Pioniere zwischen den Polen

Batterien sind mehr als 200 Jahre alt, aber noch längst nicht ausgereizt. Joachim Maier und seine Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung wollen herausfinden, wie sich Lithiumbatterien etwa mit­hilfe der Nanotechnik optimieren lassen.

Um die knappen Ressourcen der Energie besser zu nutzen, muss sie effizienter gespeichert und umgewandelt werden. Die Elektrochemie, der wir Batterien und Brennstoffzellen verdanken, kann hier helfen. Denn sie erlaubt es, chemische Energie mit hohem Wirkungsgrad in elektrische Energie umzusetzen und umgekehrt.

Der moderne Alltag verlangt zudem nach kleinen, leichten und dennoch leistungsfähigen Akkus; man denke an Mobiltelefone, Notebooks, Digicams oder Camcorder. Und die Herausforderungen wachsen: Künftig sollen die elektrochemischen Speicher auch umweltfreundliche Hybrid- oder Elektroautos über Hunderte Kilometer mit Strom versorgen. Lithiumbatterien gelten dafür derzeit als vielversprechende Kandidaten – vor allem wenn sie noch leistungs­fähiger werden. Daran arbeitet Joachim Maier, Direktor am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart, zusammen mit seinen Mitarbeitern. Eine ganze Reihe von Fortschritten ist ihnen dabei schon gelungen. „Uns geht es primär um Grundlagenforschung“, betont Maier. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse setzen die Wissenschaftler aber auch in Erfindungen um, die für die Industrie interessant sind.

Langfristig könnten sie sogar dazu beitragen, den Tank im Auto durch eine Batterie zu ersetzen. Wollte man ein Auto mit üblicher Reichweite per Bleiakku antreiben, würde die Batterie etwa eine Tonne wiegen. Blei hat ein sehr hohes spezifisches Gewicht und kann daher pro Kilogramm nur ziemlich wenig Energie speichern. Etwas günstiger sieht es beim Metallhydrid-Akkumulator aus, aber für einen reinen Elektroantrieb ist auch dieser nicht leistungsfähig genug. Nickel oder Cadmium, die oft verwendet werden, haben ebenfalls eine große spezifische Masse. Dennoch unterstützt solch ein Speicher schon den Verbrennungsmotor des Hybrid-Autos Toyota Prius. Mit einem Metallhydrid-Akku alleine käme ein Auto jedoch nicht weit.

Doch Alternativen sind rar: „Aus elektrochemischer Sicht“, beschreibt Joachim Maier die Herausforderungen, „schränken die Molekularmasse und andere spezifische Eigenschaften, aber auch die Toxizität, die Verfügbarkeit und die Kosten die Auswahl der Elemente und Verbindungen für Elektrolyte und Elektroden ein.“

Klein, leicht, beweglich – Lithium ist ideal

Lithium empfiehlt sich als wesentliche Komponente einer Batterie, da es sehr hohe Zellspannungen und hohe Energie- sowie Leistungsdichten pro Masse verspricht. Warum, verrät ein Blick ins Periodensystem der Elemente: Die kleinen Atome des leichtesten Alkalimetalls – mit der Ordnungszahl drei folgt es im Periodensystem direkt hinter Wasserstoff und Helium – sind besonders beweglich und können sich in großen Mengen an Festkörper binden oder darin lösen. Ebenfalls wegen der exponierten Stellung des Elements im Perioden­system bringt es eine einzelne Lithiumzelle auf eine Spannung von drei bis fünf Volt. Lithium gibt nämlich sehr gerne Elektronen ab. Wird es in einer galvanischen Zelle mit einem Partner zusammengeschaltet, der gerne Elektronen aufnimmt, ergibt sich in der Zelle eine hohe Spannung. Selbst fünf Volt reichen aber längst nicht, um ein Auto anzutreiben. Dafür braucht es mehrere hundert Volt. Die lassen sich mit einer Batterie erzielen, in der viele galvanische Zellen in Reihe geschaltet sind.

Seit fast zwanzig Jahren beschäftigen sich Maier und sein Team mit Lithiumbatterien und haben seither ein Dutzend Patente dazu angemeldet. Sowohl für die Elektroden, die Pole der Batterie, als auch für Elektrolyte – die leitfähigen Materialien, die die Pole im Inneren der Zelle miteinander elektrisch verbinden – haben sie wichtige Grundlagen aufgeklärt und damit Voraussetzungen für technische Verbesserungen geschaffen.

