteilung in Zusammenarbeit mit der Universität Luxemburg veranstaltet hat.

Ein Schwerpunkt des Projekts lag in der gründlichen Untersuchung des bahnbrechenden Achmea-Urteils und der in diesem Verfahren vorgetragenen Schlussanträge von Generalanwalt Wathelet – zwei Dokumente, die in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle spielen [3, 4]. Dadurch gelang es uns, das Zusammenspiel von EU-Recht zum einen und internationalem Investitionsrecht zum anderen konkret zu beleuchten (beispielsweise in Hinsicht auf die Auswirkung auf die Gerichtsbarkeit und dabei die Rolle nationaler Gerichte). Der daraus folgende logische Schritt war die Zusammenarbeit mit den Spezialisten für internationale Schiedsgerichtsbarkeit Emmanuel Gaillard und Yas Banifatemi vom International Arbitration Institute. In der gemeinsam durchgeführten Untersuchung grundsätzlicher Fragen ließen wir uns von einem dreifachen Ansatz leiten: erstens dem Vergleich von inhaltlichen Grundsätzen des Investitionsschutzes im EU-Recht und dem internationalem Investitionsrecht; zweitens dem Rückgriff auf internationale Schiedsgerichtsbarkeit als Streitbeilegungsmittel in Fällen, die dem EU-Recht unterliegen könnten; und drittens der Frage, ob systemische Konflikte zwischen internationaler Investitionsschiedsgerichtsbarkeit und EU-Recht auftreten.

Schon ein flüchtiger Blick auf den Forschungsinhalt verdeutlicht, dass durchgehend auf eine umfassende Herangehensweise Wert gelegt wurde: Die Teilnehmer beschäftigten sich mit so unterschiedlichen Themen wie materieller und prozessualer Transparenz, gleicher Zugänglichkeit unabhängig von Investorenverpflichtungen, staatlicher Verantwortung und dem Vorschlag der Europäischen Kommission, einen multilateralen Investitionsgerichtshof einzurichten. Die Einrichtung eines multilateralen Investitionsgerichtshofs war übrigens kein Novum: Bereits im März 2018 haben wir bei einem Expertentreffen in Brüssel einen Vortrag zum Thema „Multilateral Reform of Investor-State-Dispute Settlement“ gehalten. Dies unterstreicht nicht nur die Bedeutung und Relevanz dieses Forschungsobjekts, sondern bezeugt gleichzeitig den hohen Sachverstand, über den die Abteilung in diesem Bereich verfügt.

Im Verlauf des Projekts gab es zahlreiche Abteilungsbesprechungen und Workshops, die den Ideenaustausch anregen und Debatten fördern sollten. Eines dieser Treffen war ein von Hélène Ruiz Fabri und Emmanuel Gaillard geleitetes Rundtischgespräch in Kavala (Griechenland). An ihm nahmen renommierte Schiedsrichter, Richter aus den EU-Mitgliedsstaaten und Mitglieder des Europäischen Gerichtshofs und des Internationalen Gerichtshofs teil. Ziel dieser Veranstaltung, die als erste ihrer Art gelten kann, war es, einen interaktiven Dialog in einer ungezwungenen Atmosphäre zu ermöglichen. In Vorbereitung auf das Gespräch wurden Referentinnen und Referenten ernannt, deren einführende Gedanken als Ausgangspunkt der Diskussionen dienten. Die Ergebnisse des Projekts inklusive die Ergebnisse der Workshops wurden als Bände der Reihe International Arbitration Institute Series veröffentlicht [5].

Literaturhinweise

Gerichtshof der Europäischen Union

Ioan Micula, Viorel Micula, S.C. European Food S.A., S.C. Starmill S.R.L., and S.C. Multipack S.R.L. v Romania (ICSID Case No. ARB/05/20); Case T-704/15, Action brought on 28 Nov. 2015 – Micula e.a. v Commission [2016] OJ C68/30
Luxemburg (2016)

Gerichtshof der Europäischen Union

ECJ, Opinion 2/15 (EU-Singapore Free Trade Agreement) of 16 May 2017, EU:C:2017:376
Luxemburg (2017)

Gerichtshof der Europäischen Union

ECJ, Judgment of 6 Mar. 2018, Slovak Republic v Achmea B.V., C-284/16, EU:C:2018:158
Luxemburg (2018)

Gerichtshof der Europäischen Union

ECJ, Opinion AG Wathelet of 19 Sept. 2017, Slovak Republic v Achmea B.V., C-284/16, EU:C:2017:699
Luxemburg (2017)

Ruiz Fabri, H.; Gaillard, E. (Eds.)

EU Law and International Investment Arbitration: A Dialogue between Legal Orders (IAI Series on International Investment Arbitration No. 11)
New York, JurisNet, 724 pp. (2018)
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