Hochfliegende Astronomie mit deutschem Instrument

Infrarot-Spektrometer an Bord des Observatoriums Sofia absolviert erfolgreichen Erstflug

7. April 2011

Als der Jumbo um 6.40 Uhr lokaler Zeit auf der Piste der Dryden Aircraft Operations Facility im kalifornischen Palmdale aufsetzt, beginnt eine neue Ära der beobachtenden Astronomie: Denn an jenem 6. April 2011 hat der zur Infrarot-Sternwarte Sofia umgebaute Jet gerade seinen ersten Forschungsflug mit Great absolviert, dem unter anderem vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie entwickelten Spektrometer. Auf dem Beobachtungsprogramm standen die Molekülwolke M 17, eine Region mit verstärkter Sternentstehung in unserer Milchstraße, sowie die nur wenige Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie IC 342.

„Diese allerersten Spektren mit Great sind die Belohnung für etliche Jahre harter Arbeit zur Entwicklung des auf neuesten Technologien basierenden Spektrometers. Sie zeigen das herausragende wissenschaftliche Potenzial der luftgestützten Ferninfrarot-Spektroskopie“, freut sich Projektleiter Rolf Güsten, Wissenschaftler am Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie nach dem Jungfernflug. Die große Sammelfläche des Teleskops mit 2,7 Meter Durchmesser, gepaart mit enormen Fortschritten der Terahertz-Technologien während der letzten Jahre, lasse Great 100-fach schneller Daten erfassen als in früheren Experimenten. „Das eröffnet den Weg für einzigartige wissenschaftliche Beobachtungen.“

Great steht für German Receiver for Astronomy at Terahertz Frequencies und wurde unter Güstens Leitung von Forschern am Bonner Max-Planck-Institut und der Universität zu Köln entwickelt, in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung und dem DLR-Institut für Planetenforschung. Das Instrument nutzt die große Flughöhe des Stratosphären-Observatoriums Sofia, der derzeit einzigen fliegenden Sternwarte weltweit. Denn in Höhen von zehn bis 13 Kilometern über dem Boden wird die Erdatmosphäre auch für die Ferninfrarot-Strahlung aus dem Weltraum durchlässig, die der Wasserdampf in darunter liegenden Schichten verschluckt. Dadurch erschließt das Observatorium astronomisch wichtige Spektrallinien der Beobachtung.

So hat Great auf dem Flug am 6. April in den Quellen M 17 und IC 342 neben der Strahlung des ionisierten Kohlenstoffs bei einer Frequenz von 1,9 Terahertz (entsprechend einer Wellenlänge von 0,158 Millimeter) auch Spektrallinien des warmen Kohlenmonoxids bei hoher Anregung beobachtet. Diese Linien künden von atomaren Prozessen, die zu einer Kühlung des interstellaren Materials führen. Das Gleichgewicht zwischen Heizungs- und Kühlungsprozessen wiederum reguliert die Temperatur des interstellaren Mediums und damit auch die Ausgangsbedingungen für die Entstehung von neuen Sternen.

Jürgen Stutzki von der Universität zu Köln, der zweite Projektmanager des Teams, sagt: „Die ionisierte Kohlenstofflinie wird durch intensive Ultraviolettstrahlung von neugebildeten Sternen angeregt. Sie gibt uns einen einzigartigen Zugang zum Verständnis der physikalischen Prozesse und chemischen Bedingungen in den stellaren Geburtsstätten. Sofia ermöglicht es uns, zu verstehen, wie junge Sterne entstehen und wie sie ihre Geburtswolken verändern.“

„Der erste Wissenschaftsflug des Empfängers markiert den Beginn der deutsch-amerikanischen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Sofia-Projekt. Wir blicken dem zukünftigen Messbetrieb zuversichtlich entgegen“, sagt Alois Himmes, der Projektmanager für Sofia am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Nach diesen ersten Charakterisierungsflügen wird das Observatorium für die Nutzung durch interessierte Astronomen geöffnet. „Im Sommer 2011 sollen deutsche Astronomen mit Sofia zum ersten Mal wissenschaftlich beobachten“, erklärt Alfred Krabbe, der Leiter des deutschen Sofia-Instituts (DSI) an der Universität Stuttgart.

(HOR / NJ)

 

Begriffserklärung

Great
Der German Receiver for Astronomy at Terahertz Frequencies ist ein Spektrometer für Beobachtungen im Ferninfrarot-Bereich des elektromagnetischen Spektrums bei Frequenzen von 1,25 bis 5 Terahertz (60 bis 240 Mikrometer Wellenlänge), die aufgrund der Wasserdampfabsorption in der Atmosphäre vom Erdboden aus nicht zugänglich sind. Great wurde entwickelt vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) und der Universität zu Köln, in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung und dem DLR-Institut für Planetenforschung. Rolf Güsten (MPIfR) ist Projektleiter für Great. Die Entwicklung des Instruments wurde finanziert durch die beteiligten Institute, die Max-Planck-Gesellschaft, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Sofia

Das Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie, ist ein Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der National Aeronautics and Space Administration (Nasa). Es wird auf Veranlassung des DLR mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages und mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg und der Universität Stuttgart durchgeführt. Der wissenschaftliche Betrieb wird auf deutscher Seite vom Deutschen Sofia Institut (DSI) der Universität Stuttgart koordiniert, auf amerikanischer Seite von der Universities Space Research Association (Usra).

M 17

Eine interstellare Molekülwolke, die etwa 10.000 Sonnenmassen an Gas enthält und von einem jungen Sternhaufen mit mehr als einer Million Sonnenleuchtkräften beschienen wird. Die ultraviolette Strahlung des Haufens ionisiert und heizt das Gas auf; dabei könnte sie das Gas soweit komprimieren, dass sich daraus weitere Sterne bilden. Die Sofia-Beobachtungen erlauben, diesen Kompressionseffekt zu vermessen und mit der Aufheizung des Gases, die zu einer Expansion führt, zu vergleichen. Auf diese Weise können wir den Sternentstehungsprozess untersuchen.

IC 342

Die nächstgelegene gasreiche Spiralgalaxie mit aktiver Sternentstehung im Kernbereich. Innerhalb der zentralen 30 Bogensekunden münden zwei Spiralarme mit molekularem Gas in einem klumpigen Zentralring aus dichtem Gas, der wiederum einen jungen Sternhaufen umschließt. Dessen massereiche junge Sterne heizen Gas und Staub in der Umgebung auf und erzeugen viele chemische Verbindungen sowie intensive Strahlung aus einem Bereich, der mit dem Fachbegriff Photon Dominated Region (PDR) bezeichnet wird. Die intensive Strahlung aus diesen PDR-Regionen ermöglicht die detaillierte Untersuchung der chemischen und physikalischen Bedingungen zur Entstehung massereicher Sterne nicht nur in unserer Milchstraße, sondern auch in benachbarten Galaxien.

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