Forschungsbericht 2018 - Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns

Kleine Protein-Veränderungen mit großer Wirkung

Autoren
Matić, Ivan; Colby, Thomas; Burkert, Annegret
Abteilungen
Excellence-Cluster Cellular Stress Responses in Aging-Associated Diseases (CECAD)
Zusammenfassung
Die als ADP-Ribosylierung (ADPr) bezeichnete Proteinmodifikation hat, obwohl im Molekül eher unscheinbar, einen großen Einfluss auf den Gesundheitszustand unseres Körpers, sowohl bei bakteriell bedingten Krankheiten bis hin zu Krebs. Jedoch war es in den vergangenen Jahrzehnten schwierig, den Wirkmechanismus dieser Modifikation detailliert zu untersuchen. Erst mithilfe modernster Proteinanalysen konnten w ir herausfinden, dass eine an die Aminosäure Serin gekoppelte ADPr nicht nur weit verbreitet, sondern, vor allem bei der überlebenswichtigen DNA Reparatur eine entscheidende Rolle spielt.

Beschädigung und Reparatur des menschlichen Erbguts

Unser Körper ist dauerhaft zahlreichen Belastungen ausgesetzt, die zu Schäden führen können. Zu diesen Belastungen zählen gefährdende chemische Stoffe, Strahlung oder Infektionen, aber auch Einflüsse und Prozesse des täglichen Lebens, wie beispielsweise Stress und Anspannung. Die biologischen Prozesse, mit denen der Körper auf diese Belastungen reagiert und die Begrenzung ihrer schädigenden Auswirkungen vollzieht, sind auch und besonders an den Alterungsprozess gebunden. Dabei spielen vor allem die Aufrechterhaltung und Reparatur unseres Erbguts, der DNA, eine entscheidende Rolle, da diese den genetischen Bauplan für die Erzeugung gesunder Zellen beherbergt. Jede unserer Zellen ist täglich Zehntausenden von DNA-Beschädigungen ausgesetzt, die zum Beispiel schon durch Stoffwechselprozesse, starke Hitze oder UV-Licht entstehen können. Diese Schäden werden durch ein spezifisches DNA-Reparatur System erkannt und repariert. Werden DNA-Schäden jedoch nicht oder falsch repariert, führen sie zu Mutationen oder DNA Verkürzungen, die die Lebensfähigkeit von Zellen oder ganzer Organismen gefährden. Krankheiten wie Krebs, neurodegenerative Erkrankungen, Immunschwächen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen können als Folge auftreten.

Protein-Veränderungen als unmittelbare Zellantwort auf Belastungen

Organismen und jede einzelne Zelle reagieren schnell auf Veränderungen in ihrer Umwelt, um mögliche Schäden zu vermeiden oder schnellstmöglich zu reparieren. Zu den ersten Reaktionen gehören Prozesse der Proteinlokalisierung oder -modifikation, bei denen bereits in den Zellen vorhandene Proteine mittels chemischer Veränderungen umgeleitet, aktiviert oder deaktiviert werden. Diese sogenannten post-translationalen Proteinmodifikationen (PTMs) regulieren grundlegende biologische Prozesse, indem sie die Eigenschaften ihrer Substratproteine dynamisch verändern.

Die ADP-Ribosylierung reguliert die Beseitigung von DNA Schäden und beeinflusst den Alterungsprozess