In Lithiumbatterien, die auch Lithium-Ionen-Akkus genannt werden, bewegen sich die Lithiumionen in einer Art Schaukelstuhleffekt zwischen der negativen Elektrode, dem negativen Pol der Batterie, und der positiven Elektrode hin und her. Beim Laden wandern sie vom positiven zum negativen Pol, nehmen dort jeweils ein Elektron auf und werden als neutrales Lithium gespeichert. Beim Entladen geben die Lithiumatome wieder Elektronen ab, die dann etwa einen Elektromotor mit Strom versorgen können. Die Ionen bewegen sich durch den Elektrolyten zurück zum negativen Pol. Als negative Elektrode dienen in der Regel Materialien aus Kohlenstoff oder Zinn, in denen Lithium leicht lösbar ist, während die positive Elektrode aus Übergangsmetalloxiden besteht, beispielsweise aus Lithiumkobaltoxid. Beim Laden wird Lithium vom Oxid in den Kohlenstoff gepumpt, beim Entladen läuft der Prozess umgekehrt, wobei die Pumpenergie wieder frei wird. Als Elektrolyte dienen überwiegend flüssige organische Lösemittel, die Lithiumsalze enthalten. Mechanisch stabiler und formbar sind dagegen kristalline Elektrolyte, was für technische Anwendungen praktisch sein kann, allerdings hapert es bei ihnen an der nötigen Leitfähigkeit.

Nasse Sande als Elektrolyte

Joachim Maier und seine Mitarbeiter haben nun eine Möglichkeit gefunden, Flüssigelektrolyte zu verbessern. Sie versetzen die Flüssigkeiten mit sehr kleinen Partikeln aus festen oberflächenaktiven Keramikoxiden, beispielsweise Siliziumoxid, dem Hauptbestandteil von Sand, oder Titandioxid. Das Gemisch, das dabei entsteht, nennen die Forscher „Nasse Sande“ (englisch: Soggy Sand Elektrolyte) – nahezu feste, formbare Materialien, die gut zu verarbeiten sind. Obendrein verbessern die Keramik­oxid-Partikel auch noch die Leitfähigkeit. „Als wir das theoretisch voraussagten, waren einige Kollegen zunächst überrascht“, sagt Joachim Maier: „Inzwischen können wir eine Fülle solcher Materialien herstellen.“

Mit den Nassen Sanden haben die Stuttgarter Forscher Elektrolyte gefunden, die viele nützliche Eigenschaften miteinander verbinden. Sie verringern den Innenwiderstand der Zellen, halten die Elektroden auf Abstand und sind weniger entflammbar. Sie sind wie feste Elektrolyte formbar, erlauben wegen der flüssigen Komponente aber ein besseres Kontaktverhalten zu den Elektroden. Die Elektroden zu verbessern gelang den Wissenschaftlern nicht zuletzt dank einer grundlegenden Erkenntnis: Die Eigenschaften von Materialien lassen sich nicht nur über ihre chemische Zusammensetzung verbessern, sondern auch über die Morphologie. Als Morphologie bezeichnen Materialwissenschaftler das äußere Erscheinungsbild eines Stoffes; sie wird durch die typischen Durchmesser und die Grenzflächen in dem Material charakterisiert.

Die Eigenschaften eines Stoffs hängen also auch stark davon ab, ob er als Block, in einer dünnen Schicht oder in Form von Nanopartikeln verarbeitet wird. „Neue Verbindungen und Strukturen öffnen die Tür zu neuen Eigenschaftswelten“, sagt Joachim Maier, „und mit den richtigen Zutaten und Kunstgriffen können wir diese Eigenschaften dann optimieren.“

Kondensator im Nanoformat

In diesem Zusammenhang haben die Stuttgarter einen neuen Speichermechanismus erforscht, der die Vorteile der elektrostatischen Speicherung im Kondensator mit der elektrochemischen Speicherung in der Batterie verbindet. Der Kondensator, im einfachsten Fall zwei gegensätzlich geladene Metallplatten, gibt seine Ladung schnell ab, seine Kapazität ist aber auch ebenso schnell erschöpft. Eine Batterie hat dagegen eine hohe Kapazität, Ladung aufzunehmen, verhält sich beim Auf- und Entladen aber träge.