Die ADP-Ribosylierung (ADPr) ist eine solche PTM, die viele zelluläre Prozesse einschließlich der DNA-Reparatur steuert. Sogenannte Poly(ADPr)polymerasen (PARPs) gehören zu den wichtigsten Enzymen, die die ADPr bewirken. PARP1 ist das am besten untersuchte Mitglied der PARP-Familie und hat wegen seiner Schlüsselrolle bei der DNA-Reparatur und als möglicher Ansatz für die Krebstherapie große Aufmerksamkeit erlangt. PARP-1 spielt eine wichtige Rolle bei der DNA-Reparatur während der Alterung. Sowohl bei natürlich bedingtem Altern als auch bei genetischen Erkrankungen, die durch vorzeitiges Altern gekennzeichnet sind, erhöht die Aktivierung von PARP1 die Gesamtmenge des Proteins poly-ADPr. Dies wiederum führt zu einer Abnahme von NAD+, einem wichtigen Ko-Faktor in vielen Stoffwechselwegen, und damit einhergehender mitochondrialer Fehlfunktionen. Mitochondriale Defekte haben sich inzwischen als typische Merkmale von Alterungsprozessen herausgestellt.

Die Aminosäure Serin als spezifische ADP-Ribosylierungsposition in Histonen, den DNA-bindenden Proteinen

Trotz eines weit verbreiteten und intensiven Interesses am molekularen Mechanismus der ADPr und, bedauerlicherweise damit verbundenen, erheblichen wissenschaftlichen Anstrengungen hat es sich lange hingezogen, die molekularen Mechanismen dieser anspruchsvollen PTM zu erforschen. Angesichts der biologischen und klinischen Bedeutung von ADPr haben wir uns daher vorgenommen, Histon ADPr in Zellen mittels Massenspektrometrie (MS) zu analysieren. Histone sind Proteine, die in eukaryontischen Zellkernen vorkommen, die DNA in einzelnen Struktureinheiten verpacken und ordnen. Alle Histone sind ADP-ribosyliert und sie werden auch im Hinblick auf ihre Funktion bei der DNA-Schadensbeseitigung untersucht. Der molekulare Mechanismus der Histon-ADPr jedoch blieb bis vor kurzem im Verborgenen, da nicht feststellbar war, wo genau im Histon-Protein die ADPr passiert. .Um dies festzustellen, hat unser Labor eine Methode zur ADPr-Standortkartierung etabliert und dabei die Aminosäure Serin als Bindungsstelle identifiziert. Die Ser-ADPr war, so zeigte sich nachfolgend, aufgrund zahlreicher technisch-analytischer Barrieren für Jahrzehnte schwer fassbar gewesen, und dies, obwohl es sich, wie wir und andere Forschungsgruppen inzwischen zeigen konnten, um eine weit verbreitete PTM handelt (Abb. 1).

Als nächstes haben wir die Enzyme PARP-1, das wie erwähnt bereits im Verdacht stand, eine Rolle bei der DNA-Reparatur zu spielen, und HPF1 (Histon-PARylierungsfaktor 1) als diejenigen Hauptakteure identifiziert, die Ser-ADPr maßgeblich aktivieren. Da bekannt war, dass Ser-ADPr bei DNA-Schäden auch reversibel ist, identifizierten wir zudem die Hydrolase ARH3 als Antagonist dieser Proteinmodifikation, der quasi die Ser-ADPr wieder ausradieren kann. Darüber hinaus konnten wir zeigen, dass Ser-ADPr die primäre PTM in Zellen unmittelbar nach dem Eintreten von DNA-Schäden und in der Regulierung der DNA-Reparatur darstellt.

Die Kenntnis, dass die ADP-Ribosylierung an einem definierten Serinrest an Histonen passiert, hat inzwischen große Aufmerksamkeit erregt. Immer mehr Labore verlagern ihren Fokus auf die Forschung an Ser-ADPr, um die molekularen Mechanismen dieser biologisch und medizinisch relevanten posttranslationalen Modifikation und vor allem ihre Wirkung und Bedeutung für den Organismus herauszufinden. Für die Alternsforschung eröffnen diese Erkenntnisse ein neues, spezielles Forschungsgebiet über die Rolle der Ser-ADPr bei der DNA Reparatur und damit die Möglichkeit, neue Therapieansätze für diejenigen altersassoziierten Krankheiten zu finden, die auf DNA Beschädigungen zurückzuführen sind.

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