Schnelligkeit und hohes Speichervermögen zu vereinen klingt wie die Quadratur des Kreises. Denn hohe Kapazitäten verlangen üblicherweise lange Transportwege und daher lange Ladezeiten. Doch die Stuttgarter Forscher kamen aufgrund theoretischer Untersuchungen zu dem Schluss, dass ein neuartiger Mechanismus dieses Problem lösen kann. Lithium lässt sich nämlich in den Grenzflächen zweier Stoffe speichern, die jeder für sich genommen dazu nicht in der Lage sind. Aus Lithiumoxid und Ruthenium stellen die Stuttgarter Forscher eine nanoskopische Pulvermischung her, die als negativer Pol einer Batterie dient. Ruthenium kann nur Elektronen aufnehmen und Lithiumoxid nur Lithiumionen, in keine der beiden Substanzen aber dringt elementares Lithium ein.Allerdings setzen sich die Ionen an die Oberfläche des Lithiumoxids, die Elektronen sammeln sich an der Oberfläche des Rutheniums. Nun liegt die Ladung darin so getrennt wie in einem Kondensator und kann auch ebenso schnell abfließen wie aus diesem. Nach demselben Mechanismus wird der Ladeprozess beschleunigt. Dabei können die nanostrukturierten Elektroden aber so viel Ladung speichern wie herkömmliche Batterie-Pole.

Der Lade- und Entladeprozess lässt sich auch mit mesoporösen Kohlenstoff­elektroden beschleunigen. Da deren Poren hierarchisch aufgebaut sind, verkürzen sich die Transportwege von Ionen und Elektronen: Wie die Luft durch die Bronchien wandern die Ionen und Elektronen durch ein sich immer feiner verästelndes System von Hohlräumen. Solche Materialien erforscht Joachim Maier zusammen mit Markus Antonietti, Direktor am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam. Um die chemischen Grundlagen der Energieversorgung von morgen zu untersuchen, haben sich ihre Institute mit drei weiteren Max-Planck-Instituten zum EnerChem-Verbund zusammengeschlossen. Als Ergebnis der gebündelten Aktivitäten haben die Forscher die Füllzeit von Lithiumbatterien dank der mesoporösen Kohlenstoffelektroden drastisch verkürzt. Dadurch wird eine Schnellspeicherung möglich. Mesoporöser Kohlenstoff besitzt zudem eine hohe Kapazität, kann also viele Lithiumionen aufnehmen.

Vor- und Nachteile von Lithium-Eisenphosphat

Joachim Maier und seine Mitarbeiter haben das hierarchische Prinzip kürzlich auf Festkörper erweitert, die nicht nur Ionen schlecht leiten, sondern auch Elektronen. Indem sie das Material mit sich immer weiter verzweigenden Nanoporen versehen und die Poren mit Elektrolyt füllen, erhöhen sie zunächst die Verfügbarkeit der Ionen. Die Elektronenleitung verbessert sich so aber nicht. Dieses Problem lösen die Stuttgarter Forscher durch Metallisierung: Sie überlagern die Poren mit einem metallischen Transportnetzwerk, durch das die Elektronen gut fließen. Dank dieser Fortschritte steigen die Chancen, dass Lithiumeisenphosphat zum Material der Wahl avanciert, um daraus Kathoden in Lithiumbatterien herzustellen. Es ist ohnehin bereits der heimliche Favorit der Hersteller. Denn mit Lithium-Eisenphosphat lässt sich theoretisch eine hohe Energiedichte erreichen, es ist preiswert, sicher und belastet die Umwelt nicht.

Doch bislang hat das Material einen entscheidenden Nachteil: Es leitet Strom äußerst schlecht, was Anwendungen in einer Batterie erschwert. Die grundlegenden Erkenntnisse, die Joachim Maier und seine Mitarbeiter am Max-Planck-Institut gewonnen haben, könnten das ändern. „Die moderne Elektrochemie ist so faszinierend“, sagt Maier, „weil fundamentales Wissen über die physikalische Chemie und deren technische Anwendung so nahe beieinander liegen.“

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